Ralf Schuler / 25.02.2020 / 06:00 / Foto: Dktue / 101 / Seite ausdrucken

Ich fahren, Du sagen

Die Ankunft in der globalisierten Welt gestaltet sich zuweilen schwierig. Dass man im Taxi im Grunde keine Deutsch-Muttersprachler mehr trifft und an muslimischen Feiertagen auch keines zu bestellen versuchen sollte, ist seit langem Standard – nicht nur in Großstädten. Und wenn ich es rechtzeitig bemerke, kann ich dem Fahrer auch irgendwie klarmachen, dass wir auf dem Weg nach „Wannsee“ sind, ich aber „Weißensee“ gesagt hatte. Das ist ein phonetisch kleiner, geografisch jedoch recht bedeutsamer Unterschied, wenn man gar nicht in Wannsee wohnt. Obwohl sich die Himmelsrichtungen gewissermaßen direkt gegenüberliegen, bleiben da gute zwanzig Kilometer Zielabweichung, die mit Gepäck etwas beschwerlich werden.

Seit einiger Zeit ist es nun gelungen, offenbar im Sinne einer reibungsloseren Kommunikation zwischen Zentrale und Wagenflotte, auch für die telefonische Taxi-Vermittlung Fremdsprachler zu gewinnen. Als weltgewandter Kunde weiß ich das sehr zu schätzen und konnte mit meinem Street-Standup-Comedy-Programm „Zur Margarete-Steffin-Straße, bitte“ schon schöne Erfolge feiern.

Mit dem klassischen Buchstabier-Alphabet (Siegfried-Theodor-Emil…) kommt man hier nicht weiter, und wenn man zwischen Handy-Anschreien, Augenrollen, gepresster Geduld und verzweifeltem Kopf-an-Hauswand-Schlagen einen Spenden-Pappbecher aufstellt, hat man schon nach einer halben Stunde die Mehrwertsteuer für die anschließende Fahrt und mit etwas Glück eine Mietdroschke auf dem Weg. Ohne Handy-Flatrate rechnet sich dieser Aufwand natürlich nicht.

Vorfreude ist die schönste Freude

„Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich darauf!“, hat Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt schon 2018 vorausgesagt, und natürlich freue auch ich mich, wenn ich zum Fremdsprachen-Lernen und -Training nicht mehr umständlich ins Ausland reisen muss. In Hotels und Restaurants wird inzwischen flächendeckend geradebrecht, was der Dienstleistungsmarkt hergibt, und selbst bei der Kostümierung lässt die Integration kaum noch zu wünschen übrig.

Als ich unlängst endlich einmal dazu kam, dem berühmten Münchner Nockherberg einen Besuch abzustatten, hatte sich das Bedienpersonal mit offenbar nahöstlichen oder nordafrikanischen Wurzeln wacker in Würfel-Hemd, Dirndl, Lederhosen und Bommelstrümpfe geworfen, dass die Festspiele von Bad Segeberg dagegen wie ein Fachschulkurs für naturidentische Ethnostudien daherkommt. Es war aber gar kein feierlicher Starkbier-Anstich, sondern lediglich normaler Gastbetrieb. Keine Veralberung, sondern wochentäglicher Vorabend. Und das regionaltypische Vokabular von „Maß“ bis „Haxe“ saß ebenfalls einigermaßen. Was eine Gaudi!

This land is your land, this land is my land… Auch mein Vorstandsvorsitzender spricht mich seit einiger Zeit in den wöchentlichen Mitarbeiter-Informationen („Paternoster­pitch“) am Berliner Stammsitz von Axel Springer (äxl spring-gör) auf Englisch an („Current articles by “Berliner Zeitung” claim journalism at Axel Springer could come under pressure…“), und in der Kantine gibt’s das „Jägerschnitzel“ jetzt zweisprachig auch als in der anglo-Version als „Hunter‘s schnitzel with tomato sauce“. Brave new world, right here, right now.

Fremd im eigenen Land

Ein wenig heikel ist der Verzicht auf Old-School-Analog-Deutsch allerdings bei manchen Alltagsdienstleistungen. Als ich dem zugewanderten Friseur unlängst klarmachen wollte, dass um den zart aufwärts gewanderten Haaransatz auf der Oberstirn keine besonderen „Verrenkungen“ nötig wären, fehlte schlicht die nötige Vokabel, was ja beim Haarschnitt kein Beinbruch ist und ohnehin – ohne das Verständnis für den metaphorischen Sinngehalt – nicht weiterhilft. Am Ende ließ sich die gewünschte lockere Zwischenlösung zwischen Kahlschlag und peinlich kaschierendem Langhaar sprachmittlerisch nicht mit letzter Sicherheit an den frisierenden Mann bringen, so dass ich auf eine Bearbeitung der Zentralstelle vorerst verzichtete.

Noch etwas derber geht es bei der fernöstlich geprägten Textilreinigung und Änderungsschneiderei im örtlichen Kaufland zu. Die sehr freundliche Frau von der Annahme kann kein Deutsch. Gar nichts. Zu nähende Nähte muss man zeigen; dass Kleidungsstücke sauber werden sollen, versteht sich von selbst. Geht irgendwie. Bei einem hartnäckigen Fleck auf einem Jackett hing dieser Tage ein Zettel am Bügel: Man sei die auftragnehmende Großreinigung und habe es binnen zweier Wochen nicht geschafft, vom Personal der Annahme zu erfahren, um was für eine Verschmutzung es sich handle. Deshalb schicke man das Textil zurück und empfehle, eine andere, fachkundige Reinigung aufzusuchen. Freundlich lächelnd hielt mir die Vietnamesin den Zettel zur Lektüre hin, auf dem sie selbst für zu dämlich befunden wurde. Deutsch lesen konnte sie ja auch nicht.

Der Herr aber sprach: „Wohlauf, lasst uns hernieder fahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des anderen Sprache verstehe!“ (1. Mose 11,7) Am Ende hat das Fremdsein im eigenen Land auch sein Gutes, hilft es doch bei der Umwertung einstiger Werte, vermehrt die Freude an kleinen Dingen und lässt aus vormaliger Grobheit wohlig-warme Heimatgefühle werden, wenn man wieder einmal hektisch ins Taxi springt:

„Sind Sie frei?“ 

„Gloobste, ick steh‘ hier wehjende Aussicht?“

Seufz. Schön. Zuhause.

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Leserpost

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Jens Richter / 25.02.2020

Menschen, die die deutsche Sprache nur sehr mangelhaft beherrschen, arbeiten und zahlen Steuern. Furchtbar. Fehlt nur noch die Klage, dass die Schlechtsprecher Ihnen die Arbeit weggenommen haben.

Uta Buhr / 25.02.2020

@Peter Müller. Nein die Zugereisten wollen es besser - sogar viel besser - bei uns haben als zu Hause. Und das auch noch ganz ohne Arbeit. Waren Sie schon einmal in Afrika und dem Mittleren Osten und haben Sie gesehen, wie die Menschen dort leben? Nein, die Leute sehnen sich gewiss nicht nach den Zuständen ihrer Heimatländer zurück. Deutschland muss ihnen als das Paradies auf Erden erscheinen. Dafür wird der einheimischen Bevölkerung aber auch täglich etwas vom hart erarbeiteten Wohlstand genommen. Offensichtlich haben viele unserer Mitbürger das immer noch nicht begriffen. Anders kann ich mir die Wahl in Hamburg nämlich nicht erklären, die den Grünen ein so tolles Ergebnis beschert hat.

Uta Buhr / 25.02.2020

Korrektur:  Mir ist in meinem Kommentar ein Fehler unterlaufen. Ludwig Thoma monierte seinerzeit die “Engländerei”  und nicht die Ausländerei der Hanseaten. Daran hat sich bis heute nichts geändert, wenn auch dieses Phänomen seit langem bundesweit, sogar weltweit verortet ist. Meistens bewegen sich diese vermeintlich “perfekten” Kenntnisse der englischen Sprache auf pidgin-Niveau, ähnlich dem Sänger, der mit folgendem Text um Almosen bittet: “Here stand a old man and sing and nobody lets what for me spring.” Es gibt noch viele andere absurde Beispiele…

Sabine Heinrich / 25.02.2020

Ich liebe die deutsche Sprache! Ausrufezeichen! Wenn aber alle, die hier arbeiten und unserer Sprache nicht mächtig sind, nur für 1 Woche - ach was, ein Tag reicht schon - ihre Tätigkeit einstellen würden…Dann Gnade uns Gott! Und wenn das dann gleichzeitig noch die vielen älteren Menschen (gern straflos als Umweltsäue und Nazischweine bezeichnet) , die sich ehrenamtlich engagieren, ebenfalls tun - na dann…! Für viele unserer deutschsprachigen Mitbürger scheint sich Arbeit im Dienstleistungssektor wirklich nicht zu lohnen. Warum sich den Allerwertesten zu unmöglichen Arbeitsbedingungen aufreißen, z.B. in der Gastronomie, wenn ich für null Arbeit nur unwesentlich weniger Geld bekomme und auch noch sehen muss, dass ich durch meine Arbeit zudem noch -zigtausende finanzieren muss, die uns verachten und nur unsere Sozialleistungen genießen wollen? Inzwischen ist bei manchem deutschen Arbeitenden das Sprachniveau so niedrig, dass er sich nicht vor einem Ausländer der 3. Generation zu verstecken braucht.

Alexander Schilling / 25.02.2020

Da es sich schon aus rein taktischen Erwägungen heraus verbietet, das vor dem Bankrott stehende, perfide und transkanale EU-Ausland nachzuäffen (welches sich bekanntlich schon vor Jahrhunderten daran gewöhnt hat, seine insulare ‘germanitas’ auf zumeist einsilbige Bedeutungsträger zu reduzieren):  aus welchen Vernunftgründen sollte denn ein deutscher Neubürger die unnachahmliche Sprache Gottes (und seines Propheten) im Umgang mit Biokartoffeln zugunsten jenes obskuren jiddischen Dialekts aufgeben, den anno tobak ein entkutteter Mönch namens Martinus Luther meinte zur Schriftsprache erheben zu müssen—wo doch kein Geringerer als sein erhabener kaiserlicher Herr an dem Grundsatz festzuhalten beliebte, sich dieses Idioms nur dann bedienen zu wollen, wenn er mit seinem Pferde zu reden habe?—Ein wenig noch vom derzeit im Schwange stehenden gender-gerechten antifaschistischen “Schwall” (Kurzform für “Schutzwall”) um das neubürgerliche Imitat uckermerkel’scher (und hippotroph-patatergastischer) Parrhesie herumdrapiert,—sodann die (füglich als ‘neobourgeois-sozialistisch’ zu apostrophierende) neue Beredsamkeit mit demokratischen Zähnen und Klauen in Wort und Schrift verteidigt,—und schon werden harmlose Zeitgenossen wie Sie und ich, die ihre Bemerkungen auf diesem Forum bis heute noch behutsam an die Regeln der vorletzten oder allerletzten Rechtschreibreform anzupassen pflegten, morgen schon einer Gesellschaft assoziiert werden (Mt 26,73 “denn Deine Sprache verrät Dich”), die jüngst, freilich vergeblich, ein gewisser Herr Lindner noch zu meiden suchte, wie der Teufel das Weihwasser…

Heike Schmidt / 25.02.2020

Am besten ist noch wenn man 3 Sprachen kann und der Arzt bei der Entbindung einen doch nicht versteht.Ach was war es früher ohne diese Ärzte schlimm…

S. Lenz / 25.02.2020

Malu Dreyer sagte vor wenigen Jahren zur CSU: “Es ist genug Heimat für alle da.” Zur o.g. Problematik würde sie jetzt vermutlich sagen: Es ist genug Sprache für alle da. Sprache ist doch letztlich nur einTeil der Heimat und der eigenen Identität. Und? Ist das wirklich wichtig? Es ist genug für alle da! Allen gehört alles, deins ist meins (und umgekehrt) und: Wir sind alle gleich! Tsching Tsching Tschingderassabum… Bumderassa… Helau! Alaaf! Was ist schon Sprache, Kommunikation? Braucht man sie wirklich (noch) zur Verständigung? Ach was, wir brauchen gar keine Sprachen mehr! Selbst der schlaue Fuchs im kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupéry wusste: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Wir sollten uns diese Weisheit des fühligen Fuchses zu Herzen nehmen. Ich bin sicher, die Achse-Leserschaft konnte die Botschaft meiner Herzwahrheit eh fühlen und hätte meine ganze Buchstabensuppe eigentlich gar nicht gebraucht.

Frank Herter / 25.02.2020

Ich arbeite und beobachte das seit über 30 Jahren in der selben Klinik. Wo früher Deutsche arbeiteten findet man in großem Maße nur noch Zugewanderte. Ich frage mich, wo arbeiten die Deutschen jetzt? Asylindustrie? Gefängniswärter? Security? Bei der Polizei?(Wie oft wurde von Seehofer nach einem Anschlag versprochen, die Zahl der Polizisten zu erhöhen?)

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