Alexander Wendt / 11.10.2018 / 13:08 / Foto: achgut.com / 46 / Seite ausdrucken

Ich muss leider draußen bleiben!

Am 27. Oktober erscheint mein neues Buch „Kristall". Eine Reise durch die Drogenwelt des 21. Jahrhunderts" (Klett-Cotta). Die Buchvorstellung – sie wird übrigens von dem Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap übernommen – einem prominenten Wettbewerbsökonomen und Befürworter der Cannabis-Entkriminalisierung in Deutschland) sollte ursprünglich am 29. Oktober in der Buchhandlung Montag in Berlin, Pappelallee 25 stattfinden. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen einer Literaturagentur und der Buchhandlung war vor Monaten geschlossen worden. Einige Einladungen hatte ich schon verschickt. 

Drei Wochen vor der Premiere sagte die Buchhandlung die Veranstaltung ab. Begründung der Betreiber: Sie hätten jetzt herausgefunden, dass ich die „Erklärung 2018" unterschrieben habe; außerdem störe man sich an einigen Veröffentlichungen in meinem Magazin Publico. Was genau sie störte, teilten sie nicht mit. Sie hatten mich auch nie kontaktiert, sondern ihre Absage nur gegenüber der Agentur erklärt. 

Nun findet sich in meinem Buch selbst überhaupt keine Links-Rechts-Konnotation. Wenn es überhaupt in irgendeiner Weise zum Rechts-Links-Grabenbruch steht, dann nur so weit, dass einige Argumente und Schilderungen zur Drogenentkriminalisierung eher auf der linken, liberalen und libertären Seite des Spektrums zu finden sind. 

Um den Inhalt eines Buchs geht es also offensichtlich überhaupt nicht mehr, wenn Mitglieder des Wächterrates aktiv werden – sondern nur noch um die richtige oder eben nicht richtige Gesinnung des Autors.

Ausgrenzen, Hände ringen, Spaltung beklagen

Es sind Haltungsinhaber der gleichen Sorte, die gleichzeitig die Hände ringen und bei jeder Gelegenheit über die so genannte gesellschaftliche Spaltung klagen. Über die Intoleranz. Über das gesellschaftliche Klima, das – schlimm, schlimm – so rau geworden ist. Über die schrecklichen Filterblasen.

Natürlich kann jeder argumentieren, dass er selbst entscheiden will, wen er in seine Räume lassen möchte. Jemand kann auch eine schon gemachte Zusage wieder kassieren. Jeder kann erklären, dass er keine Lust auf eine Diskussion oder nur eine Begegnung mit jemand hat, der nicht astrein aus dem eigenen Milieu stammt. 

Auf der Website der Buchhandlung, die gesinnungstechnisch nicht ganz, aber dann noch rechtzeitig auf Zack war, hatte ich gesehen, dass dort demnächst die Spiegel-Online-Kolumnistin Margarete Stokowski liest. Sie hatte vor einiger Zeit in ihrer Kolumne Gewalt gegen Personen, die sie als schlecht empfindet, ausdrücklich gerechtfertigt beziehungsweise dazu so ermuntert, dass es die eigenen Truppen es verstehen („Antifaschismus bleibt Handarbeit“). Von ihr stammt auch der nur notdürftig verschleierte Aufruf an Frauen, politisch lästige Männer mit erfundenen MeToo-Vorwürfen „aus dem Weg“ zu räumen. Die Pointe der Situation liegt darin, dass ich kein Problem gehabt hätte, in einer linken Buchhandlung zu lesen, in der auch jemand wie Margarete Stokowski liest. Um ein Wort von Wolfgang Herrndorf leicht abzuwandeln: Ich habe schon mit Linken Sport getrieben, diskutiert, fraternisiert – und hat es mir geschadet?

Gern wüsste ich aber das Beispiel irgendeiner Institution, die, sagen wir einmal, nichtlinks ist, und jemand wieder mit der Begründung ausgeladen hätte, der Betreffende habe sich, wie man gerade erfahre, einmal links geäußert oder etwas Linkes geschrieben. Den Schutzwall mit Wachtürmchen und Papierkontrolle baut eben nur eine Seite auf: die Seite der Wunderbunten und Vielfältigen.

Keine Sorge übrigens, ein (besserer) Ersatzort für die Buchpremiere in Berlin Mitte für den 3. November ist gefunden. 

Foto: achgut.com

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Paul Siemons / 11.10.2018

Montag, Montag ... hieß so nicht der tapfere Feuerwehrmann, der in Ray Bradburys Roman “Fahrenheit 451” die Freiheit des Denkens zu lieben lernt und heimlich Bücher versteckt, die im Auftrag der Herrschenden verbrannt werden sollen? Der sich zuletzt mit weiteren Kritikern des Systems in Wäldern versteckt und dort Bücher auswendig lernt, damit sie trotz physischer Vernichtung zumindest im Gedächtnis erhalten bleiben? Ich will nicht hoffen, dass sich die feine Buchhandlung ausgerechnet nach dieser fiktiven Figur benannt hat. Ansonsten wäre “Montag”  der blanke Hohn.

Sabine Schönfelder / 11.10.2018

Lieber Herr Wendt, manchmal bekommt man eine Entscheidung abgenommen, und wenn man darüber nachdenkt, kann man dafür nur dankbar sein. Will man mit Menschen verkehren, die die Welt anhand einer Erklärung, der Erklärung 2018, in gut und böse aufteilen? Menschen, die die Umwelt zerstören, um Windräder aufzubauen und bei Flaute Atomstrom der Nachbarn kaufen? Menschen, die unkontrolliert Hunderttausende von jungen Männern ins Land katapultieren und die Messerstecher und Vergewaltiger unter jenen gewähren lassen und das Ganze medial verharmlosen? Menschen, die nach den Energiekonzernen, jetzt die Autoindustrie und Chemiekonzerne in die Knie zwingen, aus Dummheit und ideologischer Verblendung? Soviel Haschisch und Dope können Sie in einem Buch garnicht bearbeiten - oder rauchen, daß ein Linksideologe Sie nicht als bösen Rechtsradikalen bezeichnete! Von solchen Menschen als ‘rechts’ oder ‘rechtsradikal’ bezeichnet zu werden , ist ein echtes Kompliment, denn es zeigt, daß man sich in keinster Weise mit dieser irrsinnigen Politik identifiziert. ’ Rechtsradikal’ aus einem linken Maul gesprochen, ist gleichbedeutet mit Kritik an grün-linken Standpunkten. Deshalb wächst in den Augen der Regierung ständig der Rechtsradikalimus, denn es wächst die Kritik!! Sie nehmen es sportlich und lassen Frau Stokowski den Vortritt, bevor sie Sie noch der sexuellen Belästigung bezichtigt! Sie wissen doch, strukturell sexuell geht immer! Stokowski ist außerdem ‘obenherum frei’ (Buchtitel) und qualifiziert sich damit, wie ihr obenrum freier Kollege Augstein, von selbst für geistloses Geschwafel. Viel Erfolg für Ihr neues Werk. LG

Paul J. Meier / 11.10.2018

“Kauft nicht bei Juden ein”! Hatten wir doch schon einmal, demnächst werden wohl, diesmal keine gelben, sondern blaue Sterne verteilt. Wehret den Anfängen…Irgendwie hat mein innerer Kompass eine diametrale Konfusion!

Mathias Bieler / 11.10.2018

Und wieder ein Buch das jetzt schon ungelesen sehr hilfreich ist.Ich werde dieses Buch (und hoffentlich viele andere Achseleser auch) genau in dieser Buchhandlung bestellen.Mal sehen was grösser ist….die Moral oder das Fressen.

M. Schneider / 11.10.2018

Es ist einfach nur noch unfassbar, was sich hier in Deutschland abspielt! Hat die Antifa etwa die Buchhandlung aufgesucht oder ihr Kommen zumindest angedroht? Der Hinweis auf die Unterzeichnung der Erklärung 2018 setzt ja wohl allem die Krone auf! Beruhigend ist es, dass sich ein neuer Ort für die Veröffentlichung Ihres Buches gefunden hat.

Fr. Hegels / 11.10.2018

Unglaublich !  Das ist ja fast die bisherige Spitze dessen, was bisher an Gesinnungsschnüffelei geschehen ist. Und offenkundig! Nicht einmal mehr bemüht, die Ausladung wenigstens mit “gebrochener Wasserleitung” oder einem Dachschaden zu begründen!  Wenn man überlegt, was für Klagen eingereicht werden wegen irgendeinem fadenscheinigen -oder tatsächlichen- “Diskriminierungsvorwurf”, da ist das, was hier vor unser aller Augen abläuft, schon ein echter Skandal! Der treffend bezeichnete “Wächterrat” existiert nicht als Organisation, sondern in jedem Haus, jeder Firma und jedem Büro.  Aufzupassen, was man sagt, habe ich früh gelernt und wie wohl alle ex DDR-Leute mir nicht im Traum vorstellen können, dass ich diese Fähigkeit in der freiheitlich- demokratischen BRD jemals wieder brauchen würde…

Karla Kuhn / 11.10.2018

“Sie hätten jetzt herausgefunden, dass ich die „Erklärung 2018“ unterschrieben habe; außerdem störe man sich an einigen Veröffentlichungen in meinem Magazin Publico. ” Haben die sich auch an den GEWALTVERHERRLICHTEN TEXTEN einer gewissen Band im Kampf GEGEN “RASSISMUS UND witzigerweise auch gegen HETZTE derart Ins “zeig” gelegt ??  Herr Wendt,  nehmen Sie es locker, eine BESSERE REKLAME für Ihr Neues BUCH können Sie sich gar nicht wünschen.  Ist es wieder soweit ?? ANDERSDENKENDE werde ausgegrenzt, hatten wir bereits, einem Freund meines Vaters, Erich Kästner, wurden die BÜCHER VERBRANNT!  WANN starten die nächste PETITION?? Über Ausgrenzung, DAS ist für mich RASSISMUS !!

Adrian Lauber / 11.10.2018

Gesinnungsterror, wohin man auch schaut. Man braucht sich nicht darüber zu wundern, dass es in einem Jahrhundert innerhalb kurzer Zeit zwei Diktaturen auf deutschem Boden gegeben hat. Und man hat offensichtlich sehr, sehr wenig gelernt.

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