Nicht nur Deutschlands Schuldenstand wächst, sondern auch die Staatsquote. Von Helmut Kohl stammt die Weisheit: "Bei einer Staatsquote von über 50 Prozent beginnt Sozialismus". Demnach hätte Deutschland den Weg in den Sozialismus bald geschafft.
Deutschlands Staatsverschuldung stand Ende 2024 auf etwas über 2,5 Billionen Euro, fast 30.000 Euro pro Kopf. Das ist eine weitere Erhöhung der ohnehin hohen Schulden vom Jahr 2023 mit 2,45 Billionen und der höchste Schuldenstand, den es je in Deutschland gab. Zum steigenden Schuldenstand haben vor allem steigende Rüstungskosten und Sozialausgaben beigetragen. Die geplante gigantische Neuverschuldung von bis zu 1,7 Billionen Euro nach der Aussetzung der Schuldenbremse ist dabei noch gar nicht mitgerechnet. Die Zahlung der Zinsen betragen übrigens pro Jahr (2023) etwa 40 Milliarden Euro, also Geld, das woanders fehlt.
Deutschlands Schulden im Verhältnis zum Brutto-Inlandsprodukt lagen 2023 bei 63 Prozent. Das ist zwar weniger als der Höchststand von 81 Prozent im Jahr 2010, zur Zeit der Eurokrise und dem ersten großen Rettungspaket, allerdings wird mit der gerade ermöglichten geplanten Neuverschuldung der zukünftigen Bundesregierung der Schuldenstand geschätzt plötzlich auf etwa 85 Prozent ansteigen, der höchste Schuldenstand, den die Bundesrepublik Deutschland je hatte. Das, nachdem man sich unter dem Finanzminister Wolfgang Schäuble nach 2010 langsam an den Abbau der Schulden machte und den Schuldenstand 2019 auf 59 Prozent herunterfuhr, was immer noch hoch war. Wegen der Corona-Hilfsmaßnahmen stieg er dann allerdings 2020 sprunghaft auf 68 Prozent an.
Deutschland bald im "Club Med"?
In der Eurozone liegt der durchschnittliche Schuldenstand (2023) bei 87,4 Prozent, in der Gesamt-EU bei 80,8 Prozent. Am höchsten ist dieser in Griechenland mit 164 Prozent und in Italien mit 135 Prozent, aber diese Länder galten Deutschland immer als Abschreckung, nicht als Vorbild. Allerdings ist der Schuldenstand in den genannten beiden Ländern erheblich vermindert worden von Höchstständen von 209 Prozent (Griechenland) und 154 Prozent (Italien) im Jahr 2020. Relativ wenig Schulden haben Estland (20 Prozent), Bulgarien (23 Prozent) und Luxemburg (25 Prozent). Grundsätzlich ist es für größere Länder leichter, Schulden zu machen und sind diese daher häufig stärker verschuldet: In Frankreich lag laut Zahlen des IWF der Schuldenstand in demselben Jahr bei 110 Prozent, in den USA bei etwa 118,7 Prozent und in Japan sogar bei fast 250 Prozent. Übrigens nimmt auch in China, das immer gerne mal als Vorbild für kluges Wirtschaften genannt wird, der Schuldenstand seit Jahren kräftig zu und steht mittlerweile (2024) schon bei 90 Prozent, mehr als doppelt so viel wie vor 10 Jahren.
Auch wenn Deutschland auch nach der Neuverschuldung immer noch im EU-Durchschnitt liegt, ist das kein Grund zur Entspannung. Wer, wenn nicht Deutschland, soll das EU-Schiff wirtschaftlich auf Kurs halten? Niederlande, Estland oder Luxemburg, die konservativ wirtschaften, sind viel zu klein, und die Mittelmeerländer sind schon lange Meister im Schulden machen. (Das Wort vom "Club Med" für die hochverschuldeten Länder des europäischen Südens machte während der Euro-Schuldenkrise die Runde). Scheitert Deutschland, scheitert die EU, um ein bekanntes Merkel-Zitat zu paraphrasieren. Wenn den deutschen Eliten schon Deutschland egal ist, dürfte ihnen das Scheitern ihres „Friedensprojektes EU“ nicht egal sein. Die Maastricht-Kriterien für den zulässigen Schuldenstand eines EU-Mitglieds sind übrigens 60 Prozent.
Beim Haushaltsdefizit, also der Finanzierungslücke zwischen Einnahmen und Ausgaben, liegt Deutschland (2024) gerade noch unterhalb des nach Maastricht-Kriterien zulässigen Werts von drei Prozent, nämlich bei 2,8 Prozent. Allerdings stieg auch dieser von 2,5 Prozent im Jahr 2023 weiter an und wird mit der gigantischen Neuverschuldung kaum abnehmen. Schon jetzt hat Deutschland ein Staatsdefizit von 119 Milliarden Euro, 15 Milliarden mehr als 2023.
Mehr Einnahmen, mehr Ausgaben, mehr Staat
Da Deutschland neben immer steigenden Ausgaben allerdings auch steigende Einnahmen hat (die allerdings mit den Ausgaben nicht Schritt halten), wirkt der Haushalt noch einigermaßen solide. Die Steuereinnahmen steigen ebenso wie die Ausgaben kontinuierlich an, seit 2010 mit etwa vier bis sechs Prozent pro Jahr. Nur im Coronajahr 2010 gab es einen deutlichen Rückgang. 2023 wurde ein Höchststand bei 915 Milliarden erreicht, 2024 wurden immer noch 861,1 Milliarden Euro von Bund, Ländern, Gemeinden und über EU-Steuern eingenommen. Allerdings heißen steigende Einnahmen und steigende Ausgaben einen immer aufgeblähteren Staat. Ziel sollte es sein, den Staat zurückzufahren und den Bürgern weniger Steuern aufzuerlegen. Wenn die Bürger mehr Geld haben, können sie sich auch das leisten, was ihnen der Staat nun teuer und uneffektiv durch viel Bürokratie „gratis“ anbietet.
Allerdings werden die Steuererleichterungen, die die Union noch im Wahlkampf versprach, wohl nicht kommen, denn man ist nun erst recht auf immer mehr Einnahmen angewiesen, wenn man nicht sparen will. Hohe Steuern sind Gift für die Konjunktur, und die von Friedrich Merz noch im Wahlkampf versprochene konjunkturelle Erholung – womit die Ausgaben finanziert werden sollen, ohne Schulden zu machen – dürfte damit nicht kommen. Ohne Reformen, wozu Steuererleichterungen gehören, kein Wachstum – und ohne Wachstum bei steigenden Ausgaben bedeutet das mehr Schulden.
Der deutsche Staat hat im vergangenen Jahr deutlich mehr Geld ausgegeben als eingenommen. Das Staatsdefizit lag nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamts bei 118,8 Milliarden Euro – 15 Milliarden Euro mehr als 2023. Gemessen an der Wirtschaftsleistung ergibt sich damit für 2024 eine Defizitquote von 2,8 Prozent, nach 2,5 Prozent im Jahr zuvor.
„Ab einer Staatsquote von 50 Prozent beginnt Sozialismus“
Das führt logischerweise zu einer immer höheren Staatsquote. Diese bezeichnet das Verhältnis von Staatsausgaben im Verhältnis zum BIP. 2024 lag die Staatsquote bereits bei fast 50 Prozent (49,3 Prozent). Auch hier gibt es ungebremstes „Wachstum“, seit die Industrie immer weniger Aufträge bekommt und auch der Handel zurückgeht, einerseits, und andererseits werden Behörden immer mehr vergrößert und neue geschaffen. Die Staatsquote ist in Deutschland schon sehr lange hoch und lag bereits im Jahr 1991 bei 46,5 Prozent. Sie ging seither nie unter 43 Prozent, stieg 2020, im ersten Corona-Jahr, erstmals auf über 50 Prozent (51 Prozent, um genau zu sein). Wenn man noch weiter zurückgeht, fällt der sprunghafte Anstieg von den 1960ern zu den 1970ern auf: 1960 betrug sie ziemlich genau ein Drittel (32,9 Prozent), 1965 stand sie schon bei 37 Prozent, 1975 war sie fast schon bei der Hälfte (48,8 Prozent).
Was hatte sich verändert? Die SPD regierte seit 1964. Auch als 1982 die Union mit der eigentlich wirtschaftsliberalen FDP regierte, blieb man auf dieser Höhe von knapp unter bis sogar über 50 Prozent. Das ist nur ein Anzeichen, warum die „Wende“ von 1982 keine war. Trotzdem war es Bundeskanzler Helmut Kohl, der sagte: "Bei einer Staatsquote von über 50 Prozent beginnt Sozialismus".
Übrigens haben sich die meisten europäischen Staaten mit diesem Zustand eingerichtet, fast überall liegt die Staatsquote über 40 Prozent. (übrigens auch in den vermeintlich hyper-kapitalistischen USA). Einzige Ausnahme in Europa ist Irland: Hier sank die Staatsquote dramatisch, von 65 Prozent im Jahr 2010 auf jetzt 21,4 Prozent, also um mehr als zwei Drittel! Die großen wirtschaftlichen Liberalisierungen fanden zwischen 2011 und 2015 statt, aber das ist ein eigenes Thema.
Natürlich bedeutet eine niedrige Staatsquote nicht immer etwas Gutes: Wenn kein Staat existiert, gibt es auch keine Staatsquote (und auch keine Wirtschaft). Somalias Staatsquote ist die niedrigste weltweit mit 7 Prozent, bestimmt kein Vorbild. Es gibt keinen Wert für die optimale Staatsquote, weil sowohl zu wenig (Somalia) als auch zu viel (Nord-Korea) schlecht ist. Der Staatsapparat kann eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Ländern spielen, die am Boden sind, sollte sich dann aber zurückziehen, sonst wird es ein Wohlfahrtsstaat, der Entwicklung und Initiative hemmt. Je mehr durch die Privatwirtschaft besorgt werden kann, desto besser. Bei der Schweiz, in vielerlei Hinsicht ein Vorbild eines erfolgreichen und ziemlich demokratischen Landes, liegt die Staatsquote bei etwas mehr als einem Drittel.
2026 wird die Staatsquote in Deutschland voraussichtlich bei 51 Prozent liegen (Christian Dürr sagte dies im Bundestag am 18.03.2025). Der Sozialismus wäre damit rechnerisch erreicht.
Sebastian Biehl, Jahrgang 1974, arbeitet als Nachrichtenredakteur für die Achse des Guten. Vor Kurzem erschien von ihm „Ein Volk sucht seinen Platz. Die Geschichte von Orania und dem Freiheitsstreben der Afrikaaner.“ Dieses kann hier oder hier bestellt werden.