Wann ist es eigentlich aus der Mode gekommen, sinnentnehmend wahrzunehmen? Das, was ist, zu sehen und zu hören? Dazu hat der Mensch Sinnesorgane, mit denen er Reize empfängt und ein Gehirn, das diese möglichst korrekt verarbeitet, so dass eine realistische Wahrnehmung der Wirklichkeit erfolgt. Diese wiederum ist die Voraussetzung, Gefahren zu erkennen und mögliche Handlungsalternativen zu beurteilen. Anders ausgedrückt: Wer in Phantasiewelten lebt, lebt gefährlich.
In einem abgeschlossenen Universum alternativer Phantasien scheint die deutsche Politik zu verharren, völlig losgelöst von der Realität. Die Mühen, Sorgen und Plagen des Alltags von normalen Bürgern scheinen den Bewohnern der Phantasiewelten unbekannt oder schlicht egal.
Anders lässt sich beispielsweise deren Überraschung über den russischen Angriff auf die Ukraine nicht erklären. Daran war rein gar nichts überraschend. Man wollte auf die vielen warnenden Stimmen nur nicht hören.
Was ist mit den ebenso bekannten Angriffsplänen Chinas auf Taiwan? In einem Beitrag für die Welt schrieb der außenpolitische Redakteur Gregor Schwung unter dem Titel „Der Westen muss die Berechenbarkeit von Diktatoren ausnutzen“:
„Ähnlich wie Russlands Präsident Wladimir Putin in Sachen Ukraine macht auch Peking keinen Hehl daraus, sich den Inselstaat Taiwan mit militärischer Gewalt einverleiben zu wollen. Wenn der Westen gewisse Denkfehler nicht wiederholt, besteht noch die Chance zur Vorbereitung.“
China sei bereit, wirtschaftliche Nachteile hinzunehmen, um ideologische und machtpolitische Ziele zu erreichen. Schwung wies auch darauf hin, dass die KP Chinas den „Eifer der Massen“ wecken wolle, um „falsche Trends“ wie Demokratie, Menschenrechte, Neoliberalismus und „historischen Nihilismus“ intensiv zu bekämpfen.
Die Absichten Pekings sind also völlig klar, sogar schon länger. Jeder kann sehen, was kommen wird. Dennoch haben deutsche Unternehmen dort immer mehr und intensiver investiert, ihr Know-how weitergegeben und so die Stärke Chinas mitbegründet. Ebenso wie Deutschland zuvor Russlands militärische Aufrüstung durch seine Gaszahlungen mit ermöglicht hat.
Jedes Drama zur Machtausweitung instrumentalisiert
Und was passiert jetzt? Konkret was ist „de-risking“? Welche Taten entsprechen den markigen Worten? Wenn morgen China Taiwan angriffe, was machten wir dann? Über Sternchen in Namen und Transfrauen in der Damensauna reden? Die USA werden mit dem Schutz Taiwans beschäftigt sein, Putin wird die Chance nutzen und seinen Krieg in Europa ausweiten. Wie schützen wir dann das Baltikum – mit Lastenfahrrädern und Steinschleudern?
Jede Regierung, der am Schutz ihrer Bevölkerung liegt, hätte längst alle Luxusdebatten auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen und das Land krisenfest gemacht.
Aber das Gegenteil passiert. Die Grünen waren schon immer gewissenlos und haben jede Krise, jedes noch so entsetzliche menschliche Drama rein egoistisch zur Machtausweitung instrumentalisiert. Wer sie noch gut fand, nachdem sie kaltherzig und unmoralisch das Leid der Opfer des Tsunamis in Japan für den Atomausstieg ausnutzten, der dürfte ein Problem mit Empathie haben. Jetzt spielen sich die Grünen als Unterstützer der Ukraine auf, wobei doch gerade sie mit ihrem hirnrissigen Anti-Atomkraft-Dogma die Ukraine sozusagen Russland zum Fraß vorgeworfen haben. Nur deshalb brauchte Deutschland schließlich so dringend das russische Gas. Dabei sind nicht einmal ihre Verlogenheit und Heuchelei das Problem oder ihre Machtgier, der jedes Mittel recht ist.
Das Problem ist, dass sie sogar noch hochgejubelt wurden. Nichts zeigt den Verlust moralischer Werte deutlicher, als dass Kaltherzigkeit für Menschenfreundlichkeit gehalten wird. Dabei waren und sind die Grünen nie menschenfreundlich gewesen, im Gegenteil. Sie haben auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie den Abstieg Deutschlands und Armut für die Masse sowie einen diktatorischen Staat wollen. Das ist doch ihr Programm!
Forderungen der Letzten Generation deutlich zu zaghaft
Hat denn – wieder einmal – niemand hingehört, welche Pläne sie wirklich verfolgen? Alle tun nun überrascht, dabei war immer klar, dass eine Erziehungsdiktatur kommen wird, alles von einem mächtigen Staat mit Zwang gelenkt werden soll. Degrowth, also Armut für alle, ist das erklärte Ziel. Kürzlich erst hat Helge Peukert, Professor für Staats- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Siegen, sogar behauptet, dass die Forderungen der Letzten Generation deutlich zu zaghaft seien.
Vielmehr müsse der private Benzin- und Dieselverbrauch zukünftig bei 500 Liter pro Person im Jahr liegen; er dürfe nicht übertragbar und in 5 Jahren auf 0 zu reduzieren sein; Kreuzfahrtschiffe und Niedrigpreis-Fluglinien müssten wie alle Flüge unter 1.000 Kilometer und über 3.000 Kilometer sofort eingestellt werden, Business- und First-Class sofort entfallen; es dürfe nur ein Recht auf einen Hin- und Rückflug im Jahr geben, welches in fünf Jahren auf einen Flug alle drei Jahre begrenzt würde. Das Recht dürfe nicht übertragen werden.
Ein Grundeinkommen sei einzuführen und Vollbeschäftigung sei durch einen dritten, öffentlichen Sektor mit sozial-ökologischen Arbeitsplätzen zu erreichen; hinzu käme die Einführung einer sozialen Dienstpflicht (zum Beispiel in Krankenhäusern). Alle Neubauaktivitäten müssten eingestellt werden, jedem Inländer dürfe nur so viel Energie zugebilligt werden, wie für 45 qm bei 20 Grad zum Heizen benötigt wird. Der Vertrieb und Konsum von Lebensmitteln müsse über ein Punktebezugssystem erfolgen, um eine gesicherte Basisversorgung und Gleichverteilung der Bevölkerung angesichts der vorzunehmenden Begrenzungen insbesondere in der Übergangsphase zu erreichen, wobei Fleisch und Wurst ohnehin gestrichen wären.
„Alle nichtessenziellen Maschinen sind zu verbieten“
Tja, und die Deindustrialisierung, ohne die eine Klimaneutralität nicht erreicht werden kann, muss nach Peukert auch munter vorangebracht werden:
„Um die nötigen 90 Prozent zu schrumpfen, sind jedenfalls folgende Produktionsbereiche weitgehend rückzubauen: Fossilenergieunternehmen, Zementhersteller, Entwaldungsfirmen, Automobilhersteller, Flug- und Schiffsgesellschaften, Chemieunternehmen, Düngemittelhersteller, Metallhersteller und der Finanzsektor. Umweltverträglichkeitsprüfung aller Arbeitsplätze und ggf. Einstellung und Umschulungen; Arbeitszeitreduktion auf max. 25 h/Woche…
Alle nichtessenziellen Maschinen sind zu verbieten: Fahrstühle, Rolltreppen, Brotschneidemaschinen, Leuchtreklame usw., und nur (Aufzüge für Behinderte z.B.), sofern Strom aus EE kommt.
Das Privateigentum an Wasser, Land und natürlichen Ressourcen (Holz) muss sehr stark eingeschränkt und reguliert werden (z.B. Erbpacht anstelle von Privatgrund und Boden).“
Peukert verkündet das wörtlich als „Die frohe Botschaft: Die unerlässliche Entmaterialisierung führt wohl zwangsläufig zu einer völligen Umwälzung der Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen. Eine Postwachstumsökonomie entlastet und entschleunigt und erfordert ein neues transzendentes Weltbild jenseits von individualegoistischem Konsum, Expansion und Geschwindigkeit.“
Abgesehen davon, dass hier der religiöse Wahn deutlich wird, scheint der Begriff „Erziehungsdiktatur“ eher zu milde.
Dass sich die Grünen mit ihrer Vetternwirtschaft nicht nur davon ausnehmen, sondern umgekehrt am Staat bedienen, ist nicht neu, kommt aber erst langsam wirklich zum Bewusstsein. Viele Bürger sehen es nämlich genau wie Stefan Aust, Herausgeber der Welt, wenn er sagt: „Korruption besteht auch darin, wenn Leute in Ministerien ihre Buddies in den NGOs mit Geld versorgen.“ Er bemängelt nicht nur das sektenähnliche Verhalten der Grünen, sondern meint auch, dass wenn man einmal schaue, wer welche Gelder bekomme oder locker mache, dann sei „der Weg in eine kriminelle Organisation nicht mehr weit“. Tatsächlich sind die Verbandelungen zwischen den Öko-NGOs und den Grünen schon sehr intensiv. Die Macht der grünen Lobby wurde und wird weit unterschätzt.
Unserem Staat fehlt aber die Legitimation, von den Bürgern eine CO2-Einsparung zu verlangen, wenn er selbst die mögliche enorme Einsparung von CO2 bei gleichzeitiger Sicherung einer günstigen und unabhängigen Energieversorgung durch die Abschaltung aller Atomkraftwerke verhindert. Wie will man dann Bürgern enteignungsgleiche Eingriffe durch das Gebäudeenergiegesetz und das Frieren aufgrund des Energieeffizienzgesetzes, wonach der Energieverbrauch zwecks Einsparung von 22 Prozent gedeckelt werden soll, zumuten? Um mit teuren Wärmepumpen ebenfalls teuren und zudem dreckigen Kohlestrom zu verheizen, den man zugeteilt bekommt? Mangelwirtschaft mit Ankündigung?
„Armut ist nicht malerisch“
Und, wie überraschend, unsere Energiepolitik ist kein Exportschlager. Auch wieder ein Beispiel von: „Viele haben es gesagt, aber keiner wollte es hören.“
„Der Fortschritt findet mittlerweile nicht mehr in Europa statt. Keine andere Region der Welt folgt ihm auf seinen Weg. Bei der Zahl der Patente können seine Staaten längst nicht mehr mit China und den USA mithalten. Unternehmen lagern Forschung und Produktion aus: Die Gentechnikabteilungen von Bayer und BASF sind in den USA, am in Deutschland entwickelten Dual Fluid Reaktor wird in Kanada gearbeitet und im IT-Bereich spielt Europa, wo der Computer erfunden wurde, schon lange keine große Rolle mehr“, so schreibt Stefan Laurin in seinem lesenswerten Artikel „Es steht Europa und Deutschland frei, den Abstieg und die Armut zu wählen.“
Und weiter: „Wenn seine Bürger es so wollen, wird dieser Wunsch in Erfüllung gehen. Es wäre nur nicht dumm, sich klarzumachen, was es bedeutet, wenn er Wirklichkeit wird: Armut ist nicht malerisch, sie bedeutet für viele Menschen den Tod. Freiheit und Demokratie sind eng mit dem Wohlstand verbunden, er befriedet Gesellschaften, mildert Verteilungskämpfe und schafft Sicherheit. Er schützt die Schwachen, denn in armen Gesellschaften gilt das Recht des Stärkeren. Und ganz nebenbei wird es in einem armen Europa nicht nur keine guten Krankenhäuser mehr geben: Auch die Zahl der Lehrstühle für Postwachstumsökonomie und Gender Studies wird kleiner werden. Ja, auch die Armut hat ihre guten Seiten.“
Nein, Armut ist nicht malerisch. Hungern und Frieren sind nicht witzig, ein totalitärer Staat auch nicht. Aber – und das ist der entscheidende Punkt – es scheint allen Verantwortlichen egal zu sein. Hauptsache, sie sichern ihre Pfründe, ihnen und ihren Seilschaften geht es gut. Wie kam es so weit, dass die Politik in ihren alternativen Phantasiewelten lebt und ohne Furcht vor Konsequenzen das Land verschrotten kann?
Bereits 1993 hat Cora Stephan ein Buch geschrieben, das an Weitsichtigkeit nicht zu überbieten ist: „Der Betroffenheitskult: Eine politische Sittengeschichte.“ Sehr präzise zeigt sie darin die Entwicklung, weg von einer rationalen Sachdebatte, welche sich mit realen Faktoren befasst, hin zu einer weinerlichen Betroffenheitslyrik, die nur um das eigene Wohlbefinden kreist und dies zum Maßstab politischen Handelns macht. Gesinnungsethik und gefühlte Wahrheit ersetzt Verantwortungsethik in der realen Welt.
Wer die Methode studieren möchte, sollte bei Loriot nachschlagen. In seinem Sketch „Das Frühstücksei“ werden die unterschiedlichen Kommunikationsebenen deutlich: Er argumentiert auf der Sachebene („Das Ei ist hart“) und sie gesteht den Fehler nicht einfach ein und stellt ihn ab, sondern schafft es, sich durch Verlegen der Kommunikation auf die Beziehungsebene in eine Opferrolle zu begeben, so dass er am Ende der Böse ist. Aus gutem Grund wird das Stück an Universitäten als Beispiel für die Kommunikationsanalyse genutzt. Diese Methode ist ein typisches Manipulationsinstrument, um gezielt die in der westlichen Welt herrschende Empathie für Opfer zu missbrauchen.
Der sicherste Weg in die Radikalisierung
Als Mittel der Politik wurde sie systematisch von Ex-Kanzlerin Merkel (CDU) in der Euro-Krise eingesetzt, als sie Kritiker der Rettungsmaßnahmen wie die deutschen VWL-Professoren, die sich aus Sachgründen gegen die Rettung aussprachen, diffamierte. Jeder, der ihre Rettungspolitik kritisierte, wurde zum Europa-Hasser oder womöglich Kriegstreiber, weil er die Versöhnungspolitik torpedieren wolle. Damit umging sie eine sachlich-rationale Auseinandersetzung, der sie mangels Argumenten nicht gewachsen sein konnte. Diese Manipulation ging nahtlos über in die Diffamierung der AfD, nach kurzer Zeit sogar aufgrund der wachsenden politischen Gefahr mit dem schärfsten Geschütz, der „Nazi-Keule“. Diese Stigmatisierung war damals unberechtigt, wie mittlerweile selbst schärfste Kritiker der AfD einräumen:
„Bei der AfD-Gründung gingen konservative und wirtschaftsliberale Akteure noch ein Bündnis ein, das auf die Ausfüllung einer offenbar in der Bevölkerung bestehenden Repräsentationslücke politischer Vorstellungen ausgerichtet war.“
Aber das hielt weite Teile der Presse nicht davon ab, die Hetzkampagne kräftig mitzumachen und damit zur Radikalisierung erheblich beizutragen. Auch hier lohnt ein Blick auf Loriots Sketch. Die letzten Sätze des in die Ecke gedrängten Ehemannes lauten:
„Ich bringe sie um! Morgen bringe ich sie um.“
Wut ist das Resultat, wenn man die rationale Debatte auf diese manipulative Weise unterdrückt und den Anderen zum Bösewicht stempelt. Es ist der sicherste Weg in die Radikalisierung, die sich auf kurz oder lang entladen wird.
Seitdem ist es so weitergegangen. Und wenn die Bürger nicht ausreichend gefügig sind, dann werden sie von der Letzten Generation mit Nötigungen unter Druck gesetzt. Die Abschaltung der AKW war wohl der Kipppunkt, den die Ampel, aber auch die Union verkannt haben. Im gewohnheitsmäßigen Appeasement an das rot-grüne Manifest des „Hysteriker und Neurotiker aller Welt vereinigt euch!“ haben sie den rechtzeitigen Absprung verpasst. Das Vertrauen in die Politik, in das System als solches, ist gefährlich gesunken.
Wer braucht denn eine liberale Partei, die Steigbügelhalter einer grünen Erziehungsdiktatur ist? Zu behaupten, das Schlimmste verhindert zu haben, wenn dies ohne die Mitwirkung der FDP erst gar nicht möglich geworden wäre, ist nicht überzeugend.
Von der Union weiß man überhaupt nicht, wofür sie steht. Zu keinem Zeitpunkt hat sie Reue wegen der fatalen Fehlentwicklungen der Merkel-Jahre gezeigt, diese auch nicht aufgearbeitet. Ohne eine glaubwürdige Katharsis wird sie keine wirkliche Zukunft haben, wie die Zahlen der Umfragen zeigen. Angesichts der desaströsen Leistung der Ampel müssten die Umfragewerte deutlich besser sein. Nur mal zu Erinnerung: 1983 wurde Helmut Kohl (CDU) mit 48,8 Prozent der Wählerstimmen Kanzler. Davon kann die Union heute nur träumen. Übrigens war die gesamte Presse bis auf die Springer-Medien gegen ihn. Man kann also überaus erfolgreich auch ohne oder sogar gegen große Teile der Presse Politik machen, wenn man den Mut und das Rückgrat hat, das Richtige zu tun und sich nicht einschüchtern lässt.