Beda M. Stadler, Gastautor / 29.09.2008 / 12:26 / 0 / Seite ausdrucken

Hoffnungslos, aber nicht ernst

Schwarze Löcher, Gentechnik – der Schweizer Bundesrat reagiert mit Panikmache

Der Bundesrat kümmert sich neuerdings nicht nur um Gebiete, in denen gentechnisch veränderte Organismen (GVO) freigesetzt werden dürfen, sondern auch um Gottesteilchen. Dies, weil Professor Otto Rössler, ein Chaosforscher, befürchtet, beim derzeitigen Teilchenbeschleuniger-Experiment am CERN könnte ein schwarzes Loch entstehen. Diese frässe langsam diesen Planeten auf und da das CERN bekanntlich in Genf ist, würden wir Schweizer als Erste gefressen. Sowas trifft natürlich unseren Bundespräsidenten…

Noch im Juli liess der Pressesprecher des eidgenössichen Departements des Innern (EDI) verlauten, Pascal Couchepin wolle einfach hören, was der Chaosforscher zu sagen habe, ohne Hintergedanken und ohne spezielle Ziele zu verfolgen .Unser Bundesrat hat also keine Hintergedanken, wenn jemand den Weltuntergang predigt. Nun, zu dem Treffen ist es nicht gekommen, weil man sich daran gestört habe, dass Rössler und seine Mitstreiter die Einladung Couchepins missbraucht hätten, um Publicity in eigener Sache zu machen.

Die sogenannt eigene Sache ist die gleiche Grundhaltung wie sie von den Galliern in Asterix und Obelix vertreten wird. Sie fürchteten sich davor, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Wie sah aber das Gefahrenszenario in Wirklichkeit aus? Verfolgt man Rösslers Aussagen, droht uns diese, an und für sich schmerzlose, Todesursache erst in ein paar Hundert Jahren. Allerdings ist die Weltuntergangprognose auch von Rössler immer etwas weiter hinausgeschoben worden. Vielleicht bleiben uns noch ein paar Millionen Jahre. Hoffen wir, dies war der Grund, warum „Roi Pascal“ sich über eine Zeitspanne von mehr als tausendjährigen Reichen keine Gedanken machen will.

Der Gentechnik war nie ein Experiment gegönnt, das innerhalb von Monaten ihre Harmlosigkeit hätte beweisen können und die Kritiker ziemlich idiotisch hätte dastehen lassen. Die Gottesteilchen werden allerdings den Gentechnologen schon längst angelastet. Das kleinste Teilchen einer Genmanipulation wird bereits als Eingriff in die Schöpfung bezeichnet. Unsere Gottesteilchen heissen somit „Genmais“ oder „Dolly“. Beim prognostizierten Gau der Gentechnik, wird eben nicht die Welt gefressen, sondern die Dritte Welt ernährt, was unglaublich scheint.

Der Bundesrat scheint aber nicht mehr wirklich an eine Bedrohung durch schwarze Löcher zu glauben. Umso erstaunlicher, dass er mit einer neuen Panikmache daher kommt. Es ist die revidierte Freisetzungsverordnung, die am 1. Oktober in Kraft tritt. Sie regelt nämlich auch den Umgang mit gebietsfremden Pflanzen und Tieren. Es soll verhindert werden, dass sie einheimische Arten verdrängen, weil sie hierzulande keine natürlichen Feinde haben. Dazu gehören die schönen gelben Goldruten, die derzeit an jedem Strassenrand blühen. Unsere führungslosen Soldaten könnten diese doch ausreissen gehen, die Armee hätte zumindest wieder ein klares Feindbild. Weitere Vertreter auf der Panikliste sind der asiatische Marienkäfer, die Rotwangen-Schmuckschildkröte, oder der amerikanische Ochsenfrosch. Warum also die Panikmache? Zu den natürlichen Feinden von Genfood zählt die Mehrheit der Schweizer und für die paar Viecher finden sich sicher ein paar kulinarische Exzentriker.

Die Ironie der bundesrätlichen Hysterie-Ankündigung besteht darin, dass gleichen Tags das Joint Reseach Center (JRC) der EU-Kommission verlauten liess, gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel seien gesundheitlich unbedenklich. Schädliche Einflüsse konnten in keinem Fall nachgewiesen werden. In GVO bestünden nicht einmal Risken durch antibiotische Markergene nach Ansicht des JRC. Nun braucht es jemand, der dies den Konsumenten sagt. Die Frage ist nur, wer das tun könnte. Ein Bundesrat der vor Blümchen, Käferlein und Fröschchen warnt, hat hierbei schlechte Karten. Das Land braucht jemanden der behauptet, Genfood schütze vor schwarzen Löchern.

Der Text erschien zuerst am 21. September 2008 in der NZZ am Sonntag

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