Gastautor / 29.06.2020 / 13:03 / Foto: Metwu / 58 / Seite ausdrucken

Ich, der privilegierte Italiener. Evviva la Germania!

Von Rafael Castro.

In Deutschland werden Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in den Medien stets thematisiert. Die Beleidigungen und Entmutigungen, denen Ausländer und Deutschen mit Migrationshintergrund ausgesetzt werden, sollen der Grund sein, warum wir dieses Land nicht mögen und dankbar sein sollten.

Als Italiener wurde ich im Laufe der letzten zehn Jahre in Deutschland wegen meiner Muttersprache und meines Aussehens manchmal benachteiligt. Allerdings fühle ich mich als Italiener in Deutschland privilegiert.

Warum bin ich hier ein privilegierter Italiener?

Weil in Deutschland mein Lebenslauf nicht in dem Mülleimer landet, sobald die Personalabteilung merkt, dass ich weder einen Freund noch Verwandten im Vorstand habe.

Weil ich in Deutschland einen Arzttermin in sechs Tagen oder sechs Wochen kriege, statt in sechs Monaten, selbst wenn meine entfernte angeheiratete Cousine, die Ärztin im Ruhestand ist, ihre Kontakte nicht ausnutzt, um mir einen Arzttermin zu verschaffen.

Weil in Deutschland Beamte meine Mails beantworten und meine Rechte achten, selbst wenn ich ihnen zu Weihnachten keine Schokoladen oder Weinflaschen schenke.

Weil in Deutschland meine drei Kinder Plätze in Kitas bekommen, die sich in Italien nur reiche Familien leisten können.

Aus diesen und noch vielen anderen wichtigen Gründen fühle ich mich in Deutschland wie ein privilegierter Italiener.

Wenn ich Italien mit Russland, der Türkei, Spanien und jedem arabischen und afrikanischen Land vergleiche, bin ich ziemlich sicher, dass jeder ehrliche Russe, Türke, Spanier, Araber und Afrikaner sich in Deutschland als ebenso privilegiert betrachtet.

Die Mehrheit der Deutschen würde selber zu diesem Schluss kommen, wenn nicht unzählige Vereine, Forscher und Politiker aus dem deutschen Rassismus Profit ziehen würden, um ihr Dasein und ihre Karrieren zu rechtfertigen. Ich habe es satt, Vereine und Politiker mit meinen Steuergeldern zu füttern, die Deutsche (und Ausländer) überzeugen wollen, dass Deutschland ein hässliches Land ist.

Ich versichere euch, dass, wenn ich hier nicht privilegiert wäre, ich sofort in meine sonnige Heimat zurückkehren würde.

 

Rafael Castro ist gebürtiger Italiener und hat in Yale und an der Hebräischen Universität in Jerusalem Volkswirtschaft und Politik studiert. Er schreibt regelmäßig für israelische  Zeitungen und unterrichtet an einem Gymnasium Englisch und Politische Bildung.

Foto: Mewtu via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Milan Viethen / 29.06.2020

Schoen, dass Sie sich wohl fuehlen, Hr. Castro, was Arzttermine betrifft, sind Sie aber sicher Privatpatient, nicht wahr ? Gruss aus F . Milan Viethen

Dr. O. Borkner-Delcarlo / 29.06.2020

Als ich Ihren Beitrag las, musste ich schmunzeln. Ich bin mit einer Italienerin verheiratet und lebe seit 1997 in Italien, das heißt,  im Sommer lebe ich dort in unserem Haus und im Winter, für ca. 6 Monate, in  der Dominikanischen Republik. Es ist wahr, in Italien braucht man Beziehungen, aber die sind nicht schwer zu bekommen. Und…, man braucht Familie, denn jemand muss schließlich während unserer Abwesenheit auf das Haus aufpassen. Und es ist auch wahr, dass die italienische Bürokratie der deutschen weit überlegen ist, in jeder Hinsicht. Man lebt dort praktisch in Absurdistan. Aber genau deshalb kann man in Italien viele Dinge unter der Hand regeln. Deutschland ist mir schlicht zu teuer geworden. Die Steuern und Abgaben liegen weit über 70% des Einkommens. Ich habe vor vielen Jahren ein Buch über meine Erfahrungen in Italien geschrieben “Italien für Anfänger” und ich sollte mal den Text auf den neuesten Stand bringen.

Hugo Bing / 29.06.2020

Ja, da ist was dran, was der Italiener hier schreibt. Leider ist aber unser Einheitsparteienstaat dabei, Deutschland ganz schnell an arabische, türkische oder sogar afrikanische Verhältnisse anzupassen - auch mit Masseneinwanderung in die deutschen Sozialsysteme. Deutschland lebt noch von der Substanz. Mir antworten Behörden nicht mehr unbedingt, die Datenschutzbeauftragte von Niedersachsen zum Beispiel - auf meine Fragen keine Antwort. Die Niedersächsische Kommunalaufsicht - keine Antwort auf Briefe, ePost usw.

R. Helene van Thiel / 29.06.2020

Einfach schön!

Corinne Henker / 29.06.2020

Vielen Dank für diese seltene Stimme der Vernunft!

Udo Kemmerling / 29.06.2020

Ich bin natürlich Rassist, habe ich doch bei der Lektüre Ihres Namens sofort gedacht, dass Sie Spanier sind, oder, wie komme ich da nur drauf… ...Cubaner. Hiermit heiße ich Sie erneut willkommen in diesem Land, und betone, dass der obige Text daran vielleicht nicht ganz unschuldig ist.

Martin Stumpp / 29.06.2020

Lieber Herr Castro, es tut mir Leid, dass sie manchmal wegen Aussehen und Akzent benachteiligt wurden. Das sollte und darf nicht sein, nur Menschen sind eben wie Menschen eben sind. Und schon Schiller wusste, gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens. Um so mehr danke ich Ihnen für Ihren Text.

Sabine Drewes / 29.06.2020

Herzlichen Dank für Ihre berührenden Worte, lieber Herr Castro. Sie sind Balsam für die so oft geschundene deutsche Seele, an der auch die Deutschen selber kaum ein gutes Haar lassen mögen, über die sie gut und gerne jede Menge Gift und Galle ausschütten.

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