Chaim Noll / 12.11.2018 / 11:00 / Foto: Freud / 24 / Seite ausdrucken

Hummus und Gedenktag

Angela Merkel, offenbar im Vorgefühl ihrer eigenen Historisierung, reist dieser Tage von Gedenkfeier zu Gedenkfeier. Eine davon, am 9. November, galt auch den deutschen Juden. Den toten. Sie spielen eine ungleich größere Rolle im offiziellen deutschen Bewusstsein als die lebenden. Doch auch für diese hatte die Kanzlerin einige Trostformeln, zumindest für genügsame Ansprüche.

„Der Rechtsstaat darf keine Toleranz zeigen, wenn Menschen aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Hautfarbe angegriffen werden“, sagte sie in der Berliner Synagoge Rykestraße in gekonnter, alle Unterschiede und Gegensätze verwischender Verallgemeinerung. Juden müssen – ob sie wollen oder nicht – als Chiffre für alle Menschen „anderer Religion oder Hautfarbe“ herhalten, auch solcher Glaubensrichtungen, die im Kern judenfeindlich sind. Genau das nennt man „Relativierung“. Diese Haltung wurde aber der einzigen Partei zugeschoben, die nicht an der Gedenkfeier teilnehmen durfte.

Denn der Gedenktag für die Zerstörung der deutschen Synagogen wurde instrumentiert, um deutsche Parteipolitik zu machen. Eine Partei wurde von der Gedenkfeier ausgeschlossen. Es wäre, wie der Präsident des Zentralrats der Juden betonte, „für die jüdische Gemeinschaft unerträglich gewesen, heute, 80 Jahre nach der Pogromnacht, Vertreter dieser Partei unter uns zu wissen.“

Die Gelegenheit vertan, die wirklichen Gefahren zu benennen

Welche war gemeint? Die Linke mit ihrem von Marx und Bakunin übernommenen Antisemitismus? Die Sozialdemokraten, deren Vertreter in schöner Regelmäßigkeit den Judenstaat als „Apartheid-Staat“ oder ähnlich schmähen und deren neuester Außenminister die finanziellen Zuwendungen für ein Terror-verstricktes UN-Hilfswerk in Gaza vervielfacht hat? Keine Angst: Wie üblich wurden die Millionen Euro indirekter Unterstützung für den Mord an israelischen Zivilisten in den Gedenkfeiern nicht erwähnt. Schuld an allem ist nur eine Partei, und sie erneut zu verteufeln, war der eigentliche Zweck der Übung.

Immerhin wagte der Präsident des Zentralrats, den Anschlag gegen die Synagoge in Gelsenkirchen zu erwähnen, als im Nachklang einer palästinensisch dominierten Anti-Israel-Demo ein Gullydeckel durchs zertrümmerte Fenster ins Innere des Gotteshauses flog. Kaum hörbarer Misston in der korrekten Anordnung der Feier. Wie immer hat der Zentralrat die Gelegenheit vertan, die wirklichen Gefahren der Juden im heutigen Europa zu benennen.

Ich bin derzeit in Deutschland auf Reisen, doch ich habe an keiner offiziellen Gedenkfeier teilgenommen. Am 9. November, während anderswo die flauen, abgesprochenen Reden erklangen, war ich Hummus essen, bei einem jungen Israeli aus Akko, der in Leipzig ein kleines Restaurant betreibt. Es gibt dort, mit Pita, frischen Kräutern und viel Zitrone, fantastisch zubereitete Kichererbsen, von denen es heißt, dass sie gut fürs Gedächtnis sind. Wir wollen nicht vergessen. Deshalb halten wir uns an die Lebenden.    

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Thomas Taterka / 12.11.2018

Okay, ich korrigiere mich. Der “Krampf” gegen den Antisemitismus,  ist die Krankheit , für deren Therapie sie sich hält. Jetzt ist es wieder “halal”, Inschallah. (Für die Torquemadas, die immer nach Anklagepunkten suchen)

Daniel Gildenhorn / 12.11.2018

Sehr interessant wäre es in Erfahrung zu bringen, wie eine derart alte und stabile Religion, wie Judaismus solche Konstrukte, wie „Präsident des Zentralrats der Juden“ sieht? Sind Sie religiös oder gesellschaftlich legitimiert und genießen Sie tatsächlich eine entsprechende Anerkennung? Ich frage ja nur, weil sich das ganze Handeln von diesen Bürokraten überhaupt nicht in den Einklang mit der großartigen jüdischen Kultur und Ihrem Selbsterhaltungsinstinkt zu bringen ist. Auch nicht mit der israelischen Politik. Diese Irrlichter erwecken nur einen Eindruck. Ich erspare Ihnen lieber seine Beschreibung.

F. Jung / 12.11.2018

Werter Herr Chaim Noll Ich achte und schätze Ihre Beiträge, stimme mit Ihnen meist überein. Jedoch, mir fällt es schwer, Ihre Botschaft zu entschlüsseln. Warum schreiben Sie nicht konkret, wer ausgeschlossen wurde ?  Scheuen Sie sich, den Namen zu nennen? Und wenn ja, warum? Sie sehen mich etwas ratlos.

klaus brand / 12.11.2018

Ich hoffe, Sie haben nicht wirklich “Humus” gegessen, das Endprodukt der Zersetzung biologisch-organischer Prodokte, sondern einen leckren “Hummus”. Ich gehe ansonsten vollkommen mit Ihnen konform. Was ist das für ein “Zentralrat der Juden”, der sich jedem Judenhasser anschmiegt, sofern dieser im Mainstream mitschwimmt, und gegen diejenigen hetzt, die die Finanzierung der schlimmsten Judenhasser (z.B. Hamas, PLO etc) ablehnen und die Einrichtung der Botschaft der USA in Jerusalem begrüssen? Als Neturwissenschaftler verneige ich mich vor der unfassbaren Intelligenz jüdischer Naturforscher, von denen Einstein nur ein herausragendes Beispiel darstellt, und frage mich: Wie doof kann ein Jude sein, der diesem judenhassenden Konglomerat in unserer derzeitigen Regierung und weiten Teilen der Opposition auch noch Respekt und Anerkennung zollt?

Friedhelm Thomas / 12.11.2018

In der „Jüdische Allgemeine“ habe ich soeben die Zusammenfassung der Rede des Zentralratspräsidenten Schuster zum Gedenktag 9. November gelesen. Erschreckend ist, mit welchem verkürzten und eingeschränkten historischen Verständnis die Parallelen zur gegenwärtigen Situation gezogen werden. In einer Volte werden die damaligen Opfer jüdischen Glaubens im Hitler-Staat gleichgesetzt mit den heutigen „importierten“ Antisemiten. Im Opfertopf finden sich dann „Frauen, Juden der amerikanischen Ostküste, dunkelhäutige Männer“ – Schusters Kategorien. Die Zivilcourage, die er einfordert, läßt sich in seiner Rede nicht auffinden. Diese Veranstaltung war eine Demonstration des Opportunismus, ein gefälliges Aneinanderreihen der Sprach- und Denkmodelle der politischen Elite. Die anwesenden Promis des Polit-Business – als da waren Steinmeyer, Gauck, Wulff, Merkel, Köhler, Schäuble, Müller – sie werden es gern vernommen haben. - Wir gehören doch alle zusammen, aber ohne die von der AfD -. Ein wohlfeiles Gedenken, gut für den engen Zusammenhalt von Politik und Jüdischer Gemeinde. … mit der Obrigkeit soll man es sich nicht verderben. Ganz ähnlich die Situation bei der GedenkVeranstaltung am Holocaust-Mahnmal. Die von mir seit Jahren verehrte Lea Rosh wollte auch nicht die AfD dabei haben. Die Götter /Göttinnen meiner Jugend- und Studienzeit welken dahin. Adieu, Frau Rosh- Sie sind in meinen Augen entzaubert. Friedhelm Thomas

P.Steigert / 12.11.2018

In Deutschland entscheidet das Meinungskartell über das, was stimmt und was nicht. Der Zentralrat passt sich an und deckt damit die Verleumdung der Mächtigen. Das ist schon traurig.

ponzio antonio / 12.11.2018

caro signor noll, sie haben das beste getan, humus essen gehen, ich habe couscous alla siciliana gegessen.tanti saluti, e tanti humus antonio

Dirk Jungnickel / 12.11.2018

Herzlichen Dank,  Chaim Noll,  für die klaren Worte. Da die Seligsprechung islamischer Migranten sich schon in grotesker Weise in Richtung einer Unterwerfungsmentalität bewegt, ist es unumgänglich, allein Juden als Verfolgungs -  Chiffre für „anderer Religion oder Hautfarbe” zu benutzen. Der muslimische und kommunistische Antisemitismus wird folgerichtig ausgeklammert.  Und wenn man an die Unterstützung von antisraelischen Terrorgruppen denkt, dann muss man wieder einmal ob dieser heuchlerischen Politik an Max Liebermann denken. Aber bitte, Herr Noll, lassen Sie sich auf keinen Fall Ihre Gaumen - Freude an den Kichererbsen nehmen.

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