Dass ein Kulturmagazin naturgemäß gegen jede Sparbemühung in jedem Kulturetat Stellung bezieht, verstehe ich. Dass dabei kein Argument zu weit hergeholt ist, erwarte ich - leider - auch.
Ebenfalls aus der gestrigen Kulturzeit:
Kulturkahlschlag in Thüringen
Theater und Orchester kämpfen gegen Kürzungspläne der Landesregierung
Zu Goethes und zu Schillers Zeiten gab es in jeder Fürstenresidenzstadt ein Theater. Damals schmückten sich die Landesherren mit der Kultur. Heute wird sie demontiert. In Thüringen kämpfen Theater und Orchester derzeit gegen die Kürzungspläne der Landesregierung. Zehn Millionen Euro weniger sollen ihnen zur Verfügung stehen. Für die Thüringer Philharmonie Gotha/Suhl oder das Theater in Rudolstadt würde das Aus bedeuten.
Beispiel Theater Rudolstadt: Gegründet 1793, zu Goethes Zeiten, kann das Haus auf eine glanzvolle Vergangenheit zurückblicken. Doch heute ist die Residenzstadt vom Verfall geprägt. Viele Menschen sind arbeitslos und ziehen weg. Das Theater arbeitet mit klugen Inszenierungen dagegen an und widmet sich dabei besonders Stücken für Kinder und Jugendliche, die Tabuthemen berühren. So wurde etwa das Thema Selbstverletzung von Schülern in dem Stück “Das Ritzen”, oder der Rechtsradikalismus in dem Stück “Die Welle” thematisiert.
Das soll künftig nicht mehr gehen? Skandal! Denn was würde dann passieren - automatisch, logischerweise und unvermeidlich?
NPD könnte kulturelle Leerräume ausnutzen
Und letzterer ist ein höchst aktuelles Problem in Thüringen. Nur ein paar Kilometer von Rudolstadt entfernt hat die NPD in Pößneck ein ehemaliges Kulturhaus gekauft und zum Schulungszentrum ausgebaut. “In all diesen Kulturdebatten sollte man darüber nachdenken, welche Leerräume, welche kulturellen und sozialen Verödungszonen das - möglicherweise ganz ungewollt, ich unterstelle das niemandem - hinterlässt, in die diese Partei hineinsickert und Fuß fasst”, gibt der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Volker Knigge, zu bedenken.
Bekanntlich haben Theater und die NPD zu über neunzig Prozent dieselbe Zielgruppe. Nachdem die Thüringer Theater jahrelang mit beeindruckendem Erfolg gegen Bevölkerungsschwund und Rechtsextremismus anspielten, mag ich mir gar nicht vorstellen, was geschehen könnte, wenn der Freistaat hier sparte. Ältere Ehepaare machen vor dem geschlossenen Theater auf der Ferse kehrt und gehen noch in Abendgarderobe auf die Hatz nach Ausländern. Rastalockige Erfurter Philosophiestudenten greifen in ihrer Verzweiflung zu Langhaarschneider, Band und Mütze. Das Lumpenproletariat im Plattenbau verfällt dem Alkohol, wenn zwischen “Marienhof”, “Verliebt in Berlin”, “GZSZ” und “DSDS - Das Magazin” nicht mehr Schillers “Kabale und Liebe” im Theater lockt.