Während und nach dem Ersten Weltkrieg wurden nach Ansicht vieler Historiker rund 1,5 Millionen Armenier im Osmanischen Reich systematisch ermordet. Die türkische Regierung versucht bis heute, diese hohe Opferziffer zu diskreditieren und spricht von gewalttätigen Auseinandersetzungen, die keinen bewussten Völkermord darstellten. Eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung stützt nun die Sichtweise der Mainstream-Geschichtsforschung.
Nach Angaben des Wissenschafts-Newsportals „EurekAlert!“ hat der Experte für den armenischen Völkermord Professor Taner Akçam von der amerikanischen Clark University zwei Briefe analysiert, die dem osmanischen Beamten Bahaettin Shakir zugeordnet wurden, und festgestellt, dass diese authentisch sind. Bahaettin Shakir war Chef der paramilitärischen Organisation Tekilât-ı Mahsusa, die vom sogenannten Komitee für Einheit und Fortschritt (KEF) gegründet wurde und für die Ermordung der Armenier verantwortlich war. Das KEF war von 1908 bis 1918 mit kurzer Unterbrechung die de-facto Regierungsmacht im Osmanischen Reich. In den Briefen vom 3. und 7. März 1915 ging es laut „EurekAlert!“ um eine Entscheidung des KEF, „alle Armenier in der Türkei auszulöschen“. Der Regierung habe man in dieser Angelegenheit „weitgehende Entscheidungsbefugnisse“ erteilt.
Laut „EurekAlert!“ hat Professor Akçam auch frühere Dokumente analysiert, die eigenständige Entscheidungen der Tekilât-ı Mahsusa, gegen die Armenier vorzugehen, dokumentierten. „Die Briefe zeigen, dass es eine bewusste Entscheidung gab, die armenische Bevölkerung im Osmanischen Reich auszulöschen. Außerdem gab es damit verbundene Entscheidungen, die der finalen Entscheidung vorausgingen“, zitiert „EurekAlert!“ den Historiker.