Burkhard Müller-Ullrich / 23.09.2017 / 06:16 / Foto: H.Zell / 21 / Seite ausdrucken

Hornissen gut, Du böse

Astern, schwälende Tage. Und die letzten Getränke im Freien. Jetzt sind die Wespen schon so todessüchtig, daß sie sich einfach in die Gläser fallen lassen. Ihre Ungeschicklichkeit ist wirklich hassenswert und lästig, außerdem können sie einen regelrecht hysterisch machen. Aber das ist gar nichts gegen den Auftritt ihrer großen Schwestern. Eine Hornisse ist nicht nur doppelt so groß und viermal so laut wie eine Wespe, sie trägt auch einen Giftvorrat mit sich herum, der uns seit Kindheitstagen in Angst und Schrecken versetzt. Wer ist nicht mit der schaurigen Weisheit großgeworden, daß sieben Hornissenstiche ein Pferd, aber schon drei einen Menschen töten?

Völlig falsch, sagt Wikipedia, wo ich mit zittrigen Fingern nach Hilfe im Kampf gegen die Hornissen suche, die in unsere Ferienwohnung eingedrungen sind. Jawohl, es sind mehrere. Mein Sohn hat den Lärm zuerst gehört – aus zwei Zimmern Entfernung. Es ist ein wirklich bösartiges Geräusch, immer wieder unterbrochen durch Perioden unheimlicher Stille. Man hört auch ein heftiges Klacken, wenn die Insekten gegen irgendetwas Hartes fliegen, offenbar tragen die Hornissen Helme. Offenbar werden sie auch immer wütender. Ich sehe die Furcht in meines kleinen Sohnes Augen. Ich muß mein Kind beschützen.

Ich lese ihm aus Wikipedia vor: „Jagende oder sammelnde Hornissen, die sich nicht in der direkten Umgebung ihres Nestes befinden, stechen nur, wenn sie gequetscht werden. Sonst versuchen sie zu fliehen.“ Wir haben natürlich keine Ahnung, ob sich ein Hornissennest in unserer direkten Umgebung befindet. Wir wissen auch nicht, ob die Hornissen selber wissen, daß sie versuchen sollten zu fliehen. Was aber, wenn sie sich durch die Architektur der Räume und die Tatsache, daß sich das Fenster nicht öffnen läßt, gequetscht fühlen?

Um der Gefahr zu wehren, suche ich im Internet nach wirksamen Bekämpfungsmöglichkeiten; es muß doch auch andere Leute geben, die Hornissen im Haus hatten, und vielleicht haben sie brauchbare Erfahrungen mit Gegenmitteln gemacht. Dazu existieren doch diese zahllosen Ratgeberseiten und Problemlösungsforen, diese „Gute Frage“-Ecken und sonstigen Portale der Schwarmintelligenz.

Durch Töten machst du dich strafbar!

Was ich da finde, ist allerdings noch beunruhigender als die Gegenwart der Kampfflieger in unserer Behausung. "Die Hornisse ist eine nach der Bundesartenschutzverordnung besonders geschützte Art. Durch Töten machst du dich strafbar!“, warnt der erste Experte, auf den ich stoße. Er ist nicht der einzige. Wenn man in Deutschland wissen möchte, wie man im Notfall ein Insekt schnell und zuverlässig beseitigen kann, bekommt man es mit Leuten zu tun, die einem selber mit Liquidierung drohen.

Nein, ich übertreibe nicht. Sämtliche Vorschläge der Internet-Community laufen auf vier Varianten hinaus: 1. Eine positive Einstellung gegenüber der Hornisse gewinnen, 2. Abwarten, bis das Tier von selbst ins Freie findet, 3. Die untere Naturschutzbehörde verständigen, 4. Mit Einmachglas und Pappdeckel auf Jagd gehen (manche empfehlen, auch noch etwas Süßes ins Glas zu tun). Bloß kein Gift benutzen!, ruft das Internet der Hornissenschützer, das sei ein Verbrechen. Wer so etwas tue, auf den warte eine Strafe, die nicht hoch genug ausfallen könne.

Meine Hornissen-Hysterie ist gar nichts gegen den Insektenliebe-Irrsinn, der sich hier austobt.  Seitenlang geht das in diesem Ton und Stil: „Laß bloß das Tier in Ruhe, das hat dir doch nichts getan“… „Stell Dir mal vor, auf dich würde jemand Gift spitzen“… „Weißt du, wie qualvoll das für die Hornisse ist?“… „Leute, die harmlose Insekten vergiften, sollte man ganz langsam und schmerzhaft töten“…

Ich fühle mich im wahrsten Sinn im Stich gelassen. Und bekomme eine wahnsinnige Wut auf diese vespidophilen Menschenverächter, die da finden, es geschähe mir ganz recht, wenn ich gestochen würde, sollte ich mich an einer Hornisse vergreifen. Die Wut gibt Mut. Mit Haarspray hole ich die Riesenwespen aus der Luft, am Boden halte ich noch mit Rasierschaum drauf. Das funktioniert besser als erhofft, und vielleicht kann jemand meinen Tipp gebrauchen. Jetzt warte ich auf die Einleitung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens gegen mich. 

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Lars Bäcker / 24.09.2017

Viele Imker beseitigen auch Hornissennester. Auch die Feuerwehr tut dies. Diesen “Spezialistenkreis” würde ich informieren, dann bekommen Sie schnelle Hilfe. Diesen Tipp gebe ich nicht aus Umweltschutzgründen, sondern zum Schutz der eigenen Gesundheit. Gereizte Hornissen greifen sehr schnell im Schwarm an. Da sollte man also besser Spezialisten ranlassen, sonst begibt man sich schnell in Gefahr.

Dietmar Schmidt / 24.09.2017

Hallo Herr Müller-Ullrich, das haben Sie prima gemacht, eine Hornisse im Haus ist schlicht eine Bedrohung vor der man sich schützen muss. Bundesartenschutz hin oder her. Aber aus dem Lager der Artenschützer oder der Anwendung dieser Bestimmungen kommt schon lange einiger Unsinn. Z.B. der Juchtenkäfer hat Stuttgart21 um Wochen verzögert in Berlin haben ein paar Vogelnester in den 1990 Jahren die industrielle Ansiedlung von 3.000 Arbeitsplätzen verhindert.  Ich bin auch für Natur- und Artenschutz, aber bitte ausgewogen. Und wenn jetzt durch die Windkraftwerke 35.000 - 140.000 Vögel und 230.000 Fledermäuse getötet werden hört man aus dem Grünen Lager keine Stimmen. Hört sich total glaubwürdig an. Oder? Gruß Dietmar

Peter Groepper / 24.09.2017

Warum so viel Hass auf diese unsere Mittiere? Stechen ist nun mal ihre Natur - in der Not, der Enge, im Eingequetschtsein - da kann man, da muss man das gemeinsame Zusammeleben auf diesem Planeten, der uns allen gehört, doch einfach mal neu ausrichten! Und trösten Sie sich: Die Gefahr, von einer Hornisse gestochen zu werden, ist viel geringer, als sich beim Essen zu verschlucken!

Frank Reichelt / 24.09.2017

Ach je. Ich hatte dieses Jahr sicherlich 10 Hornissen in der Bude und gar eine im Fahrzeug. Gut, letztere sorgte doch für eine Schrecksekunde, aber das Tierchen benahm sich anständig und ließ sich nach dem Anhalten anstandslos mittels Regenschirm (behutsam, wohlgemerkt) aus dem Auto bugsieren. Wir leben auf dem Land, irgendwo auf dem Gründstück haben wir seit ein paar Jahren ein entsprechendes Nest. Niemand von uns wurde bisher gestochen, selbst die Hunde reagieren nicht großartig und beim Grillen o.ä. gehen uns nur ein paar Wespen, Mücken und vor allem Bremsen auf die Nerven (und die beiden letzteren auch an die Wäsche). Ich kann aus alljährlicher praktischer Erfahrung nur sagen: Ruhe und Gleichmut bewahren, sich vergegenwärtigen, dass man den “Gegner” mit einem Handstreich auslöschen könnte und durch das nun hoffentlich gestärkte Selbstvertrauen ein entdeckerisches Interesse für diesen Bestandteil unserer Flora und Fauna entwickeln. Dann wird man feststellen, dass diese Tierchen einem tatsächlich nichts böses wollen und man sie, zumindest außerhalb des Wohnraums, durchaus als friedfertige “Nachbarn” hinnehmen kann, die einem nur seltenst - wenn überhaupt - und gemeinhin ohne “kriegerische Absichten” in die Quere kommen. Also: C-Waffen und anderes Mordgerät sind bei Hornissen jedenfalls so gut wie nie erforderlich ;-)

Andreas Rochow / 23.09.2017

Gratulation zum Heldenmut! Neunmalschlaue Hinweise - zumal im Nachhinein - wären nichts wert. Die Gefahr für Gesundheit und Leben Ihrer Familie haben Sie gabannt.

Wolf Scholz / 23.09.2017

Lieber Burkhard Müller-Ullrich, vielen Dank für die wunderbare Hornissen-Hysterie-Satire-oder ist das wirklich ernst gemeint? Wenn ja, dann machen Sie bitte sofort nach diesem “Kampffliegerangriff” auf Sie und Ihren verängstigten Sohn einen brummenden Abflug aus Ihrem Schuhschachtel-Ferienhäusli mit dem unverantwortlich nicht zu öffnenden Fenster, denn drei Stiche, drei Hornissenstiche, drei gnadenlose Hornissenstiche… sorry, das ist lachhaft, nein das ist traurig, das ist german Angst “vom Feinsten”. Ach ja, ein Dankeschön wegen des nicht gekennzeichneten Zitats aus Gottfried Benns Gedicht “Astern”.

Rainer Wittmann / 23.09.2017

Ich möchte - ohne nähere Recherchen - wetten, daß die bescheuerten Schutzanweisungen für Hornissen sämtlich von Mitgliedern der Verbots- und Bevormundungspartei: den Grünen stammen.

mike loewe / 23.09.2017

Mit einem Tötungsversuch würde man vielleicht einen Stich provozieren, mit Gift evtl. auch sich selbst schaden. Pragmatischerweise würde ich ein Fenster öffnen und dem Tier ggf. durch Ohrfeigen mit einer Zeitung den Weg dorthin weisen.

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