Gastautor / 23.04.2021 / 16:00 / Foto: Jindřich Nosek / 42 / Seite ausdrucken

Ich bin raus. Aus Deutschland.

Von Benjamin Foole.

Im Frühjahr 2016 habe ich einen serbischen Informatiker mehrfach zur Ausländerbehörde in einer großen deutschen Kreisstadt begleitet. Es ging darum, eine Arbeitserlaubnis zu beantragen. Obwohl wir morgens um kurz nach acht erschienen, ging die Schlange im U einmal entlang des Wartebereichs und zurück. Verschiedenste Kulturen und Sprachen diffundierten ineinander und ich konnte mir anhand dieser Stichprobe einen Eindruck darüber verschaffen, wer alles Einlass in unser Land begehrt. Beim zweiten Termin, auf den wir lediglich acht Wochen warten mussten, war die Schlange kürzer. Besonders geschäftstüchtige Gäste hatten wohl zuvor Nummern auf Vorrat gezogen und diese vor der Behörde verkauft. Wer jetzt ohne Termin kam, musste wieder gehen. Wer mit Termin kam, musste seine Tasche untersuchen lassen. Wie im Flieger waren Messer, scharfe Gegenstände oder Deospray nicht zugelassen.

Als jemand, der viel Phantasie dafür aufwendet, Ursache-und-Wirkungs-Ketten zu ergründen, fragte ich mich natürlich, was zuvor mit den Deosprays angestellt wurde. Wie sah wohl die Verhandlungstaktik einiger Nicht-EU-Bürger aus, die sich nur rudimentär auf Deutsch verständigen konnten und dringend eine Duldung, Bleibeperspektive oder Arbeitserlaubnis benötigten?

Frühjahr 2021. Es herrscht immer noch Corona. Meinen Termin bei der tschechischen Migrationspolizei habe ich zweieinhalb Wochen vorher beantragt. Im Eingangsbereich tippe ich auf einem Touchscreen auf meinen Namen und erhalte eine Nummer. Der Servicemitarbeiter kontrolliert Masken und Abstände, keine Taschen. Keine zehn Minuten später sitze ich vor meiner Sachbearbeiterin. Alles scheint Routine. Der Antrag geht durch und in sechs Wochen soll ich meine Papiere abholen kommen. Der in meiner Heimatstadt etablierte Zwischenstopp am Bezahlautomat bleibt mir bis hierher erspart. Ich kann es nicht erwarten, diesen letzten Schritt einer langen mentalen Reise zu gehen.

Gegen das Schneeballsystem der deutschen Rentenkasse

Denn auch ich bin raus, und zwar aus Deutschland. Wie Lisa Marie Kaus es so schön beschreibt, habe ich manchen Leberhaken für meine abweichende Meinung kassiert. Wenn eine befreundete Lehramtsstudentin eingesteht, nicht mit mir diskutieren zu können, weil ich zu gut informiert sei, kommt es für mich einer Auszeichnung gleich. Ohne die richtige Haltung in der B-Note führen solche Diskussionen natürlich nur zum exponierten Alleinsein mit seiner Meinung. Wie unter einem Brennglas lässt sich an dieser Aussage aber auch der Zustand der demokratieabgabegeförderten öffentlichen Meinungsbildung und des universitären Indoktrinationsniveaus beleuchten.

Ich habe mein ganzes Berufsleben noch vor mir und habe mich für die individuelle Freiheit und gegen das Schneeballsystem der deutschen Rentenkasse und Sozialversicherung entschieden. Genauso, wie ich mich gegen die bürokratische Gängelung durch einen gierigen Staat entschieden habe, der sich lieber mit Minderheiten und Partikularinteressen befasst. Mittlerweile fühle ich mich wie ein deutschsprachiger Europäer. Völkerverständigung findet für mich zwischenmenschlich und nicht im Europarat oder auf einem Integrationsgipfel statt.

Die Selbstzweifel, die Thilo Schneider in seiner Replik Ich bin nicht raus“ anspricht, sind mir auch bekannt. Mit dem Unterschied, dass ich packen und gehen konnte. Als nach der Wiedervereinigung Geborener gehöre ich einer Generation an, die die Friedensdividende des Endes des Kalten Krieges genießen konnte. Schröders Basta und Nein zum Irak-Krieg hielt ich für moralisch geboten. Die Finanzkrise 2009 und die anschließende Eurorettung zeigte mir, dass wahre Macht bedeutet, Gesetze auch mal selektiv auszusetzen. „Wehret den Anfängen“ gilt bei mir auch für die Demontage unseres Rechtsstaats. Meine Bildungskarriere konnte ich zum Glück vor den Ereignissen von 2015 abschließen.

Aus Neugierde schaute ich mir die Nachwuchskräfte im vom AStA dominierten Studierendenparlament an. Meine Stimme würden diese Dauerstudenten nicht bekommen, aber ich gehöre ja nicht mehr zur relevanten Mehrheit. Als ich am Tag der offenen Moschee (jeder 3. Oktober im Jahr) in einer DITIB-Gemeinde nach dem Grund für die Differenzen von Sunniten und Schiiten fragte, war es das Hipster-Ehepaar in Strickklamotten, das der aus der Türkei entsandten Religionsgelehrten zu Hilfe eilte.

Trend in Tschechien klar aufsteigend

Natürlich kann man schwer über Nacht auswandern. Bereits 2018 war ich zum Sprachaustausch erstmals in Tschechien. Dabei habe ich, so ehrlich muss ich sein, an der europäischen Subventionslotterie teilgenommen und eine Förderung gewonnen. Habe mich vor Ort von Land und Leuten überzeugt. Mich auch nachts nach mehreren Bier sicher auf der Straße gefühlt. Mich unterwegs an der verspielten Architektur der bürgerlichen Wohnhäuser des ausgehenden 19. Jahrhunderts begeistert.

Genau so, wie ich mir einen Hintergrund-Check für 17-jährige Syrer wünsche, ehe diese für 50.000 Euro im Jahr umsorgt werden, habe ich auch mein neues Land einem Hintergrund-Check unterzogen. Ergebnisoffen habe ich mir OECD-Studien zu Wohlstand, Bildung, Sicherheit, Steuer- und Staatsquote sowie Bürokratieaufwand und Unternehmerfreundlichkeit angeschaut. Da mir der Bezug zu Europa wichtig war, landeten neben den baltischen Staaten ebenso Polen, Tschechien und Slowenien in meinem Favoritenkreis.

Da für mich die Abkehr vom Euro ebenfalls Relevanz hatte und ich den Kontakt zu meiner süddeutschen Heimat nicht abreißen lassen wollte, entschied ich mich letztlich für Tschechien. In fast allen OECD-Studien liegen sie in den Top 30 bis 40 und dabei nur knapp hinter den üblichen westlich geprägten oder asiatischen Industrienationen. Dazu ist der Trend in Tschechien nach Überwindung der kommunistischen Diktatur klar aufsteigend.

Respektvolle Trennung zwischen Staat und Bürgern

In den Pisa-Studien liegt Tschechien schon in den Top 30 weltweit. 94 Prozent der Tschechen haben Abitur oder einen Berufsschulabschluss. Die Arbeitslosigkeit ist die niedrigste in Europa. Die Straßen sind sauber und sicher. Aggressive Bettler und Wegelagerer vor dem Supermarkt gibt es in dieser Form nicht. Die öffentlichen Schulden betragen 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und sind zuletzt gesunken (!). Die Nationalbank hat die alleinige Kontrolle über die Geldumlaufmenge. In einigen der letzten Jahren überstieg die Geburtenrate die Sterberate, was mir Hoffnung macht, auch künftig in einem europäisch geprägten Land zu leben. 300.000 Tschechen haben einen Waffenschein und dürfen ihre Schusswaffe auch verdeckt tragen.

Im Gegensatz zu der Übergriffigkeit deutscher Politiker in alle Lebensbereiche hinein herrscht eine respektvolle Trennung zwischen Staat und Bürgern. Die Kirche ist im atheistischsten Land Europas sowieso außen vor. Die Polizei zeigt Präsenz, käme aber nicht auf die Idee, Kinder vom Eis zu verjagen oder Schneemänner zu demolieren. Wo immer man sich unbeobachtet fühlt und keine direkte Strafe droht, setzen meine neuen Mitbürger sich schelmisch über die Corona-Regeln hinweg.

Wer mich für die Fahnen- und Republikflucht kritisieren mag, soll das tun. Da in Deutschland absehbar keine leistungsträgerfreundliche und rationale Politik mehr zu erwarten ist und es mir nicht liegt, aufzugeben, zahle ich nun eben woanders meine Steuern. Ich kann dabei jeden und jede verstehen, die zu tief in Deutschland verwurzelt sind, um diesen radikalen Schritt zu gehen.

Positiv stimmt mich der Gedanke an die untergegangene DDR, die 1948 noch knapp über 19 Millionen Einwohner aufwies und 1989 mit zweieinhalb Millionen Insassen weniger aufgelöst werden musste. Die Dynamik der Wanderungsbewegung zwang – wir erinnern uns – 1961 zum Bau der Mauer. Dennoch war die DDR zeitlebens ein Auswanderungsland. Heute soll man trotz zurückgenommener Reisewarnung nicht nach Mallorca reisen. Wer sich aufgrund der historischen Parallelen gruseln möchte, soll das Informationsheft der Bundeszentrale für politische Bildung zur „Geschichte der DDR“ lesen. Antifaschismus war damals schon hoch im Kurs. In diesem Sinne rate ich nicht zur Gründung einer konservativen Splitterpartei, sondern zur Gründung eines ausländischen Devisenkontos. Schaffen Sie Ihre Werte aus Deutschland raus, solange sie noch Ihnen gehören und schauen Sie genüsslich zu, wie den Ökosozialisten die (CO2-freie) Luft ausgeht.

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K. Schmidt / 23.04.2021

Sie haben völlig Recht. Ich wünsche ihnen, dass ihr Leben so verläuft, wie in den tschechischen Filmen von früher. Gibt auch echt schöne Frauen dort. Mit sagen die slawischen Sprachen nicht so ganz zu, deshalb kommt das für mich nicht in Frage. Jeden Tag forste ich nach Immobilien und Jobs im Ausland. Dem deutschen Linkstotalitarismus mein Geld und meine Arbeitskraft zu entziehen, ist genau meine Strategie.

giesemann gerhard / 23.04.2021

Gratuliere! Wer die Augen aufmacht wird seinen Weg gehen. Als es bei mir Matthä am Letzten war, habe ich die deutsche Arbeits-und Abzockewelt verlassen, das war 1990. Obwohl gut situiert, Beamter im höheren Dienst lebenslänglich - aber zu wenig. War die beste Entscheidung meines Lebens, Pension/Rente auch weit besser. Muss sich jeder in seiner Situation überlegen - wobei nicht jeder die Chance zum Ausbrechen hat, leider. Ohne Mauer hätte die DDRä keine 10 Jahre mehr existiert - wenn die Leute hier, die was drauf haben auch gehen, dito. Es gibt genug (?) Chancen, man muss sie eben auch erkennen und nutzen. Glück auf!

Chr. Kühn / 23.04.2021

Und hier die Frage zur “wichtigsten” Facette: sie sprechen schon Tschechisch?

Egon Schieler / 23.04.2021

Wünsche dem Autor alles Gute für die Übersiedelung. Leider wird es mit der Abkoppelung aus dem deutschen Steuersystem auf lange Sicht nichts - sollten die Grünen das Ruder übernehmen. Denn, so blöd sind die nicht, die Steuerpflicht nach Deutschland bleibt bestehen, wenn diese zukünftig an die Staatsbürgerschaft gekoppelt wird. Dann heisst es Zahlemann und Söhne, egal wo einer residiert.

M.-A. Schneider / 23.04.2021

Da der Autor seine Zukunft noch vor sich hat und jung genug ist, ist das vermutlich der richtige Schritt! Man kann ihm nur alles Gute wünschen, über Achgut wird er wohl mit Deutschland in Verbindung bleiben, solange das möglich ist.

Harald Unger / 23.04.2021

” … und schauen Sie genüsslich zu, wie den Ökosozialisten die (CO2-freie) Luft ausgeht”. - - - Was genau dem Plan und Ziel der CCP entspricht. Die westliche Bürgergesellschaft, mit ihren vertikalen Nationalstaaten, passt nicht in das marxistisch-feudale, global-horizontale Machtgefüge der CCP Gottkaiser. Aus dem genau selben Grund, weshalb die Muslime Chinas ins KZ kommen, wird die Islamisierung Westeuropas betrieben. Ist doch der Islam der Garant, daß sich nie wieder eine bürgerliche Gesellschaft in Westeuropa entwickeln kann. - - - Jetzt gibt es manche, die von der Zucht & Ordnung unter chinesischer Herrschaft schwärmen. Nicht ganz zu Unrecht. In den KZs, den Sterilisierungs- und Euthanasie Einrichtungen, bei den Massenhinrichtungen und in den Bordellen für die chinesischen Herren, wird Zucht & Ordnung herrschen. Ein Blick auf die von China unterworfenen Provinzen und Völker, gibt darüber Auskunft.

George Samsonis / 23.04.2021

In Sachen “zahle ich lieber woanders meine Steuern” sollte sich Herr Foole nicht zu früh freuen. LinksGrün beabsichtigt, die weltweite Steuerpflicht für dtsch. Staatsangehörige. Im Übrigen hat Herr Foole Recht: Rette sich und sein Vermögen wer kann. In Europa sind das Vereinigte Königreich und die EU-Ausstiegskandidaten Polen und Tchechien interessante Länder für leistungswillige und leistungsfähige Menschen, die diese positiven Eigenschaften nicht an den LinksGrünen leistungsfeindlichen Sozialismus verschwenden wollen. Die BRDtl. wird zum Einwanderungsland in die Sozialsysteme. Für diese Leute müssen sich dann sehr viele rechtschaffende Menschen, die nicht den Schritt der Auswanderung wagen können oder wollen, krumm legen, genauso wie für die LinksGrünen Fettaugen, die auf Staatsknete oben schwimmen werden. Gute Nacht Dtl.!

Rolf Wächter / 23.04.2021

Die Tschechen sind keine Obrigkeits-Anbeter wie die Deutschen. Die “Oberen” wurden schon immer veralbert, siehe Soldat “Schwejk”.

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