Thomas Rietzschel / 25.05.2020 / 10:00 / Foto: achgut.com / 25 / Seite ausdrucken

Hochamt der bürgerlichen Gesellschaft

Ginge es nach den Veranstaltern, dürfte ich kein Wort über die Demonstration der „Querdenker“ am vergangenen Samstag in Darmstadt verlieren. Eine vorab verlangte „Erklärung“, in der ich mich „verpflichten“ sollte, „wahrheitsgemäß, unparteiisch und vollständig zu berichten“, war von mir nicht unterzeichnet worden.

Also tummelte ich mich sozusagen illegal in der Menge und bekam gleich zu Beginn der Kundgebung von einem der querdenkenden Hauptleute, dem aus Stuttgart angereisten Michael Ballweg, zu hören, dass er niemandem, der die „Erklärung“ nicht unterschrieben habe, ein Interview geben werde – niemals, nirgendwo. Kein Beinbruch, dachte ich nach dieser mutigen Absage. Was hätte mir einer wie dieser sagen können. 

Offenbar braucht noch die sinnvollste Bewegung ihre aufgeblasenen Alpha-Tierchen. Zu melden haben sie viel, zu sagen meist wenig. In Darmstadt jedenfalls sind die Demonstranten Bürger genug gewesen, selbst für ihren Protest einzustehen. Sehr viele Jüngere, Familien mit Kind und Kegel, auch Ältere, ein Querschnitt der situierten Mittelschicht hatte sich auf dem Meßplatz am Rande der Innenstadt versammelt. Manche waren aus Wiesbaden und von weiter noch angereist.

Verlaufen statt unterlaufen

Die Radikalen indes, rechte und linke, von denen es heißt, sie würden die Corona-Proteste unterlaufen und den ideologischen Ton angeben, mussten sich diesmal verlaufen haben. Auf der Darmstädter Kundgebung fielen sie weder optisch noch rhetorisch auf. 

Durchweg unmaskiert hatten sich ein paar hundert Männer und Frauen zu einer „Mahnwache für das Grundgesetz“ versammelt. Weil sie die Nase voll haben von der Einschränkung ihrer Grundrechte durch den Staat, sind sie auf die Straße gegangen. Einer trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „Wir wollen keine DDR 2.0“. Andere hielten Plakate hoch, auf denen stand: „Hände weg vom Grundgesetz“, „Für Meinungsfreiheit und Diskurs“ oder „Zuerst stirbt die Wahrheit, dann die Freiheit“.     

Mit lokalem Bezug wurden erstens „Neuwahlen bereits im Oktober 2020“ und zweitens die umgehende „Aufhebung der Einschränkung der Grundrechte durch den hessischen Landtag“ gefordert. Die Demonstranten wussten, wovon sie sprachen. Viele hatten das Grundgesetz unterm Arm, auf mehreren Tischen lag es aus. Jedermann, der nicht politisch betrogen weiterleben wollte, konnte sich ein Exemplar mitnehmen. 

Der Protest war so massiv wie eindeutig, die Demonstration so friedlich wie offen. Die Redner entlarvten nicht bloß die Bundesregierung und die Landesfürsten, indem sie aufzeigten, welche Ängste da geschürt wurden, um die Grundrechte auf dem Corona-Altar zu opfern. Sie sahen auch, welches Exempel damit für die Zukunft statuiert wurde. 

Ein Hochamt der bürgerlichen Gesellschaft

Der als Gastredner geladene Leipziger Anwalt Ralf Ludwig warnte ausdrücklich davor, die Verantwortlichen jetzt einfach so davonkommen zu lassen. Indem sie sich – aufgeschreckt durch die bundesweit ausgreifende Bewegung der Querdenker – plötzlich beeilten, eine „Lockerung“ nach der anderen zu verkünden, um bald schon das Gras des Vergessens über ihre Machtanmaßung wachsen zu lassen, habe sich die Notwendigkeit des Protestes keineswegs erledigt. 

Denn könnten sich die fraglos überforderten Politiker – nicht nur die deutschen – diesmal noch halbwegs unbeschadet aus der Affäre schwindeln, würde es an ein Wunder grenzen, wenn sie bei nächster Gelegenheit, einer Klima- oder sonstigen Naturkatastrophe, nicht wieder auf die Idee verfielen, die Grundrechte kurzerhand über Bord zu werfen, um herrschen zu können, ohne dass man ihnen auf ihre Unfähigkeit kommt.

Wer die Darmstädter Kundgebung der Querdenker besuchte, dem wurde klar: Man muss noch nicht alle Hoffnung auf eine Gesundung der Demokratie fahren lassen, trotz Merkel in Berlin und Bouffier in Wiesbaden. Zu erleben war ein Hochamt der bürgerlichen Gesellschaft. Umso befremdlicher wirkt es dann aber auch, dass sich die Veranstalter berufen fühlten, die Journalisten vorab disziplinarisch zu belehren. Wofür halten sie sich und wofür halten sie uns? Glauben sie wirklich, sie müssten uns das Grundgesetz um die Ohren hauen, damit wir bei ihrer „Wahrheit“ bleiben? 

So kann man sich den Weg in die Öffentlichkeit selbst verbauen. Sektierer tun das gerne. Hinter den Querdenkern aber stehen vernünftige Bürger. Und auch ein paar Journalisten, die sich nicht für den verlängerten Arm Gottes halten.

Foto: achgut.com

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Dr. Ralph Buitoni / 25.05.2020

Es ist absolut richtig, Herr Rietzschel, die Journalisten vorab über ihre eigentlich auch von Gesetz her vorgesehene Rolle des neutralen Berichterstatters zu belehren, zu ermahnen, ja sogar mit Konsequenzen bei Verletzung der Sorgfaltspflicht zu drohen. Denn der Journalismus - nicht nur in Deutschland, sondern der ganzen “westlichen”, angeblich freien Welt - ist zu einem linksradikalen Hetz- und Diffamierungsorgan der Regierungen und Herrschenden verkommen. In keinem anderen Milieu denn im medialen zeigt sich die tyrannisch-verbrecherische Allianz zwischen internationalem Großkapital und einer kommunistisch-sozialistisch gestimmten Nomenklatura so deutlich. Beide eint eine primitive, menschenverachtende Leitvorstellung von “Globalismus”, die klar von einer multipolaren, vielstimmigen und demokratischen Globalisierung als eines würdigen Austauschs und der Arbeitsteilung gleichberechtigter, selbstbestimmter Menschen unterschieden werden muss. Die Hetze gegen die Grundrechte-Demos der letzten Wochen haben endgültig eine eindeutige Sprache gesprochen. Und endlich hat sich der regierungsamtliche Kampf “gegen Rechts” selbst zur Kenntlichkeit entblößt - als eines Kampfes gegen die Freiheit und selbstbestimmende Würde der Menschen.

Michael Sachs / 25.05.2020

Was es braucht ist ein Aufstehen gegen diese beginnende Merkel DDR Diktatur, diese Frau hat ihr Leben lang nicht anderes gelernt, Calvin u. Kommunismus eine unheilige Allianz, wenn da nichts passiert wird diese FDJ Sekretärin zum 5. Mal Kanzlerin, das überlebt diese Demokratie nicht. Wenn man überlegt mit welcher Frechheit u. Arroganz diese CDU Mischpoke das Verfassungsgericht niedermachte, da muß man feststellen das es bereits 5 nach 12 ist, für Frau Merkel gibt es keine Verfassung, sie ist die Verfassung, siehe Kemmerich, Migration u. andere Verfassungsbrüche so fing es auch in Weimar an plötzlich kam Hitler dann das Ermächtigungsgesetz plötzlich hatten wir eine aDiktatur übelster Sorte u. wer glaubt Merkel sei besser der wird wohl enttäuscht werden, die Frau ist eiskalt.

Ferdinand Katz / 25.05.2020

Ich bin geneigt Ihnen zu glauben Herr Rietzschel. Allerdings kommt es aus meiner Sicht nicht befremdlich daher dass man sich versucht auf irgendeine Weise vor ihren weniger seriösen Kollegen zu schützen. Dafür haben diese ideologisch verbrämten Spatzenhirne zu viel Schaden an der Glaubwürdigkeit ihrer Zunft angerichtet und verdienen zumindest einen saftigen Hieb hinter die Löffel. MfG

Sabine Lotus / 25.05.2020

Aluhut statt Geßlerhut!

Wolfgang Kaufmann / 25.05.2020

Solche Zustände hätten China am Tian’anmen und in Hongkong nicht besser einfallen können: Berichte nur gegen die Verpflichtung, die offizielle Sprachregelung zu beachten. Freie Rede heißt: ein freies Wort und dein Platz wird frei. – Mit dieser Einschränkung des Grundrechts auf Pressefreiheit diskreditiert sich diese Gruppe von selbst. Egal was auf deren Fahnen steht, von der Struktur her ist es Gleichschaltung. – In ihrer Märchenwelt lieben die Deutschen eben die Harmonie über alles. Braun, rot oder grün, Hauptsache harmonisch. Und wer nicht spurt, dem werden wir die Flötentöne schon beibringen. Same procedure as every time.

Ulla Schneider / 25.05.2020

Ich denke, Herr Rietzschel, Sie waren als Journalist nicht persönlich gemeint, wenn es auch den Anschein ergab. In einer hochemotinalen Stimmung findet immer ein Collateralschaden, auch in Richtung ihres Berufes oder gerade der, statt. Die Menschen, leider nur wenige, wehren sich ob der Staatsfunkinfiltrationen. Sie sollten doch wissen, Zeitung auf   ....... Tätätätä, Zeitung….. zu, Fernsehapp.  an ........tätätätä  .... Knopf aus. Dafür Alternative Internet ....unterschiedlich viel ..... Knopf an. Vielleicht hätten Sie sagen sollen, dass Sie FREI schreiben. FREI .... heute ein großes Wort. Diese Wochen “Regierungsberichterstattungen” zeigen doch schon die Gräben. Gott sei Dank. Vanillepudding als Einheitsbrei ist zuviel.

Bernd Ackermann / 25.05.2020

Herr Rietzschel, können Sie sich den Frust und die Wut der Organisatoren vorstellen, die eine solche Veranstaltung planen, mit der Presse sprechen und anschließend in den “staatstragenden” Medien als Spinner und Neonazis hingestellt werden? Diese “Verpflichtungserklärung” war wohl eher ein unbeholfener Versuch diese Art von “Journalisten” an ihre Aufgabe zu erinnern, das galt sicherlich nicht Ihnen. So schreibt z.B. das lokale Käseblatt in seiner Online-Ausgabe zu einer Demo am 13. Mai (20 Teilnehmer, umringt von 30 Linksextremisten): “Der Marburger Rechtsextremismusforscher Professor Benno Hafeneger warnt im OP-Gespräch vor einer „unheimlichen Dynamik“ dieser deutschlandweit stattfindenden Demos gegen die Corona-Beschränkungen. Es handele sich dabei um ein Gebräu von Verschwörungstheoretikern, Reichsbürgern, Esoterikern und Impfgegnern – teils aus der Mitte der Gesellschaft. Hafeneger befürchtet, dass die Proteste eine Entwicklung nehmen könnten wie Pegida.” Jetzt stimmen Ihre Beobachtungen so gar nicht mit denen des Herrn Professors (der u.a. für die Friedrich-Ebert-Stiftung arbeitet und für die Junge Welt schreibt) überein. Natürlich gibt es keine Stellungnahme der Organisatoren, keinen anderen “Experten” der eine andere Sicht hat - wie soll man sich aus der Sicht der Veranstalter also gegen diese Verunglimpfungen wehren?

Wilfried Cremer / 25.05.2020

Seit kein Blatt Papier mehr zwischen Merkel und den MS-Journalismus passt, ist der Versuch am Menschen Politik. Die dürfen machen, sie darf bleiben, geil ist das für beide.

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