Thomas Rietzschel / 22.01.2021 / 11:30 / Foto: Sandro Halank / 48 / Seite ausdrucken

Homeoffice oder: Die Umkehr der Beweislast

Das hätte sich Marx nicht träumen lassen: Eine kapitalistische Wirtschaft, in der sich das Proletariat die Arbeit einteilen kann, wie es Spaß macht, nicht in der Fabrik oder draußen auf der Baustelle, sondern daheim auf dem Sofa am warmen Ofen. Mit der Verordnung zum Recht auf Homeoffice haben die Corona-Regenten alles übertroffen, was die Erfinder des Kommunismus je für möglich gehalten hätten. 

Natürlich kann man heute, anders als im 19. Jahrhundert, manche Büroarbeit am heimischen Küchentisch erledigen, nebenher, während der Brei für die Kinder auf dem Herd warm wird. Das Internet macht’s möglich. Nur, welcher Arbeitnehmer ist schon daran gewöhnt, den Verlockungen des süßen Nichtstuns aus freien Stücken, in den eigenen vier Wänden zu widerstehen, fernab von einem zugewiesenen Arbeitsplatz, ohne die Einbindung in eine Organisation, die den Einzelnen fordert, ohne Vorgesetzte, die ihm Aufgaben zuteilen. Sicher können das manche, die arbeiten dann aber ohnehin schon selbstständig als Unternehmer oder Freiberufler. 

Nicht, dass es den Arbeitern und Angestellten an Fleiß und Einsatzbereitschaft fehlte. Vielmehr fehlt es denen, die sie jetzt zur Heimarbeit verdonnern, an Sinn und Verstand. Sie muten den Lohnempfängern etwas zu, das sie psychisch überfordert, eine Selbstständigkeit, für die sie sich nie entscheiden würden, weil sie lieber geführt und abgesichert arbeiten. 

Arbeit im Raum der Freizeit

Es ist das eine, eine zugeteilte Aufgabe zuverlässig an einem Ort zu verrichten, den man mit der Arbeit identifiziert. Etwas anderes ist es, sozusagen losgelassen ohne Druck tätig zu werden, und das dann auch noch in einer Atmosphäre, die zugleich als der Raum der Freizeit angesehen wird. 

Obwohl sie von der Psychologie noch weniger verstanden als von der Ökonomie, wären nicht einmal Marx und Lenin auf den Gedanken gekommen, sich das Glück des Proletariats von einem solchem Perspektivwechsel zu versprechen. Die Betriebe, in denen sie ihre Arbeitskraft „verkauften“, sollten die Kommunisten an sich bringen, nicht die Werkbank nach Hause schleppen, um sie neben dem Ehebett aufzustellen. 

Erst in unserer wohlstandsverblödeten Gesellschaft konnten Linke, Grüne und schwarz getarnte Ideologen der Faulheit darauf verfallen, mit gleichsam gesetzlicher Wirkung jedermann das Recht zuzusprechen, nach eigenem Gusto zu entscheiden, wie er, wie sie wann und wo wie viel Zeit mit der Arbeit vertun wollen, fernab jeglicher Kontrolle, jedoch bei gleichbleibendem Lohn, versteht sich. Die Dummheit der Idee leuchtet jedem ein, denkt er nur an die Maurer, die Facharbeiter an den Montagebändern der Maschinenfabriken oder die Pflegeberufe.

Mit Silbereisen geht alles besser

Allein, auch das wusste schon Lenin: Besitzlosigkeit macht frei. Und am freiesten sind zweifelsohne jene, die an ihrem Verstand nicht schwer zu tragen haben. Keine Schnapsidee, die ihnen nicht locker über die Lippen ginge. Zugleich mit dem Recht auf Homeoffice haben sie die Beweislast umgekehrt.

Nicht der Angestellte muss Gründe vorbringen, die seinen Anspruch, während der Arbeitszeit daheim zu bleiben, rechtfertigen. Vielmehr ist es nun der Arbeitgeber, der jetzt hieb- und stichfest begründen muss, warum das in dem einen oder anderen Fall nicht möglich sein wird. 

Corona bricht alle Dämme, die der Vernunft ebenso wie die der Arbeitsmoral. Unter Merkels Führung hat sich Deutschland schneller in einen subventionierten „Arbeiter- und Bauernstaat“ verwandelt, als es der Mauerbauer Ulbricht und der Dachdecker Honecker vorhersehen mochten.

Nur ein paar Schritte noch, und das Ziel ist erreicht: die arbeitslose Vollbeschäftigung. Das proletarische Paradies, in dem die Bedürfnisse mehr zählen als die Pflichten, jedenfalls solange die Regale der Supermärkte nicht leergeräumt sind und Florian Silbereisen im Fernsehen für Ablenkung sorgt.

Foto: Sandro Halank CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Martin Krieger / 22.01.2021

Lieber Herr Rietzschel, Ihr Menschenbild ist das eines s.g. X-Menschen. Sie gehen davon aus, dass Leistung nur durch Anweisung und Kontrolle entsteht. Das ist der Stand der 80er Jahre. Urkapitalistische profitgeile Buden wie Microsoft und Google haben längst erkannt, dass autonome Angestellte innovativer sind und bessere Ergebnisse erzielen. Im Fokus steht der Y-Typ, der so, d.h. mit realistischen Zielen und viel Freiheit des “wie”, am besten arbeitet. Lesetip: Gunter Dueck, “heute schon einen Prozess optimiert?” P.s. Der war im Vorstand bei IBM, auch so eine sozialistische Bude…

jonas Jäger / 22.01.2021

Merkel war nie eine Ökonomin. Weder vom Verstand noch von ihren Entscheidungen her. Das Volk bezahlt es mit einem geringen Wohlstand.

paul peters / 22.01.2021

warum arbeiten eigentlich unsere minister und abgeordneten nicht im homeoffice? sie diskutieren über ausgangssperren und sitzen wie selbsverständlich in den talk-show-studios. sie predigen aus ihren kanzleien und ministerien, dass alle zu hause bleiben bzw. ins homeoffice wechseln sollen, und selbst??? merken die es eigentlich noch??? wurden nicht bereits g-gipfel per video-konferenz abgehalten, aber unsere entscheider genießen alle freizügigkeiten und denken sich die nächsten beschränkungen für alle aus - nur nicht für sich selbst. warum begrüßen die talk-größen noch gäste im studio, einzelne werden per video zugeschaltet - warum nicht alle?

Timm Koppentrath / 22.01.2021

Hier scheint jemand von sich auf andere zu schließen. Das Homeoffice ist die Befreiung für Angestellte, ob leitend oder leidend. Unternehmen und Führungskräfte, die Homeoffice immer noch verdrängen wollen, haben ein soziales und psychologisches sowie ein Management-Problem. Diese aussterbende, aber noch häufige Art benötigt die ganzen Angestellten im Büro, damit sie Unterhaltung haben und ihren Kontrollwahn ausleben können. Ebenso fehlt den Führungskräften, die nichts von Homeoffice halten, die Idee wie man ergebnisorientiert führt. Mehr Homeoffice wird zu mehr ergebnisorientierter Arbeit und damit zu weniger sinnloser Arbeit führen oder sinnlose Anwesenheit wird durch Freizeit gefüllt, weil eben hier niemand so tun muß als ob.

g.schilling / 22.01.2021

Ein Buch von H.H. hat den Titel: “Damit Deutschland vorankommt: Kompass für eine progressive Wirtschaftspolitik.” Das will er jetzt wohl in die Realität umsetzten. Wenn Menschen auf dem Sofa am Couchtisch an ihrem Laptop rumklimpern ist das kein Arbeiten. Wenn dann noch die schulbefreiten Kinder am Küchentisch “Homeschooling” (was für ein Scheißwort) durchführen und Kita- oder Krippenkinder sich vor Langeweile auf dem Fußboden rumrollen und die Teppichfransen ablecken dann ist Klein Hubertus glücklich, weil er das <Neue Arbeiten> in Deppenland eingeführt hat.

Karla Kuhn / 22.01.2021

Horst Jungsbluth , Spahn hat 14 Jahre und HEIL 12 Jahre an der Fernuni Hagen “studiert”, WAS bitteschön soll da anderes rauskommen, als was jetzt “rauskommt?” Thomas Brox “Dummerweise wird das links-grüne Paradies an der schnöden Physik scheitern. ”  Wissen die überhaupt was Physik bedeutet?  E. Albert,  Ich bin absolut überzeugt davon, nur, wenn es teilweise so katastrophal umgesetz wird, wie etliche Lehrer/Eltern vom HEIMLERNEN berichtet haben, dann ist “BIG BROTHER” noch weit weg. Und ob Siemens sich dazu hergibt, mit sensiblen Daten, kann ich mir nicht vorstellen. Ich vermute mal SOLCHE Wünsche können offenbar nur von Menschen kommen, die noch nie richtig in einer Firma gearbeitet haben, die in ihrer sehr großen Wohnung sich locker ein Büro einrichten können. Viele Menschen könnn sich nur noch kleinere Wohnungen leisten. Also ich würde Heimarbeit kategorisch ablehen. Ich habe eine Wohnung und kein Büro. Abgesehen davon müßte nicht jeder Heimarbeiter eine UNFALLVERSICHERUNG abschließen ? WIE verhält es sich bei Einbrüchen, wenn der Dieb brisante Daten klaut, zumal nur wenige Einbrüche aufgeklärt werden können ? Der soziale Austausch fällt auch weg. Aber WOZU noch Gedanken machen ? ICH HOFFE, daß der ganze Zirkus nach der Veröffentlichung der WHO und auch wegen dem Impfdesaster, immer mehr TOTE, ALLERGIEN, CORONAAUSBRÜCHE nach der Impfung (Israel )etc. ENDLICH beendet wird. Übrigens das URTEIL von WEIMAR wird Dr. Fuellmich bei der Klage in KANADA offenbar helfen !

tobi schlindel / 22.01.2021

In meiner Behörde wurde das Home-Office konsequent ausgeschlossen. Begründung: Datenschutz, es dürfen keine Akten mit nach Hause genommen werden.

Jürgen Dannenberg / 22.01.2021

Die Formulierung gefällt. Richtig gut. Ich werde sie n meinem Sprachgebrauch einpflegen. :die arbeitslose Vollbeschäftigung.

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