Wolfram Weimer / 08.12.2017 / 06:10 / Foto: Stefan Brending / 11 / Seite ausdrucken

Homer Simpson jetzt Chefberater in Bayern

Markus Söder hat das, was der SPD fehlt – den unbedingten Willen zur Macht. Wo die Berliner Republik einen zehenspitzigen Menuett-Tanz der willenlosen Regierungsbildung tanzt, da stampft Söder als Ein-Mann-Heavy-Metal-Band der Politik nach vorn. Er tönt seit Jahren, dass er unbedingt Bayerns Ministerpräsident werden will. Nun wird er es schaffen. Dabei war sein Weg dorthin weiter als der von Christian Lindner nach Jamaika, der von Martin Schulz in die Große Koalition und der von Angela Merkel in die Minderheitsregierung.

Der Widerstand gegen Söder war gewaltig. Die Oberbayern wollten den Franken nicht, die Katholiken den Protestanten nicht, die Großbürgerlichen den Volksmann nicht, die Frauen den Kerl nicht, die Linken den Konservativen nicht, die Medien den CSUler nicht, die Intellektuellen den Polemiker nicht, Seehofer den Nachfolger sogar ganz und gar nicht.

Söder hat sich trotzdem durchgesetzt. Und wenn sich nunmehr viele fragen, wie er es eigentlich dahin geschafft hat, dann gibt es brave Antworten – er sei enorm fleißig, kraftvoll, beharrlich, redestark und ziemlich schlau, der Einser-Abiturient, Adenauer-Stipendiat und promovierte Jurist. Es gibt auch feuilletonistische Deutungen, wonach der Sohn des Maurermeisters an Aufstiegsehrgeiz und Nehmerqualitäten seinen verwöhnten, bieder-bürgerlichen Konkurrenten stets überlegen war. Oder der Hinweis, dass Söder die Instrumente der Mediendemokratie viel besser zu nutzen weiß als andere, schlichtweg, weil er sie professionell erlernt hat.

In Wahrheit ist sein Erfolgsgeheimnis nicht braver, psychologischer oder beruflicher Ligatur. Es ist charakterlicher Natur. Söder hat früh damit aufgehört, sein Ich zu verbergen. Er hat seine Meinungen und seine Ambitionen freiweg gezeigt, ja demonstriert, wo alle anderen sich noch in Maskeraden der Akzeptanz bewegten. Sein Wille ist Charakter in Aktion.

Rechter Wadenbeißer? Ist ihm schnuppe

So hat Söder immer wieder Positionen bezogen, die politisch gerade nicht korrekt waren. Er hat Meinungen geäußert, nicht weil sie populär oder sympathisch waren, sondern weil sie seine waren. So gehörte er zu den ersten Spitzenpolitikern in Deutschland, die Merkels Politik der radikalen Grenzöffnung ebenso radikal kritisierten. Wo die meisten seiner Kollegen noch von der Willkommenskultur schwärmten, hob er schon mahnend den Finger.

Er schimpfte die Kanzlerin – bis dahin undenkbar unter Unionisten – offen als „blauäugig” und forderte mal ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen („In Schulen gehören Kruzifixe und keine Kopftücher”) dann wieder stellte er das Grundrecht auf Asyl infrage und liebäugelte mit einem Zaun an der Grenze zu Österreich. Doch Söders Inkorrektheiten können auch „schlechte Eltern” treffen, denen er mit Kindergeld-Kürzungen droht.

Seine Kritiker verurteilen ihn seit seinen Tagen als CSU-Generalsekretär als „rechten Wadenbeißer”. Doch das stimmt nicht einmal halb. Er wird zwar 2018 versuchen, die „offene rechte Flanke der CSU” zu schließen. Seine politische Kraft erwächst aber nicht aus der Richtung seiner Haltung, sondern aus ihrem Mut. Wenn sich nämlich in Diskursen viele Politiker auf einem Quadratmillimeter konsensualer Mitte versammeln, dann wächst im Publikum die Sehnsucht nach echter Haltung. Die bedient Söder seit Jahren. In einer politischen Szenerie der formierten Sprach- und Denkweisen, der glatten Gefälligkeitsinszenierungen kommt er vielen vor wie ein Mann, der ohne Visier und Make-Up seine Sache verficht.

Gezielt gegen den Mainstream positioniert

Söder profitiert also direkt von der übersteigerten politischen Korrektheit einer Republik, die sich häufig in nebulösen, mittigen Gemeinplätzen versteckt, die sich mehrheitskonform dahinbiegt und das verweigert, was immer mehr Menschen von ihr eigentlich wollen: klare Weichenstellungen, Führung durch Haltung, Mut zur Meinung. Sind nicht Adenauers Wiederbewaffnung und Westbindung, Willy Brandts Ostverträge, Helmut Kohls Euro, Gerhard Schröders Agenda 2010, viele historisch weise Entscheidungen der bundesrepublikanischen Geschichte gerade gegen Mainstream, Mehrheit und Mitte durchgesetzt worden?

Zum neueren, konturlosen Republikanismus, der sich am liebsten auf Umfragen stützt und Wahrheiten in diskursiven Konsensen auflöst, ist Söder eine kantige Gegenfigur. Und er profitiert davon, wie andere Politiker auch, die instinktiv erkannt haben, dass man heutzutage weiterkommen kann, wenn man sich gezielt gegen den Mainstream positioniert. Ob Winfried Kretschmann bei den Grünen oder Jens Spahn bei der CDU, ob Emmanuel Macron in Frankreich oder Sebastian Kurz in Österreich – sie alle haben nicht wegen ihrer jeweiligen Meinungen Erfolg, sondern weil sie leidenschaftlich um unbequeme Positionen kämpfen. Diese Form der Autorität schafft zusehends Majorität.

Es ist das Flackern einer Flamme des Autonomen, an dem sich die anderen dann wärmen und orientieren. Identität, Originalität, Eigenheit wirken in einer superstrukturierten Welt der Vollkaskomeinungen wie Donnergrollen aus längst versunkenen Titanenzeiten. Darum hat es Söder nie geschadet, dass er als „Machiavellist”, als Meister von „Schmutzeleien” (Seehofer-Sprech) oder von „Ehrgeiz zerfressen” beschimpft wurde.

Mut zur Ich-Setzung

Das Image des Durchsetzers wurde durch den sichtbaren Überschuss an Willen nur schärfer. Da aber die meisten Politiker ansonsten peinlich darum bemüht sind, ihren Machtwillen zu verbergen und in Verantwortungsfloskeln zu verpacken, wirkte seiner nunmehr ehrlich. Je mehr die anderen als Turteltäubchen der Vorsicht gurrten, desto mehr wurde sein Tigergefauche gehört und geschätzt.

Zum Mut der Ich-Setzung gehört auch Söders außergewöhnliche Selbstinszenierung zur Faschingszeit. Da erscheint er regelmäßig in Politiker-Deutschlands exzentrischster Kostümierung. So verkleidete er sich zur Fernsehsitzung 2012 gemeinsam mit seiner Ehefrau als Punker, ein Jahr später als Drag Queen, 2015 kam er als Mahatma Gandhi, 2016 als Edmund Stoiber und 2017 als Homer Simpson. Wer die Bilder von diesem Karnevals-Söder sieht, der weiß um die Kraft seiner Selbstdarstellung.

Und so bedient er die Sehnsucht vieler Bayern nach einer Willens-Demonstration vom Schlage eines Franz-Josef Strauß. Auch das spürt Söder ganz genau und nimmt zuweilen direkt Bezug darauf. In einem ARD-Interview verwies Söder einmal auf das Vorbild seiner Jugendzeit: „Strauß, dieses Kraftuhrwerk, dieser Titan der Worte, hat mir unheimlich gut gefallen. Ich hatte sogar ein riesengroßes Poster von Strauß, fast überlebensgroß. Ich wohnte bei uns zu Hause unter einer Dachschräge und dort hing dieses Poster. Wenn ich aufgewacht bin, habe ich also an der Decke direkt Strauß angeschaut. Das hat sich in späteren Jahren als gar nicht so einfach erwiesen, wenn dann auch mal eine Freundin da war und die auch Strauß zuerst gesehen hat. Das war nicht immer ganz so einfach. Aber Strauß hat mir wirklich sehr gefallen.” Bis heute. Vor allem dessen Willen zur Macht.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European hier.

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Leserpost

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Thomas Wentingmann / 08.12.2017

Klasse. Fing schon gut an mit “Ein-Mann-Heavy-Metal-Band der Politik”.

Fritz Kolb / 08.12.2017

Ich finde immer gut, wenn jemand seine Meinung vertritt, ohne Politsprech, ohne Genderfanatismus, ohne p.c.-Gelaber. Ich finde immer gut, wenn sich ein deutscher Politiker zuallererst um das deutsche Volk bemüht und dessen Interessen versucht zu wahren. Schlimm genug, das ich sowas überhaupt aufschreiben muss.  Ich finde es ein wenig beruhigend, dass es in der politischen Landschaft noch Leute wie ihn gibt. Mir ist ein politischer Macho weitaus lieber als ein modernes Sowohlalsauch-Weichei.  Bei den Sozen sehe ich so jemanden weit und breit nicht, bei der CDU sind ausser der Großen Vorsitzenden nur noch Angepasste und Höflinge mit politischen Aufgaben betraut. Als in Bayern lebender Mensch wäre ich sehr froh, wenn die CSU wieder einige Positionen der AfD zurückerobern würde. Weil dieses, mit Abstand erfolgreichste Bundesland, eine starke CSU braucht. Wenn das nicht gelingt, wird die AfD die einzige Kraft sein, die der CSU das Regierungsmonopol verhageln könnte.  Marginale Parteien in Bayern wie die Sozen und die Grünen dienen hier allenfalls als folkloristisches Beiwerk. Auch diese Aufgabenstellung hat der Herr Söder klar adressiert.

Gunter Frank / 08.12.2017

Sehr geehrter Herr Weimer, Ihrer Intention stimme ich völlig zu. Widersprüchlich ist jedoch der Begriff Haltung. Er wird heute als Charakterattribut benutzt, ist aber zunächst wertfrei zu sehen, es kommt eben drauf an, welche.  Der aktuelle Mainstream fordert ja gerade eine Politik und einen Journalismus mit Haltung, und welche damit gemeint ist und zu welchen Folgen das führt, ist ja hinlänglich bekannt. Ich würde Haltung deshalb eher als übergeordnete Handlungsmaxime beschreiben. Viele Wähler sehnen sich nicht nach Haltung sondern nach Politikern, die im Sinne Max Webers verantwortungsethisch statt gesinnungsethisch handeln. Dazu gehörte immer schon Verstand und ein Mindestmaß an Anstand.  Heute insbesondre auch Mut und Rückgrat. Markus Söder erscheint diesbezüglich vielversprechend. Bei Jens Spahn wäre ich da sehr vorsichtig. Es grüßt Gunter Frank

Rudolf George / 08.12.2017

In allem ist Söder der Anti-Merkel, denn sie ist das Sinnbild der nichtssagenden Beliebigkeit und prinzipienfreien Politflexibilität. Er dagegen hat einen Standpunkt, vertritt und verteidigt diesen auch, egal was andere davon halten.

Sepp Kneip / 08.12.2017

Eine sehr gute Darlegung Söder’scher Eigenschaften und Eigenheiten. Man kam einfach nicht an ihm vorbei. Sein Mut, sich gegen den Mainstream zu positionieren, könnte einmal innerhalb Deutschlands Verkrustungen aufreißen und auch im Konzert mit der EU und anderen Staaten neue Töne anschlagen. Ich weiß nicht, ober aalglatte Macron ein gutes Vorbild für Söder abgeben sollte. Dann doch schon eher Sebastian Kurz. Ob Helmut Kohls Euro eine wirklich historisch weise Entscheidung war, wage ich im Hinblick auf die derzeitige Situaltion der EU doch sehr zu bezweifeln. Möge Söder vor solch historischen Irrtümern bewahrt bleiben. Es ist zwar sehr nebulös wer Merkels Auftraggeber sind. Söder könnte Merkel aber davon abhalten, ihren Auftrag weiter gegen Deutschland und seine Bürger auszführen. Es geht nämlich über mein Vorstellungsvermögen hinaus, dass eine vom Bürger demokratisch gewählte Kanzlerin aus eigenem Antrieb ihrem Land und dem Bürger, entgegen ihrem Amzseid, derart schaden kann, wie Merkel es getan hat und tut. Es gibt viel zu tun für Söder.

Karla Kuhn / 08.12.2017

Ich kenne viele Menschen, die Söder wollen, eben weil er durchsetzungsfähig und ein Strauß Anhänger ist. Wahrscheinlich wird er auch keinen Achterbahnkurs fahren und Frau Merkel wird ihn sicher auch nicht “entmannen” können. Er ist konservativ und genau diese Mischung lieben seine Anhänger, darunter auch viele junge Menschen. Wahrscheinlich werden viele Grünen ACH UND WEH schreien aber Herr Söder wird seinen Weg gehen. Mit Söder ist die CSU wieder wählbar. “Und so bedient er die Sehnsucht vieler Bayern nach einer Willens-Demonstration vom Schlage eines Franz-Josef Strauß. Auch das spürt Söder ganz genau und nimmt zuweilen direkt Bezug darauf.”  Da muß Söder nicht mal heucheln, sein Vater Ist ein Straußanhänger, er wurde schon früh in diese Richtung geprägt. Und das ist gut so.

Wolf-Dietrich Staebe / 08.12.2017

Humor hat er offenbar auch. Er ist leider nur Mitglied in der falschen Partei.

Dr. Bredereck, Hartmut / 08.12.2017

Sehr geehrter Herr Weimer, ich finde Ihre Charakterisierung und Beschreibung des Erfolgs von Markus Söder als gelungen. Aber wo ist ein “Homer Simpson” in der CDU zu finden ? Gerade dort täte ein “Antimainstream”-Politiker gut, um endlich mal Angela Merkel zu verdrängen. Der von Ihnen erwähnte Jens Spahn scheint es nicht zu sein. Spahn muckte mal auf dem CDU- Parteitag Ende 2016 auf, um gegen den Doppelpass zu wettern, wurde aber sofort von der Kanzlerin zurückgepfiffen. Er schien danach so bedeppert, dass er zu den Bundestagswahlen 2017 keine Alternative zu Merkal sah. Ein „Machiavellist” in den Reihen der CDU ist leider weit und breit nicht zu sehen.

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