Herr Krämer, Sie sprechen mir aus der Seele.
Anglizismen, für mich ein no go!
Yooo, bro, Amerikanismen sind Bullshit. Aber wenn ich hochscrolle, Verzeihung, hochblättere, sehe ich folgendes Menü der Achse: home: heute: shop: woche: podcast: presseschau: suche: kontakt: patenschaft: autoren: unerhört: media/rss: newsletter. Auch nicht ganz stubenrein deutschtümlich. Zugegeben, so mancher pseudocoole, äh scheinkühle Ausdruck in Winzigweich-Kraftpunkt-Präsentationen macht, daß sich das Mutterbrett in meinem Berechner aufrollt, doch ist die Aufregung darüber auch wieder irgendwie peinlich. Die Franzosen dulden sowas gar nicht und müssen dennoch feststellen, daß ihre Hochsprache auf dem Rückzug ist, auch im eigenen Land. Seit ich arbeite, ist es praktisch nur auf Englisch. In internationalen Branchen ist selbst in deutschen Firmen die Firmensprache Englisch. Sogar auf dem Jakobsweg muß man fast nichts anderes können, aber das am besten halbwegs flüssig, sonst kann man sich mit den Pilgern aus aller Welt nicht unterhalten. Sorry, that’s life, das hindert mich nicht dran, deutsche klassische Literatur zu lieben und auch wirklich zu lesen, und auch die Barberei der klippschulartigen, sogenannten “Rechtschreibreform” nicht mitzumachen. Wer sich da klaglos geduckt hat, sollte keine Belehrungen über gutdeutsche Sprache mehr verfassen. “Home Office” habe ich seit vielen Jahren, nenne es auch so, oder “Heimbüro”. Beides, ohne irgendeinen Untertanengeist, und ohne daß sowas irgendeinen Angelsachsen je interessiert hätte.
Die Deutschen stehen auch auf niedliche Abkürzungen, aber nur wenn sie viel Steuergeld kosten: BAMF, MUFL, SOLI, LAGESO, GEZ, uvm. Damit soll wohl verinnerlicht werden, dass diese staatlichen Kostentreiber nun einfach mal da sind und unvermeidlich oder unabänderlich sind. Zumindest für die meisten Deutschen, die nur eine Zeitung und nur drei Fernsehsender kennen.
Es gibt zwei Sorten von Denglisch - Benutzern: Die eine hat viel mit Englisch zu tun und mitunter keine Lust das deutsche Pendent zu erdenken (das trifft auf mich zu) und die andere Sorte hört sich gerne selber labern und nutzt Denglisch als Schlagwort - Intelligenzverstärker. Und ganz ehrlich: Ich habe in der Technik auf diese monströsen deutschen Terminologien mitunter auch keinen Bock mehr. Aus einem “Signalwegleiterbündel >A<” wird ein schlichtes “signal wiring (see) bundle >A<”. Oder auch gut “Gegenanflug” wow wie hakelig: “downwind” klingt weniger gezollstocklappt, oder “querab” oder “abeam”, dwars klingt schon besser ist aber wohl auch nicht “hoch - deutsch”. Wenn einer kommt und sagt: “gutt moaning (frohes Wehklagen), siss iss Lufthansa XXXX”, das ist auch lustig. Es sind ja meistens Frauen, die so näselnd herumdenglischen oder so provinzielle Hengste aus dem Skiclub mit eigener Firma von Papa geerbt. Man muß das differenzieren. “Getriebeschacht” oder “gear - compartment”, was klingt schöner ? Es gibt technische Beschreibungen von denen kapier ich auf deutsch nach drei mal lesen als nur die Hälfte. “Schraubenkopfabrundungselement, Bauteil #1028” versus: “screw head (plastics) part #1028”. Für Ausländer klingt Deutsch in etwa wie eine weichere Mischung aus Russisch - Arabisch und Zick- Zack - Naht mit Nadellochabstand 0,5 mm. Und die Deutschen ohne täglichen Englischkonsum, die finden sich einfach nur chick, wenn sie sich diesen internationalen Flair verpassen, der sie über die Gemüsesuppe in der Hausmacherküche erheben soll. Das hat den Charme von abgestandenem Knoblauchduft. Juristisches Englisch macht aber keine rechten Spaß, da fehlt der Staub in den Worten, die schon nach Paragraphen odorieren. Wobei Englisch streng genommen ein niederdeutscher Dialekt ist. Das Schweizerdeutsch kennt übrigens auch ein going to future (at Friday). Also ich gehe mal ins “Stubenbüro”.
Abgesehen davon, dass - wie manche es drastisch ausdrücken - die Deutschen (derzeit) ein Volk von Arschkriechern sind und nie eine Revolution erfolgreich durchgeführt haben ( vermutlich aus Mangel an Kleingeld für die Bahnsteigkarten, wie Wladimir Ulianow alias Lenin vermutete ), ist das aber eine Grunderkenntnis der diachronischen Linguistik : In besiegten Staaten übernimmt man ( insbesondere die angepassten. charakterlosen Karrieristen ) viel aus der Sprache der Siegerstaaten. ( Der Fachmann spricht hier von Substrat und Superstrat ). Unsere Freunde und Besieger von jenseits des Atlantik haben ja auch dafür gesorgt, dass Krethi und Plethi Englisch zuhei lernen hatten, und aus dem Wenigen ( und meist Falschen ) was sie davon mitbekommen haben bedienen sich insbesondere jene besonders gerne , die sonst nicht so viel auf dem Kasten haben ( seit ca 20 Jahren besonders häufig vertreten in der schreibenden Zunft ). Daher die grosse Menge der - sehr häufig aus Mangel an Kenntnis falsch gebildeten - Anglizismen. Aber what shall’s - for Germany heisst es ganz klar : “isch over now “! -
In diesem Fall gibt die Muttersprache den Deutschen tiefe Einblicke in ihre Dummheit. Die Fremdsprache schafft sozusagen Distanz zur eigenen Identität - sofern überhaupt eine da ist. (Konotation)
Dazu passt, dass Deutsch - trotz der massgeblichen Bedeutung Deutschlands (vor allem als Zahlmeister) - weiterhin nicht zu den EU-Amtssprachen zählt. Liesse sich durchaus als diskriminierend auslegen, was es wohl auch tatsächlich ist. Das Land lässt sich eben auch sprachlich abschaffen.
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