Die Hongkonger Regierung hat die im September geplante Wahl zum Regionalparlament verschoben, meldet orf.at. Regierungschefin Carrie Lam habe den umstrittenen Schritt damit begründet, dass die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus in der chinesischen Sonderverwaltungsregion wieder gestiegen sei. Der Schritt dürfte auf wütende Proteste der Demokratieaktivisten in Hongkong stoßen, erwarten Beobachter.
Lam habe vor Journalisten erklärt, dies sei ihre „schwerste Entscheidung der vergangenen sieben Monate“ gewesen, was angesichts der Ereignisse der letzten Monate bestenfalls nach Krokodilstränen klingt. Die Corona-Pandemie stelle eine ernste Gefahr für Hongkong dar, weshalb die Wahl erst ein ganzes Jahr später, also am 5. September 2021 stattfinden solle. Die Führung in Peking – wen wundert es – habe die Verschiebung begrüßt. Die Entscheidung der Regierung sei „sehr notwendig, vernünftig und legal“, habe die für Hongkong und Macau zuständige Behörde am Freitag erklärt. Die Zentralregierung habe „volles Verständnis“.
Kritiker sähen in der Verschiebung den Versuch, eine Blamage zu verhindern, da der Unmut über das Regierungslager und das neue Hongkong-Gesetz groß sei. Aus Sicht des oppositionellen Abgeordneten Ted Hui sei die Regierung mehr besorgt über eine Niederlage als über die Ausbreitung der Lungenkrankheit. Aktivisten wie Joshua Wong hätten hervorgehoben, dass die Abstimmung trotz der Pandemie mit angemessenen Vorsichtsmaßnahmen stattfinden könne, wie es andere Länder mit ihren Wahlen ebenfalls gezeigt hätten.
Warnung vor der Verfassungskrise
So „legal“, wie Peking attestiert, scheint der lange Aufschub der Wahl zudem keineswegs zu sein, weil eigentlich höchstens eine kurzfristige Verlegung gesetzlich erlaubt sei. Prodemokratische Abgeordnete hätten vor einer Verfassungskrise gewarnt. Nach einem Jahr der Proteste wäre es wichtig, das Parlament neu zu besetzen, hätten 22 Volksvertreter in einer Erklärung argumentiert. Die Coronavirus-Krise werde nur als Vorwand benutzt. Die Regierung dürfe den Hongkongern nicht das Recht auf die Wahl wegnehmen.
Auch die US-Regierung habe gefordert, dass die Wahl, wie geplant, am 6. September stattfinden müsse. „Das Hongkonger Volk hat es verdient, dass seine Stimme durch gewählte Vertreter seiner Wahl repräsentiert wird“, habe Außenminister Mike Pompeo gesagt. „Wenn sie das kaputt machen, wenn sie das absagen, wird es ein weiteres Merkzeichen sein, das einfach beweist, dass Chinas Kommunistische Partei Hongkong jetzt nur zu einer weiteren kommunistisch geführten Stadt gemacht hat.“