Henryk M. Broder / 25.06.2020 / 11:00 / Foto: Acgut.com / 75 / Seite ausdrucken

Ich bin ein Verharmloser

Der RIAS war ein amerikanischer Radiosender, der die Berliner (und natürlich auch die Berlinerinnen) und die Bürger (und Bürgerinnen) der DDR mit Informationen versorgte: Radio im amerikanischen Sektor. Der Sender ist längst im Deutschlandradio aufgegangen, der Name wurde von einer NGO usurpiert, die sich Recherche- & Informationsstelle Antisemitismus RIAS nennt. Diese NGO wird, wie in solchen Fällen üblich, vom Land Berlin und vom Bund großzügig ausgehalten. Es ist eine ABM-Maßnahme für arbeitslose Sozialarbeiter, die sonst genötigt wären, ihren Lebensunterhalt mit nützlichen Tätigkeiten zu verdienen.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin ist eine "zivilgesellschaftliche Monitoringeinrichtung" für antisemitische Vorfälle in Berlin, eine Anlauf- und Meldestelle. Inzwischen existiert auch ein "Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V." (Bundesverband RIAS) mit Sitz in Berlin. Davon unabhängig gibt es auch einen Bundesbeauftragten für den Kampf gegen den Antisemitismus und eine Konferenz der Antisemitismus-Beauftragten aus 15 Bundesländern. Doppelt genäht hält angeblich besser.

Der Antisemitismus und der Kampf gegen den Antisemitismus sind zwei Parallelen, die sich im Unendlichen treffen. Es sieht aus, als gäbe es einen Zusammenhang zwischen der Zunahme des "alltäglichen Antisemitismus" und der Zahl der Institutionen, die ihn "bekämpfen". Jedenfalls nimmt er nicht ab, sondern zu. Claudia Roth würde sagen, es handle sich um "ein Geschäftsmodell".

Zurück zu der Berliner RIAS-Niederlassung. Die hat soeben eine „Stellungnahme zur Verharmlosung und Instrumentalisieriung des historischen Antisemitismus im Sprachgebrauch" veröffentlicht, in der es darum geht, dass ich im Zusammenhang mit der Stuttgarter "Event- und Party"-Sause von einer "kleinen Kristallnacht" gesprochen bzw. geschrieben habe. Das ginge nicht. Das sei nicht nur eine "Verharmlosung des Antisemitismus", sondern auch der "staatlichen antisemitischen Politik" im NS, "die in der Schoa und damit der Ermordung von Millionen von Menschen" gipfelte. 

So hört es sich an, wenn Blockwarte die Grenzen des Sagbaren festlegen wollen und dabei Blasen und Phrasen produzieren, die so sinnentleert sind wie ein Heißluftballon, der von einem Blitz getroffen wurde. Was die RIAS-Sprachpfleger freilich sagen wollen, ist etwas anderes: Wir Arier & Vegetarier haben das Copyright auf den Holocaust, den Antisemitismus, die Kristallnacht und alles, was der Nationalsozialismus hervorgebracht oder perfektioniert hat. Das lassen wir uns von keinem und keiner streitig machen. Und eine Trivialisierung der „Kristallnacht" erlauben wir auch nicht. Es muss Hunderte von Toten und Tausende von KZ-Gefangenen geben, ehe wir zulassen, dass von einer "Kristallnacht" gesprochen wird. Alles darunter ist nur "Party und Event". 

Alexander Roda-Roda hat mal gewitzelt, aus dem Antisemitismus könnte schon was werden, wenn sich die Juden seiner annehmen würden. Er hat sich geirrt. Aus dem "historischen Antisemitismus" könnte nur was werden, wenn sich die RIAS-PC-Flakhelfer & Meldegänger seiner annähmen.

Foto: Achgut.com

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Jörg Themlitz / 25.06.2020

Viele Begriffe erzeugen bei mir automatisch Verknüpfungen. (modern link genannt) Wenn schon RIAS erwähnt wird, dann eine Gedenkminute für Lord Knud. Pause….. Und bei der Junggesellin Claudia Roth entsteht die Verknüpfung zu Karl Marx: “Der gesellschaftliche Fortschritt läßt sich exakt messen an der gesellschaftlichen Stellung des schönen Geschlechts, die Häßlichen mit eingeschlossen.” (Quelle: W. Leonhard) Davon ab: Vor ca. 170 Jahren beschrieb Fritz Reuter den Trend, Juden möchten nicht als Juden sondern als Israeliten ( Kinder Israels) bezeichnet werden. (gibt dazu diverse Quellen auch anderer Literaten); Schade, dass sich das nicht durchgesetzt hat. Wie geil wer doch die Bezeichnung Antiisraelismus Beauftrager der Bundesregierung oder Recherche- und Informationsstelle Antiisraelismus.

K.Anton / 25.06.2020

Lieber Herr Broder, Sie haben Glück ( in Wien sagen wir: „a Maazn“), dass Sie Jude sind. Sonst wären Sie ein Antisemit, gemäss „Bundesverband RIAS“. Nochmal Glück gehabt!

peter luetgendorf / 25.06.2020

Unsere Glücksbärchis wissen eben nicht, das die Verwendung des Begriffes “Reichskristallnacht” in damaligen Zeiten zu ernsten Konsequenzen geführt hätte. Gruß an Broder

Kopp, Harald / 25.06.2020

Kulturmarxisten und Salafisten kennen einfach keinen Humor. Können auch nicht ehrlich über Ihre eigenen Schwächen lachen. Und feine Ironie und Sarkasmus ist bei denen Ihrem genetisch verankerten oder anerzogenen Freund-Feind-Schwarz-Weiss-Bild ein Fremdwort. Eigentlich sind diese noch viel schlimmer als die roten und braunen Alltags-Nazis in Ost und West vor einigen Jahrzehnten.

Wolf Hagen / 25.06.2020

Manchmal, Herr Broder, erinnern Sie mich an “Ferenc Hoffmann”, besser bekannt als “Ephraim Kishon”, gepaart mit einem etwas leiserem Furor ala Marcel Reich-Ranicki.  Allen dreien ist Ihnen ein herrlich “böser” und rasiermesserscharfer Witz gemeinsam. Wen interessiert da schon das unvermeidliche Gejammer einer RIAS-NGO?! Ihr kleiner Artikel ist da, wie man heute so schön “fresh” sagt: “BäM, voLL in die Fresse!”

Dietmar Schubert / 25.06.2020

Natürlich darf man der Meinung sein, die Ausschreitungen in Stuttgart als “kleine Kristallnacht” zu bezeichnen. Das ist zwar im historischen Kontext sinnfreier Blödsinn, aber Meinungsfreiheit schließt Blödsinn ein. Mehr möchte als gebürtiger Deutscher und Nichtjude zu diesem Thema öffentlich nicht sagen - man nennt dieses Schutzverhalten, in der Öffentlichkeit seine Meinung zu verschweigen, egal, welches Thema, Schweigespirale und wurde in den60ern und 70ern ausgiebig von Elisabeth Noelle-Naumann untersucht.

Bechlenberg Archi W. / 25.06.2020

“Die Presse ist heranzuziehen”. (Goebbels in einer Anweisung vom 9. 11. 1938 an untergeordnete Behörden, Gauleiter und Gestapostellen zwecks Partyplanung und medialer Begleitung.)

Martin Müller / 25.06.2020

Der Versuch ist doch heute, jeden unpässlichen Zeitgenossen als Rassisten und/oder Antisemiten zu stigmatisieren. So sollen Maulkörbe und politischer Korrektsprech verteilt werden. Auch der neue Sozialismus kann ohne Einschränkung der Meinungsfreiheit und ohne Vorgabe von politisch korrekten Vokabular nicht funktionieren. Die Methoden und Sanktionen sind heute allerdings nur mehr verfeinert als zu DDR-Zeiten. Niemand wird mehr physisch eingesperrt, dafür wird sozial und beruflich ausgesperrt. Und ich denke, für Freigeister wie Herrn Broder wird es immer schwieriger, ihre kritische Meinung zu publizieren. Die Angriffe auf diese zeitkritischen Geister verdichten sich immer mehr, um so ungeniert offen, je mehr die staatlichen Organe diesem Framing, dieser Zensur und diesem moralischen Pranger Vorschub leisten.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Henryk M. Broder / 12.03.2024 / 14:00 / 62

Christian Wulff: Liechtenstein? Nein, danke!

Unser beliebter Ex-Präsident Christian Wulff hat Angst, Deutschland könnte auf das Niveau von Liechtenstein sinken. Das kleine Fürstentum hat auf vielen Gebieten längst die Nase…/ mehr

Henryk M. Broder / 07.03.2024 / 16:00 / 19

Aserbaidschanische Kampagne verhindert Armenien-Debatte

Eine in Berlin geplante Buchpräsentation und Diskussion über bedrohtes armenisches Kulturgut konnte aus Sicherheitsgründen nur online stattfinden. Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP)…/ mehr

Henryk M. Broder / 04.03.2024 / 14:00 / 23

Michael Blume: Vom Zupfgeigenhansl zum Ersten Geiger?

In der Dienstzeit des Antisemitismus-Beauftragten Michael Blume hat die Zahl antisemitischer Straftaten in Baden-Württemberg erfolgreich zugenommen. Aber der Mann hat andere Sorgen. Ende Dezember letzten…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 12:15 / 35

Eilmeldung! Herr Schulz ist aufgewacht!

Im Büro der Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann war nach einem Bericht von Achgut.com die Luft heute morgen offenbar besonders bleihaltig. Richtet man…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 06:00 / 125

Frau Strack-Zimmermann hat Cojones, ist aber not amused

Es spricht für Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ), dass sie mein Schaffen verfolgt. Deshalb hat sie noch eine Rechnung mit der Achse offen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ) hat…/ mehr

Henryk M. Broder / 22.02.2024 / 10:00 / 80

No News aus Wolfsburg in der Tagesschau

In Wolfsburg stellt sich der VW-Chef auf die Bühne, um Weltoffenheit zu demonstrieren. Die Belegschaft hat derweil andere Sorgen. Die Tagesschau meldet, auch an diesem Wochenende hätten tausende…/ mehr

Henryk M. Broder / 18.02.2024 / 11:00 / 57

Eine Humorkanone namens Strack-Zimmermann

Ja, wenn einem deutschen Politiker oder einer deutschen Politikerin nichts einfällt, irgendwas mit Juden fällt ihm/ihr immer ein. Dass immer mehr Frauen in hohe politische…/ mehr

Henryk M. Broder / 13.02.2024 / 06:00 / 186

Panikmache im Konjunktiv, Gehirnwäsche im Schleudergang

Gesetze zum Schutz der Demokratie sind das Vorspiel zur Abschaffung der Demokratie mit gesetzlichen Mitteln. Dazu müssen nur neue „Tatbestände“ erfunden werden, etwa die „verfassungsschutzrelevante…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com