Archi W. Bechlenberg / 29.12.2019 / 06:24 / Foto: Parlophone Music / 28 / Seite ausdrucken

I see black – die Briten machen the bend

Oh Albion, perfides! Nun wirst du also in den Orkus verschwinden. Das elende Schicksal anderer Nicht-EU-Länder wirst du teilen. Blicke auf die Schweiz, blicke auf Norwegen, Island und Liechtenstein und sieh, was dir blühen wird! 

Nein, nicht das gleiche! Schlimmer. Denn die waren zu ihrem Glück nie zuvor dabei. Aber ihr! Etliche Jahre habt ihr das Spiel mitgemacht, wenn auch notorisch brummelnd und mit eigener Währung. Damit Prince Harry, als er noch naughty war, Stripperinnen Scheine in die Tangas stecken konnte, auf denen die eigene Großmutter abgebildet ist. 

Ja, ihr habt mitgemacht und wollt jetzt nicht mehr. Nice try! Aber es gibt nun einmal Organisationen, denen man niemals bei lebendigem Leibe entrinnen kann. Das galt und gilt schon immer für gewisse Vereinigungen, die sich Al Capone oder Al Lah verschrieben haben. Deren Apostaten hatten allerdings noch eine kleine Chance, weitgehend ungeschoren davon zu kommen. Eine neue Identität, Zeugenschutz, Personenschutz rund um die Uhr – zwar ungemütlich, aber nicht völlig aussichtslos. Aber wohin wollt ihr, mit euren Inseln? Wie habt ihr euch das vorgestellt? Den Tunnel fluten? Einen Hadrianswall rund um alles mauern? Nein, ich sage euch: Ihr spinnt. Never ever wird euch die EU ungeschoren davon kommen lassen.

Das Elend wird bei euch Einzug halten. Worcestersauce und Baked Beans werden mit EU-Strafzöllen belegt. Kleine Knaben werden wieder als lebende Besen durch die Schornsteine rutschen müssen, anstatt freitags für Future auf die autofreien Straßen zu gehen, wie in jedem anständigen EU-Land. Kleine Mädchen werden wieder mit fadenscheinigen Hemdchen im Londoner East End an den Ecken stehen und auf Gentlemen warten. Den Erlös setzen sie in billigen Gin für ihre Mütter um.

Jack the Ripper wird auferstehen

Verwahrlosung und Verbrechen werden rasant zunehmen, vor allem Raub und Mord, und hier und da wird sogar wieder geraucht. Das Trinkwasser wird immer schmutziger, so dass die Menschen gezwungen sein werden, Ale, Stout, Porter und Lager in sich zu kippen, um nicht zu verdursten. Teebeutel kann sich niemand mehr leisten. Die Lage der arbeitenden Klasse in England wird von Woche zu Woche dramatischer. Und Jack the Ripper wird auferstehen und... ach, ihr werdet schon sehen. Banden von Großmüttern werden arglose junge Männer belästigen. Die königliche Familie wird verarmen, Charles muss die Ohren anlegen, dem Duke of Edinburgh fallen keine spaßigen Begrüßungen mehr ein („Guten Tag, Herr Reichskanzler!“, 1997 zu Helmut Kohl), und die Queen wird kein Geld mehr für die Moorhuhnjagd haben, was binnen kürzester Zeit eine ungeheure Moorhuhnplage zur Folge haben wird. Im ganzen Land, bis hinunter zu den White Cliffs of Dover. Die Insel wird zuletzt versinken in Moorhuhnscheiße.

So und schlimmer dürfte es kommen. Vorbei gemütliche Treffen von EU-Kommissaren wie das, von dem Automoderator Jeremy Clarkson einmal erzählte: ein Italiener, ein Franzose, ein Deutscher und ein Engländer kommen zu einem abendlichen Dinner zusammen. Der Italiener kümmert sich um das Essen, der Franzose um die Weine, und der Engländer erklärt dem Deutschen die Witze.

Ach Briten. Wie könnt ihr uns nur mit der EU alleine lassen? Findet ihr das lustig? Soll das der lustigste Witz der Welt sein? Den hat einst ein gewisser Ernest Scribbler aus Finchley, Greater London, for King and Country im Kampf gegen die Hunnen und Boches erfunden, aber dieser Witz wurde nach Ende des 2. Weltkriegs ob seiner zuverlässig tödlichen Wirkung in einem unterirdischen Bunker nahe Ivy Cottage, Worplesdon Road, Hull, weggeschlossen und wird seitdem rund um die Uhr bewacht. Aber das Schlimmste: Der drittgrößte Nettozahler in der EU fällt mit euch ersatzlos weg.

Werdet ihr uns fortan auch nicht mehr mit eurem Humor subventionieren? Als Besitzer zweier klassischer englischer Autos habe ich diesen in seiner ganzen Tragweite über inzwischen mehr als 30 Jahre schätzen gelernt. Alleine das, was ihr als „Autoelektrik“ bezeichnet, besitzt mehr Witzpotenzial als jede noch so deutsche Comedyshow. „Lucas the Best under the Sun“, damit warb die für jedes denkbare elektrische Versagen zuständige Firma Lucas Industries Ltd.. Dieser, warum auch immer, war Jahrzehnte lang die Verantwortung für Licht, Zündung und Heizung gnadenlos ausgeliefert. Lucas produzierte ganz besonders unzuverlässige Magnetzünder, Verteiler, Scheinwerfer, Kabelbäume, Scheibenwischermotoren, Startermotoren und ähnliche Zulieferteile. Geplagte Generationen von Autofahrern neigen aus gutem Grund einem anderen Slogan zu: „Lucas – Get home before dark“. Firmengründer Joseph Lucas erhielt aus Gründen den wenig schmeichelhaften Titel „Prince of Darkness“. Lucas, so die Legende, war nicht nur der Erfinder des Kurzschlusses, sondern auch der elektrischen Wegfahrsperre und des selbstdimmenden Abblendlichtes. Lucas-Lichtschalter besitzen standardmäßig drei Stellungen: Gedimmt / Flackernd / Ganz aus. Instrumente in einem englischen Auto brauchen nachts keine Beleuchtung. Es ist egal, welches man betätigt, sie funktionieren alle nicht. Und die Vorliebe der Engländer für warmes Bier rührt daher, dass Lucas auch eine Zeit lang Kühlschränke herstellte.

Skurrile Geschichten mit skurrilen Typen

Derzeit amüsiere ich mich königlich über eine englische TV Serie. Sie heißt „Black Books“ und ist nun schon fast 20 Jahre alt. Vor einigen Jahren lief sie gut versteckt auf einem der kleineren deutschen Privatsender. Man kann die synchronisierten Episoden der 1. Staffel im Prime-Bereich eines großen Internet-Warenhauses anschauen oder – so meine Empfehlung – für kleines Geld ebenda als DVD erwerben, alle drei Staffeln und zudem im Originalton. „Black Books“ vereint alles, was ich an englischer Comedy schätze. Skurrile Geschichten mit skurrilen Typen in skurrilen Situationen. Den Briten verdanken wir einiges an Schätzen dieser Art. The Goon Show, Monty Python Flying Circus, Marty Feldman Comedy Machine, Not The Nine o'clock News, Peter Cook & Dudley Moore, Spike Milligan, Rowan Atkinson, Blackadder, The League of Gentlemen, Fawlty Towers, Little Britain, The IT Crowd...

Der Handlungsrahmen von Black Books ist schnell erzählt. Zentraler Ort des Geschehens ist die antiquarische Buchhandlung „Black Books“ in London. Betreiber des Ladens ist Bernard Ludwig Black, er hat einen Angestellten namens Manny Bianco und eine Freundin namens Fran Katzenjammer, die einen Geschenkeladen betreibt und sich meist wundert, zu was wohl das ganze Geraffel gut ist, das sie anbietet. Während Black Kunden nicht ausstehen kann, da sie ihm beim Prokrastinieren im Weg sind, ist Manny Bianco freundlich, kann mit Kunden gut umgehen und verkauft ab und zu sogar mal ein Buch. Fran Katzenjammer hängt meist im Buchladen ab, da sie ihren eigenen Shop nicht besonders ausstehen kann. 

Aus dieser Konstellation heraus haben die Autoren der Serie urkomische Episoden entwickelt, die mit etlichen Fernsehpreisen und Erfolg bei Kritik und Publikum quittiert wurden. Als Beispiel für den skurrilen Humor in Wort und Bild sei aus der ersten Folge zitiert. Bernard Ludwig Black ist mit der Steuererklärung im Rückstand und lässt sich nach langem Zögern von Fran Katzenjammer dazu überreden, seine Zettelwirtschaft einem Buchhalter zu übergeben. Black trifft diesen zwar an, muss aber sogleich miterleben, wie eine Gruppe Polizisten das „Office“ stürmt und der offenbar nicht ganz koschere Berater gerade noch so durchs Fenster entkommt.

„Wir würden gerne mit ihnen über Jesus reden!“

Es folgt eine Szene, die man nur mit absolut dichter Gummihose anschauen kann. Black sitzt im Hinterzimmer seines Ladens inmitten eines Haufens sortierter Socken; mit deren Hilfe hat er erst einmal weiter vor sich hergeschoben, die Steuerformulare selber auszufüllen („Wenn Sie in einer Sozialwohnung an einem Fluss leben und nicht blind sind, fahren Sie fort mit...). Doch nun sind die Socken sortiert und die Zettel nicht weniger; da klopft es an der Ladentüre, was Black, dankbar für die neue Unterbrechung, freudig vernimmt, und so eilt er zur Türe.

Draußen stehen zwei junge Herren mit Aktentaschen: „Guten Abend. Wir würden gerne mit ihnen über Jesus reden!“ Ein Besuch, der normalerweise mit einem „Danke nein!“ und Türeschließen quittiert wird. Aber nicht vom Steuerpflichtigen Bernard Ludwig Black. „Großartig, kommt doch rein!“ ruft er aus, begeistert von der Störung. Woraufhin sich die Missionare erschrocken ansehen, so etwas scheint ihnen bisher noch nie passiert zu sein: „Sind sie sicher?“ „Ja ja, kommt rein!“ „Das ist ein Trick!“ „Nein, kommt rein! Lasst uns über Glauben quatschen...“

Drinnen folgen urkomische Situationen; Black sitzt hinter seinem Sockenberg, die Missionare versinken ängstlich in ihren Sesseln, sehen sich ständig misstrauisch an und um und müssen gestehen, dass sie nicht so recht wissen, was sie erzählen sollen. „Bisher sind wir noch nie so weit gekommen...“

„Black Books“ ist britischer, unangepasster Humor vom feinsten. Er kann zumindest für ein paar Stunden darüber hinweg trösten, dass der perfide Albion unserer geliebten EU den Rücken kehrt. Oder kehren will. Denn bis Unsereins endlich wieder bei der Einreise ins Königreich seinen Pass vorzeigen muss, wird noch geraume Zeit ins Land gehen. Man sollte mit Prognosen über den Brexit daher weiterhin vorsichtig sein. Wie bereits gesagt: Es gibt kriminelle Vereinigungen, aus denen man nicht mehr lebend heraus kommt.

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Wolfgang Pfeiffer / 29.12.2019

Kommentarfunktion ist gleich geschlossen: deshalb schnell: Danke für den “Black Books” Tip .... :)

Udo Brozowski / 29.12.2019

Vielen Dank Herr Bechlenberg für Ihren köstlichen Humor! Ihr Loblied auf die Firma Lucas hat mich zu Tränen gerührt. Ja, die englischen Autos waren schon was Besonderes…

Otto Nagel / 29.12.2019

Jetzt ist Britannia ganz allein, kein Familienrat mehr in Brüssel, kein Brudertreffen mehr in Berlin, keine Einladungen mehr zu Hochzeiten oder Dahinscheiden anderer widerborstiger Geschwister, keine Teilhabe mehr am Familienkonto, oh, ganz böse Isolation. Wäre ich doch ein Brite ! Ich wollte mir schon immer meine Freunde selbst aussuchen !  Die Achse ist so ein Freund, gutes Wachstum bei viel Gesundheit für Sie in 2020 ! Bleiben wir optimistisch…

Marc Blenk / 29.12.2019

Lieber Herr Bechlenberg, auch ich musste während der Lektüre ihres Artikels zwischendrin Ausschau nach einer möglichst dichten Gummihose halten. Anderseits: Vielleicht erfolgt der Brexit ja nur deshalb, weil der von Ihnen beschriebene britische Humor zwar der feinste und freieste ist, eben Geist auf Rädern, aber leider an der EU scheitert, ja scheitern musste. Weil, wo keine Seele ist, da greift auch kein Humor. Die Volksfront von Judäa war noch keine Stalinistische Diktatur, erst auf dem Weg dorthin. Über den Gulag hätte Monty Python keine Witze machen können. Und auch die EU ist schon weit über den Leuchtmittelterrorismus hinaus. Der englische Humor ist jedenfalls an die englische Demokratie und ihre mitunter lustigen gesellschaftlichen Gepflogenheiten gebunden, an die Hoffnung, dass es nicht schlechter, sondern besser wird und dass vielleicht irgendwann Herbert Anchovy zwar kein Löwenbändiger wird, aber möglicherweise einen Job beim Ministery of silly walks erhält. Da die ins Totale ausgeuferte Demokratiekillmaschine EU leider keinerlei Einfallstor für britischen Feinsinn bietet, blieb England keine Wahl.

Bettina Jung / 29.12.2019

Lieber Herr Bechlenberg, ich empfehle darüber hinaus Harry Enfield, vor allem seine Originals in sw. Ausserdem darf Tracy Ulman mit ihren Merkel Parodien nicht fehlen. Da wir seit10 Jahren kein TV sehen, schauen gerne Britische Serien und Comedy. Klar, mein Mann ist Engländer und ich möchte ihm nicht erklären, wo derWitz bei Böhmermann und Co versteckt ist.

Manni Meier / 29.12.2019

Sie haben ein Tabu gebrochen, Sir Archibald: “Don’t mention the Brexit !” Wollen Sie Deutschland etwa noch weiter spalten?

Andreas Rochow / 29.12.2019

Ich nehm’s als Antidepressivum. Danke, verehrter Archi W. Bechlenberg!

Gabriele H. Schulze / 29.12.2019

Mein ständiger Begleiter in Taschenbuchform ist P. G. Wodehouse. Seit bald fünfzig Jahren krame ich ihn immer mal wieder hervor. Und wo W-Lan ist, klicke ich “Jeeves and Wooster” auf YouTube an. What a treat! Und ein Trost!  Mit einem Wermutstropfen - so weit ich weiß, hat Hugh Laurie bei XR unterschrieben. Verbuche ich unter britischer Exzentrizität - sonst bleibt einem ja bald gar nichts mehr. Und seine Musik kann ich nur empfehlen. Check it out: St. Louis Blues und St. James Infirmary z. B.! Und im TV: George Gently.

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