Giuseppe Gracia, Gastautor / 17.08.2020 / 16:00 / Foto: Pixabay / 14 / Seite ausdrucken

Hofnarren

Früher hielten sich die Kaiser und Könige einen Hofnarren. Dieser durfte, im Kleid des Humors, Dinge sagen, die niemand sonst sagen durfte. Der Hofnarr konnte die Tabus seiner Zeit brechen und der feinen Gesellschaft einen Spiegel vorhalten. Ab und zu kam es dabei zu geköpften oder erdrosselten Witzbolden, doch grundsätzlich galt: Der Hofnarr muss nicht heucheln. Er muss nicht, wie alle anderen, vor der Macht kriechen. 

Inzwischen ist das anders. Die feine Gesellschaft von heute, die Hüter der politischen Korrektheit, machen regelmäßig mobil, wenn ein Hofnarr zu weit geht. Wenn Humoristen und Satiriker es wagen, sich lustig zu machen über die Selbstgerechtigkeit von Antifaschisten, Antirassisten oder Gender-Sensiblen. Wie etwa der Deutsche Comedian Dieter Nuhr, der den Greta-Hype kritisiert und Corona-Maßnahmen-Witze macht, oder die Kabarettistin Lisa Eckhart, die angeblich antisemitische Sprüche klopft: Sie kassieren Shitstorms und werden von Kulturveranstaltern ausgeladen. Sie sind nicht die einzigen. Ein prominentes Beispiel aus den USA ist der Komiker Kevin Hart. Er durfte wegen „schwulenfeindlicher Witze“ die Oscar-Gala nicht moderieren.

Nun kann man Greta- oder Schwulenwitze natürlich für dumm und schädlich halten, wie auch Witze über Behinderte oder über Mohammed. Man kann sich einsetzen für Tabus im Sinn eines emotionalen „Safe Space“ für Minderheiten. Man kann als Kulturbetrieb dafür plädieren, nur noch Witze über anerkannt Böses zuzulassen: Trump, die SVP, Konzernchefs oder überhaupt alle Nicht-Linken. Eine Devise, an die sich bereits viele Schweizer Komiker halten. Man kann eine Gesellschaft als gefährlich empfinden, die ordnungswidrige Witze über Transsexuelle toleriert, über klimahysterische Grünschnäbel oder vegane, mülltrennende Abtreibungs-Feministen. Viel gefährlicher ist jedoch eine Gesellschaft mit einer Moralpolizei, die ihre Tabus auch im Kabarett durchsetzt. Eine Gesellschaft der Sittsamen und Edlen, die mit dem Begriff „Hassrede“ gegen die gefährliche freie Rede kämpft. So lange, bis niemand mehr widerspricht, bis alle feige am Boden rumkriechen.

Im Gegensatz dazu braucht eine freie Gesellschaft freie Hofnarren und Provokateure. Sie braucht ein unverkrampftes, selbstbewusstes Verhältnis zur Satire. Wie es schon der antike Philosoph Epiktet empfiehlt: "Sagt man Böses von dir, und es ist wahr, bessere dich. Sind es Lügen, lache darüber."

 

Giuseppe Gracia (53) ist Schriftsteller, Kolumnist für die Schweizer Zeitung «Blick» und Medienbeauftrager des Bistums Chur. Sein neuer Roman „Der letzte Feind“ ist erschienen im Fontis Verlag, Basel. 

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Harald Unger / 17.08.2020

In der Politik Westeuropas und der USA fand eine Evolution der Negativauslese statt. Zwar ist diesen wichtigtuerischen Kleingeistern die Dimension von Humor und Selbstironie von Natur aus fremd, doch erst in der totalitären Ideologie - Islam, Faschismus, Marxismus - werden die Ablehnung von Humor und Selbstironie zu tödlichen, heute Existenz vernichtenden Herrschaftsinstrumenten. Da eine übergreifende Begleiterscheinung des Totalitarismus die Massen-Infantilisierung ist, ist eine Merkel gleichsam die 13-jährige, die ihre Macht missbraucht, die Fünfjährigen im Kinderzimmer zu tyrannisieren und sich zu Kapos heranzuziehen. Da lacht keiner mehr.

Arnold Warner / 17.08.2020

Wo Narren regieren, sind Hofnarren nicht mehr erwünscht, da gefährlich. Nichts fürchten Narren mehr als die, die sie “Narren” nennen.

Sabine Lotus / 17.08.2020

Hofnarren, Nuhr und Kumpels, pffft. Gehe ich ins Antiquariat, um zu lachen? Die beste Satire -und das seit Jahren- bietet ja wohl Achgut mit seinen Kommentatoren. Die Art und Weise wie diese kleine Blase (wirklich keine Blase Fr@u Johnson? In diesem Fall beglückwünsche ich Sie für Ihr gesundes, ausgewähltes Umfeld) immer wieder mit spitzfindigen Übertreibungen und Geschichtseinlagen mit Realitätsbezug für befreiendes Lachen sorgt, schlägt sogar den Scheibenwischer. Ich finde sogar, die Achse verpaßt hier eine Marktlücke. Aber vielleicht lache auch immer nur ich. Wer weiß...

Dr. Joachim Lucas / 17.08.2020

Kinder und Narren sagen die Wahrheit. Aber der Moralismus ist eine viel zu ernste (und oft blutige) Sache, als dass man darüber schmerzhafte, weil wahre Witze machen darf. Totalitarismus ist immer humorlos, es sei denn man lacht über den Feind oder geht in den Keller. Mit Vergrünten, Korrekten zu reden ist stinkelangweilig. Da bleibt nur das Wetter. Halt, geht auch nicht, da kommt der ganze Klima-Sermon. Besser man läßt es gleich ganz. So mach ich es.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Giuseppe Gracia, Gastautor / 13.02.2024 / 16:00 / 4

Der unbeachtete Bürgerkrieg in Myanmar

Weltweit werden mehr als 250 Millionen Christen verfolgt. Die Liste der Länder ist lang, das Leiden seit Jahren groß, das Medienecho klein. Neuestes Beispiel: Burma,…/ mehr

Giuseppe Gracia, Gastautor / 01.04.2022 / 12:00 / 47

Kulturkämpfer des Wohlstands

Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Handelsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Reisefreiheit. Ob in den USA oder in Westeuropa: Immer mehr politische Bewegungen und Gruppen wollen diese Freiheiten einschränken oder ganz abschaffen.…/ mehr

Giuseppe Gracia, Gastautor / 04.11.2021 / 16:00 / 10

Die ganzheitliche Feministin

Die Bestsellerautorin Birgit Kelle gehört zu den mutigsten Frauenstimmen im deutschsprachigen Raum. Die breite Anerkennung bleibt ihr bislang verwehrt, weil sie den Mut hat, keine…/ mehr

Giuseppe Gracia, Gastautor / 29.06.2021 / 16:00 / 1

„Der Tod ist ein Kommunist“

Im Folgenden geben wir einen Auszug aus dem im Juli erscheinenden Roman „Der Tod ist ein Kommunist“ von Giuseppe Gracia wieder. Nachdem der Schweizer im…/ mehr

Giuseppe Gracia, Gastautor / 28.05.2021 / 17:00 / 18

Ein Gedankenexperiment für den Nahen Osten

Nach Raketenangriffen der Hamas auf Israel erwecken viele Medien den Eindruck, auf der einen Seite dieses Konfliktes stünden militante Palästinenser, die einen Befreiungskrieg führen, und…/ mehr

Giuseppe Gracia, Gastautor / 05.03.2021 / 11:00 / 15

Bier, Klatsch und Antisemitismus

In einigen Ländern Europas nimmt der Hass auf Juden wieder zu, besonders unter dem Deckmantel der Israelkritik. Der Hass kommt von rechten Antisemiten und zunehmend…/ mehr

Giuseppe Gracia, Gastautor / 19.01.2021 / 14:00 / 33

Aus Verschwörungstheorien lernen

Es gibt viele Verschwörungstheorien. Ich kann damit wenig anfangen. Die meisten „Verschwörungen“ erscheinen mir abwegig und paranoid. Außerdem setzen sie etwas voraus, woran ich nicht…/ mehr

Giuseppe Gracia, Gastautor / 09.11.2020 / 17:30 / 25

Terror aus dem Islam

Paris, Nizza, Wien: In den letzten Wochen haben Muslime wieder unschuldige Frauen und Männer aufgeschlitzt, geköpft, erschossen. Seit Jahrzehnten leben wir mit diesem Horror. Seit Jahrzehnten wird Islam-Kritik gleichgesetzt mit Kritik an allen Muslimen. Seit Jahrzehnten ist…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com