Es ist schmerzhaft zu erkennen, wie viel von dem, was wir tun, unproduktiv ist. Ich will Ihnen ein Beispiel geben. Manchmal, wenn ich mit meinen Studenten über die Zukunft und Karrieremöglichkeiten rede, frage ich „Wie viel Zeit verschwenden Sie? Zehn Stunden am Tag? Sechs Stunden am Tag?“ Die Studenten sollen die Hand bei der Antwort heben, die auf sie zutrifft. Was daran interessant ist: Ich definiere nicht, was „Verschwendung“ ausmacht. Ich stelle nur die Frage. Die Studenten diagnostizieren sich selbst. Ich sage nicht zu ihnen „Sie verschwenden zehn Stunden am Tag“.
Bei „zehn Stunden“ melden sich circa zehn Prozent der Studenten. Bei „sechs Stunden“ sind es dann schon 80 Prozent. Und dann kann man rechnen. Viele Menschen hassen Mathe, aber mir macht Rechnen Spaß. Sechs Stunden am Tag macht 42 Stunden die Woche. Runden wir das auf 40 Stunden – also eine normale Arbeitswoche.
Was ist die Zeit eines Uni-Studenten wert? Ich würde sagen, mindestens Mindestlohn. Aber es muss viel mehr sein, denn wer als 20-Jähriger eine Stunde produktiv arbeitet, hat davon einen lebenslangen Nutzen. In jungen Jahren aufgewendete Zeit hat einen klaren Mehrwert. Also nehmen wir an, die Zeit eines Studenten ist 50 Dollar/Stunde wert. Ich halte das für zu wenig, aber bleiben wir bei dieser konservativen Schätzung. 40 mal 50 macht 2000 Dollar pro Woche. Sie verschwenden also 100.000 Dollar im Jahr!
Wie viel besser wäre Ihr Leben, wenn Sie nicht 100.000 Dollar im Jahr verschwenden würden? In 40 Jahren sind das vier Millionen Dollar. Sie sind reich und wissen es noch nicht einmal. Sie müssen einfach damit aufhören, Dinge zu tun, die (nach Ihrer eigenen Definition!) Zeitverschwendung sind.
Sie schauten sich stundenlang YouTube-Videos an
Wenn ich das sage, schütteln die Menschen den Kopf und sagen „So habe ich es noch nie betrachtet“. Nun ja, Sie sollten es genau so betrachten. Hören Sie auf, Ihr Leben zu verschwenden! Natürlich werden sich die Menschen erstmal dieser Botschaft widersetzen. Wer kommt schon gerne zu der Erkenntnis, dass er die Hälfte seines Lebens verschwendet?
Die Sache ist auch: Menschen hassen es, auf diese Weise Zeit zu verschwenden. Als klinischer Psychologe hatte ich viele Klienten, die chronische Prokrastinatoren waren. Sie schauten sich stundenlang YouTube-Videos an. In der Regel keine besonders hochwertigen. Sie daddelten einfach rum, so wie man das eben macht, wenn man Zeit totschlagen will.
Solche Menschen fühlen sich schlecht. Sie werden depressiv und ängstlich. Aber sie kommen nicht davon los. Sie fühlen sich quasi süchtig und als ob sie innerlich verrotten. Nun ja, kein Wunder. Sie verschwenden ihr Leben. Es ist schmerzhaft, das zu erkennen. Und es ist schmerzhaft, zu erkennen, wie undiszipliniert man ist.
Diese Leute merken: „Ich schaffe es nicht, mich an einen Zeitplan oder an einen Kalender zu halten. Ich habe keine Ziele im Leben. Ich weiß nichts über die Welt.“ Das kann leicht zu Verbitterung führen. Es ist sehr verlockend, zu sagen „Ich habe noch nicht alles erreicht, was ich erreichen wollte, also zur Hölle damit“. Man erkennt in sich selbst das, was der Psychoanalytiker Carl Jung den „Schatten“ nannte. Es ist das, was einen bösartig und nicht vertrauenswürdig macht. Niemand setzt sich gerne mit dieser Seite seiner Persönlichkeit auseinander. Aber die Alternative ist schlimmer.
Dieser Beitrag ist ein Ausschnitt aus eine Interview mit Joe Rogan. Hier geht es zum Original-Video.