Richard Wagner / 07.10.2011 / 20:25 / 0 / Seite ausdrucken

Ich sah den Kapitalismus untergehen

Als ich im April 1952 im Banat, das damals das zweifelhafte Glück des Stalinismus genoss, geboren wurde, teilte man mir unter den allerersten Informationen, die mir als Kind des Proletariats zustanden, mit, dass der Kapitalismus mit sofortiger Wirkung untergehe. Inzwischen steuere ich auf die Sechzig zu und der Kapitalismus befindet sich immer noch stramm auf Untergangskurs.

Die selbsternannten Inspektoren der Titanic, aus dem linken Lager, stolzieren dieser Tage wie die Goldfasane durch die Einkaufszentren, so als könnte man mit bloßem Auge den Zusammenbruch des Systems in 3D genießen. Es ist, als würden die Anzüge jeden Augenblick von der Stange fallen und der Konsumpalast für immer schließen, damit die Natur nicht länger durch den kaufsüchtigen Menschen belastet werde.

Der Genosse Rudolf Walther belehrt uns unterdessen in den heiligen Spalten der taz darüber, dass der Konservatismus aus Opposition gegen die französische Revolution entstanden sei, Burke und de Maistre hätten die Revolution töten wollen. Sie trommelten, so jedenfalls will es der kompetente Walther vernommen haben, gegen Frankreich, wie heute die Islamkritik und die Tea Party für den Krieg gegen den Iran. Der Vollständigkeit halber sei gesagt, sie taten es mit Worten. Für ihr Ende hat die Revolution selbst gesorgt.

Was hat Rudolf Walther, den freien Publizisten aus Frankfurt am Main, so in den Rausch versetzt, dass er umgehend Ursache und Wirkung vertauscht? Wir wollen nicht beantworten, was nicht zu beantworten ist. Es genügt zu wissen. Die göttliche Linke ist wieder da,. Diesmal mit Rollator. Sie schickt sich an, die Salons des Kapitals zu füllen und gibt sich den Anschein, als ob sie den Zusammenbruch der hauseigenen Bank herbeisehnen würde, um von der Last ihres Kontos befreit zu sein und sich ganz dem Drill der Utopie zuwenden zu können.

Einige verlassen, wie man hört, bereits das Deck. Lorenz Jäger von der FAZ hat sich nach eigenem Bekunden von der konservativen Truppe entfernt und ist wohl inzwischen im Lager der Gutmenschen wohlbehalten eingetroffen. Die Titanic soll sich bei seinem Landgang leicht gehoben haben. Vielleicht aber ist auch das nur eine Illusion, wie die Annahme, das Griechenland, wo alles staatlich ist, von der Toilette bis zum Mineralwasser und zur Religion, an zu viel Kapitalismus gescheitert sei. Wir sind gespannt auf seine Korrespondentenberichte, nicht aus dem richtigen Leben, aber von der richtigen Seite.  Links, wo manche das Herz vermuten.

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