Beda M. Stadler, Gastautor / 07.12.2012 / 08:18 / 0 / Seite ausdrucken

Ich mag McDonald’s

Ein richtiger Clown kann auch einstecken. Nicht so Ronald McDonald. Diese Ketchup- und Pommes-farbige Mitleidsfigur ist ein trauriger Unterhund. Der Clown passt somit eigentlich nicht zum McDonald’s-Firmenimperium, das Grund genug hätte, stolz und selbstsicher zu sein. Trotzdem wird die Firma ständig zur Zielscheibe der Globalisierungsgegner, die meistens Uncle Sam treffen wollen. In Frankreich erlangte José Bové 1999 Berühmtheit, weil er zusammen mit anderen friedliebenden Bauern ein McDonald’s-Restaurant zerstörte. Der Anti-Gentechnik- Protestant sass deswegen, aber auch wegen -anderer «friedlicher» Aktionen gegen den «Drecksfrass», mehrmals im Gefängnis. Sein illegaler Aktivismus war aber ein Ticket, um als Grüner ins EU-Parlament gewählt zu werden. Bei uns haben Politiker wie Moritz Leuenberger einst bloss Unterschriften gegen McDonald’s gesammelt. Das ist nicht aggressiv, zeigt aber die gleiche geistige Haltung.

Wegen der Anfeindungen ist McDonald’s zu einem leuchtenden Beispiel für die Evolution geworden. Nicht der Stärkste, sondern der Fitteste überlebt. Jede Kritik am Konzern wird aufgenommen. So wurde das «Menu Large» aus dem Sortiment genommen, weil Fast Food zum Hauptschuldigen für übergewichtige Kinder gemacht wurde. Trotzdem hat die ¬Firma Rückgrat und verwendet fast ausschliesslich Schweizer IP-Produkte, ohne den sonst üblichen Kniefall vor Bio. Derzeit gibt es «Schwiizer Wuche» mit «Simmetal Prime», als ob die Firma auf dem Rütli gegründet worden wäre. Kaum ein anderes Gastronomieunternehmen informiert so transparent und umfassend über seine Produkte wie der Weltkonzern McDonald’s. Die Firmenpolitik ist konsumentenfreundlich auf Amerikanisch, die Produkte sind gut schweizerisch.

Die Kundschaft wächst, und McDonald’s passt sich an. Die Pommes gehören zu den besten, und wer nicht mit dem Kopf isst, der verlangt ab und zu nach einem deftigen Hamburger. In welches Restaurant kann man heute noch mit der Gewissheit gehen, dass das Essen gleich gut schmeckt wie das letzte Mal? So viel Konstanz und so viel Erfolg bringen Neider auf den Plan. Etwa das Zürcher Schauspielhaus, das während der Weltkriegsjahre zu einem Theater mit explizit antifaschistischer Stossrichtung und kritischem Spielplan avanciert war. Weil McDonald’s seine Hamburger in unmittelbarer Nachbarschaft des Schauspielhauses verkaufen will, verlangt dieses Einsicht in die Baupläne der Schnellimbiss-Kette und will sogar prüfen, in welcher Form man gegen das Projekt vorgehen könnte. In einer Medienmitteilung tönt das so: «Wir sind der Auffassung, dass die Eröffnung eines Fast-Food-Lokals im Pfauen nicht passend ist. Und wir glauben nicht, dass McDonald’s den Besucherinnen und Besuchern des Schauspielhauses eine ¬gastronomische Heimat bieten kann.» Sucht das Haus ein neues Feindbild: die bösen USA?

Im Moment spielt das Schauspielhaus «Pünktchen & Anton», «D’Zäller Wiehnacht», «Weihnachtssalon in der Matchbox» mit Überraschungsgästen für Kinder und Erwachsene. Vielleicht taucht der Vegetarier Moritz Leuenberger mit einem Cüpli in der Hand auf und verdirbt den Kindern den Appetit auf ein Happy Meal? Die gastronomische Heimat dieser Kinder liegt aber sicher nicht bei zarten Zucchinistreifen auf Balsamico-Tofu. Vielleicht passt die literarische Heimat nicht zu den angelockten Kindern, weil die schon in der Pause in den McDonald’s abhauen würden.

Die erwachsenen Schauspielhaus-Besucher sehen derzeit Brecht, Gorki, Ibsen, Shakespeare, aber auch René Pollesch. Ich hoffe, sein Zitat zum aufgeführten Stück «Macht es für euch!» war nicht auf McDonald’s gemünzt: «Das, worauf wir keine Besitzansprüche anmelden würden, das, was wir weit von uns weisen würden, da sind wir, das ist das, was wirklich Macht über unsere Handlungen hat.» Wer so verwurstet redet, braucht sicher zwischendurch eine Portion Chicken McNuggets. Theaterbesucher brauchen keinen Menüplan, der zum Schauspielplan passt. Geht es bloss um Snobismus oder gar um mehr? Falls die staatlich subventionierte Kunst keinen Frittierölduft in ihren Hallen erträgt, könnte man darüber lächeln. Die Sorge um das gehobene Niveau, zu dem allenfalls Slow Food, aber keinesfalls ein Häppchen Fast Food passt, ist womöglich gleichermassen unzeitgemäss wie das derzeitige Programm. Schauspieler essen nach der Aufführung gerne etwas Warmes und könnten sich, oh Schreck, mit den Besuchern im Fast-Food-Restaurant solidarisieren. Anpassung wäre dann angesagt.

Den armen Ronald McDonald wieder einmal in die Schäm-dich-Amerika-Ecke zu stellen, ist nicht fair. McDonald’s ist ein Kulturgut, auch wenn Shakespeare das noch nicht vorhergesehen hat. Diese Firma hat aufgezeigt, wie man evolutionär und innovativ sein kann. Also keine Machtdemonstration, sondern Anpassung. Zahlreiche künftige Besucher würden sich freuen, in der Pause die Auswahl zu haben zwischen Big Mac und Vegi Mac, verschiedenen Salaten, Donuts, Muffins und Sundaes. I’m lovin’it! Es wird keine langen Warteschlangen geben, und man wird sich freuen, freundliche Gesichter hinter der Theke zu ¬sehen. Die Fantasie wird nach der Pause dem Stück gehören und nicht den Preisen des Caterers.

Zuerst erschienen in der WELTWOCHE vom 5. Dezember 2012

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