Henryk M. Broder / 18.10.2018 / 15:00 / 24 / Seite ausdrucken

Ich rede vom Antisemitismus von Muslimen

Langsam lichtet sich der Nebel um die #unteilbar-Demo letzten Samstag in Berlin. Anders als bei solchen Anlässen üblich, hat die Polizei keine Angaben zu der Zahl der Teinehmer gemacht, sie sprach nur von "einigen Zehntausend". Die meisten Medien übernahmen die erstaunlich genaue Schätzung der Organisatoren (242.000) und rundeten sie auf eine Viertelmillion auf. Egal, wie viele es waren, eine wesentliche Information ging auch diesmal in der Welle der Begeisterung unter. Wie viel hat das Ganze gekostet und wer hat es bezahlt? Ist Herbert Grönemeyer auf eigene Rechnung aus London eingeflogen, um zwei Lieder zu singen? 

Unter den Rednern war auch die ehemalige Vorsitzende der Berliner jüdischen Gemeinde, Lala Süsskind. Sie hatte offenbar schon während der Demo bemerkt, was den Veranstaltern entgangen war: dass unter den Mitläufern auch einige in roter Baumwolle gefärbte linke Antisemiten dabei waren, die am liebsten dann in Wallung geraten, wenn es um Israel geht. Gegen Juden als solche haben sie nichts, vor allem, wenn die schon tot sind.

Wir dokumentieren hier die Rede von Lala Süsskind, wohlwissend, welche Grenzen der Opportunität zu überschreiten auch jüdische Funktionsträger sich nicht trauen. Immerhin hat sie das Kind beim Namen genannt. Da drücken wir ein Auge zu und findens wunderbar!

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter für eine offene und freie Gesellschaft.

Ich bin heute bei Euch , um mit Euch für eine demokratische Gesellschaft zu streiten.

Denn ohne Streit, liebe Freundinnen und Freunde, ist eine lebendige Demokratie nicht zu haben. Ohne Streit stirbt unsere freiheitliche Demokratie.

Die jiddische Sprache in Europa ist heute weitgehend verschwunden. Der Nationalsozialismus hat sie fast ausgerottet. Aber die jiddische Sprache hat der Welt ein Wort geschenkt, das ich sehr schätze und das ihr wohl alle kennt: „Tacheles“.

Wir müssen Tacheles reden, wenn unsere freiheitliche Demokratie angegriffen wird. Und sie wird angegriffen, wenn der Zusammenhang der allgemeinen und unteilbaren Menschenrechte aufgelöst wird. Denn wenn ein Grundrecht für eine Bevölkerungsgruppe in Frage gestellt wird, dann stellt dies das Grundrecht als solches und die Unteilbarkeit der Menschenrechte in Frage.

Wir müssen uns wehren, wenn Rechtsextreme gegen die Vielfalt in unserem Land hetzen. Wir müssen uns vor Menschen jeder Herkunft stellen, vor Schwule und Lesben, vor Sinti und Roma – vor alle, die Tag für Tag aufgrund von Vorurteilen angegriffen und beleidigt werden.

Zu der Vielfalt, die wir gemeinsam verteidigen müssen, gehört auch das jüdische Leben in Deutschland. Jüdisches Leben in Deutschland heißt für mich, dass ich nicht als Fremde, sondern als Bürgerin wie alle anderen auch in diesem Land leben kann.

Der Antisemitismus vereint sehr verschiedene Feinde und Verächter unserer freiheitlichen Demokratie, auch wenn diese sonst einander spinnefeind sein mögen.

Deutschland ist vielfältiger geworden und damit auch sein Antisemitismus. Es sind nur heute nicht nur Rechtsextreme, die das jüdische Leben und unsere Demokratie angreifen.

Neben dem Judenhass von rechts, mit dem Jüdinnen und Juden schon immer leben müssen, kommen heute neue Bedrohungen. Liebe Freundinnen und Freunde, wir müssen uns fragen: Wie gehen wir damit um?

Auf diesem Platz, liebe Freundinnen und Freunde, stehen auch AnhängerInnen einer weltweiten Boykottkampagne gegen Israel. Sie wollen, dass die Welt jeden Kontakt zu Israel, zu seiner Wissenschaft, seinem Kulturleben und zu seinen Sportlern beendet. Sie wollen Israel zum Ghetto machen. Wir müssen uns fragen: Wie gehen wir damit um?

Ich finde es unerträglich, dass alltäglich Verschwörungsmythen verbreitet werden, die sich letztlich auf antisemitische Gerüchte über „die Juden“ gründen. Heute versteckt sich dieser Hass auf Juden am liebsten im Hass auf den jüdischen Staat Israel. Und er äußert sich nicht zuletzt in der Delegitimierung und Dämonisierung Israels sowie in der Anwendung doppelter Standards an den jüdischen Staat.

Wenn wir wirklich #unteilbar sind, dürfen wir diese Angriffe auf die größte jüdische Gemeinschaft der Welt nicht dulden. Wir müssen uns wehren gegen das Gift von antisemitischen Gerüchten und Verschwörungswahnsinn! 

Tatsächlich werden Juden auch von Menschen beleidigt, bespuckt und angegriffen, die selber von Rechtsextremen beleidigt, bespuckt und angegriffen werden. Ich rede vom Antisemitismus von Muslimen, die von Hasspredigern mit antisemitischen Verschwörungstheorien zum Hass angestachelt werden.

Liebe Freundinnen und Freunde, wir wissen, dass die Mehrheit der Muslime mit dieser Gewalt nichts zu tun hat. Und gerade deswegen müssen wir Tacheles gegen muslimischen Antisemitismus reden.

Denn ich möchte in einer Demokratie leben, in der wir der Vielfalt und der Komplexität von Menschenfeindlichkeit ins Auge sehen.

Ich möchte in einer Demokratie leben, in der wir uns auf Augenhöhe Tacheles reden.

Liebe Freundinnen und Freunde, lasst uns niemals aufhören, Tacheles zu reden!

Ich möchte mich euch allen zusammenleben und mit euch streiten. Als Jüdin, als Bürgerin und als Mensch.

Ich danke Euch! Schön, dass Ihr alle hier seid!

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Frank Holdergrün / 18.10.2018

Ich lese und rede von den islamischen Sonderbehandlungen im Koran/Hadith, die sich auf Juden (und auch Christen) beziehen, fest gezimmert in diesen Grundlagenwerken, und über Jahrhunderte weitergetragen in den Seelen der Gläubigen. Ich rede von der Kritik in Europa gegen die christliche Religion, im Mittelalter, als dem Ausgangspunkt für Aufklärung,  Fortschritt und Säkularisierung. Ein Prozess, dem sich bei uns auch der Islam unterziehen muss – oder: er zieht sich und seine Gläubigen in seine Herkunftsregionen zurück. Wenn Frau Kaddor meint, der Islam brauche keine Aufklärung, weil er im Mittelalter bereits aufräumte mit seinen Denkern (z.B. Averroes), dann sagt dies alles über ein mangelhaftes Verständnis von Geschichte, Aufklärung und unserem Grundgesetz.

Marc Stark / 18.10.2018

Ich geh mal nicht auf die vilene Unterstellungen und Diffamierungen ein, die diese REde trotz enthält, es ist ja schonmal löblich, das zumindest die Scheuklappe etwas gelüftet wurde. Das gleiche noch von den “Feministinnen” und der LGBT und wir wären einen ganz kleinen Schritt weiter. Lob an Sahra und Terre des Femmes, dass sie sich diesem Zirkus verweigert haben!

Udo Kemmerling / 18.10.2018

Die Botschaft ist klar, unmißverständlich und wahr. Einzig frage ich mich, warum beim Thema Antisemitismus und allgemeine Intoleranz des Islam immer vorher erst ausgiebig auf den Rechtsradikalismus eingegangen werden muß. Es wird im Normalfall, wenn der Rechtsradikalismus selbst thematisiert wird auch vorher nicht, sagen wir, ausgiebig darauf verwiesen, dass der Mond uns immer dieselbe Seite zeigt. Der Antisemitismus und alle anderen Defizite des Islam sind ein gesellschaftliches relevantes Thema, das man ganz soliert begreifen muß. Der Islam hat den Judenhass nicht vom Nazi gelernt, der Islam ist zudem ein importiertes Problem, das man mit konsequenten Abschiebungen zügig in den Griff bekommen kann. Jede Gesellschaft hat einen Bodensatz von Beratungsresistenten, mit den sie einen sinnvollen Umgang haben sollte. Unsere Gesellschaft spaltet sich über den unnötigen Zugang von definitionsgemäß Beratungsresistenten, deren Aufenthalt hier nicht erst mit Taten gegen Andersdenkende in Frage zu stellen ist. Wenn wir Tacheles reden wollen, dann sollten wir anerkennen, dass die Zahl antisemitischer (und darüber hinaus antichristlicher, antiwestlicher und antideutscher) Moslems hier die Zahl der Nazis um eine erhebliches Vielfaches übersteigt. Ich kenne keinen einzigen nicht-islamischen Antisemiten, oder andersherum, alle Antisemiten, die mir in meinem ganzen Leben begegnet sind, waren Moslems. Lösen wir also zuerst das große Problem, und relativieren wir nicht grundsätzlich mit dem wesentlich kleineren.

B. Maier / 18.10.2018

Ja, diese Rede tatsächlich ein Lichtblick! Ein großes Lob an Frau Süsskind, dass sie es gewagt hat, in so einem Umfeld doch recht offene und deutliche Worte zu sagen! Weiter so! Und falls jetzt noch ein paar Journalisten den Mut haben, offen und vorurteilsfrei über den zunehmenden Antisemitismus von links und von islamischer Seite in unserem Land zu berichten, dann hätte ich wieder Hoffnung für unser Land. Also, Journalisten, zeigt Rückgrat!

Susanne antalic / 18.10.2018

Es ist zwar nett gesagt, aber der Linke und islamische Antisemitismus überwiegt um Längen den rechten Antisemitismus und es ist gewollt, den die linken Parteien lassen keine Hetze über Israel aus, deshalb verstehen sie sich so gut mit dem Islam, die gleiche Gessinung verbindet und der Zentralrat ist nur am kriechen vor der Merkel, nur kein falsches Wort. Man verkauft die AFD als rechte Partei, sicher sind da ein paar Judenfeinde drin, aber die linken Parteien sind Judenfeindlich verseucht. Man hatte an diese Demonstration gesehn, keine Deutschflaggen erwünscht, aber dafür palestinische, Türkische etc. Es war eine Deutschenhasser und Judenhasser Demonstration, die von allen Medien gelobt wurde. Da weiss man woran man ist. Die Rede von der Lala, war putzig und diplomatisch, aber man sieht, dass ihr Herz sehr links schläg.

Daniel Gildenhorn / 18.10.2018

Lassen Sie mal raten, wer gewinnen wird? Die Seite, die nur redet (ein Beispiel hier oben), oder die, die redet und tut?

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Henryk M. Broder / 03.04.2024 / 12:00 / 120

Kein Freibrief von Haldenwang

Von „Verfassungshütern“ wie Thomas Haldenwang geht die größte Gefahr für Meinungsfreiheit und Demokratie in unserem Land aus. Wenn die Bundesrepublik eine intakte Demokratie wäre, dann…/ mehr

Henryk M. Broder / 12.03.2024 / 14:00 / 62

Christian Wulff: Liechtenstein? Nein, danke!

Unser beliebter Ex-Präsident Christian Wulff hat Angst, Deutschland könnte auf das Niveau von Liechtenstein sinken. Das kleine Fürstentum hat auf vielen Gebieten längst die Nase…/ mehr

Henryk M. Broder / 07.03.2024 / 16:00 / 19

Aserbaidschanische Kampagne verhindert Armenien-Debatte

Eine in Berlin geplante Buchpräsentation und Diskussion über bedrohtes armenisches Kulturgut konnte aus Sicherheitsgründen nur online stattfinden. Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP)…/ mehr

Henryk M. Broder / 04.03.2024 / 14:00 / 23

Michael Blume: Vom Zupfgeigenhansl zum Ersten Geiger?

In der Dienstzeit des Antisemitismus-Beauftragten Michael Blume hat die Zahl antisemitischer Straftaten in Baden-Württemberg erfolgreich zugenommen. Aber der Mann hat andere Sorgen. Ende Dezember letzten…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 12:15 / 35

Eilmeldung! Herr Schulz ist aufgewacht!

Im Büro der Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann war nach einem Bericht von Achgut.com die Luft heute morgen offenbar besonders bleihaltig. Richtet man…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 06:00 / 125

Frau Strack-Zimmermann hat Cojones, ist aber not amused

Es spricht für Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ), dass sie mein Schaffen verfolgt. Deshalb hat sie noch eine Rechnung mit der Achse offen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ) hat…/ mehr

Henryk M. Broder / 22.02.2024 / 10:00 / 80

No News aus Wolfsburg in der Tagesschau

In Wolfsburg stellt sich der VW-Chef auf die Bühne, um Weltoffenheit zu demonstrieren. Die Belegschaft hat derweil andere Sorgen. Die Tagesschau meldet, auch an diesem Wochenende hätten tausende…/ mehr

Henryk M. Broder / 18.02.2024 / 11:00 / 57

Eine Humorkanone namens Strack-Zimmermann

Ja, wenn einem deutschen Politiker oder einer deutschen Politikerin nichts einfällt, irgendwas mit Juden fällt ihm/ihr immer ein. Dass immer mehr Frauen in hohe politische…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com