„… so kann ich hier nicht ferner hausen“ – dichtete einst Schiller im Ring des Polykrates. Meinte er schon damals moderne Business-Hotels? Nicht nur bei der Energiewende – auf die Welle der grünen Weltverbesserung ist eine ganze Schar von Herbergs-Trittbrettfahrern aufgesprungen, die damit ihren Profit auf Kosten der Kunden maximieren wollen. Weltverbesserung geht im Kleinen bei der „Willkommenskultur“ im Hotel los. Deutschland steht vor einem Hotelservice-Abgrund, aber Schweden ist schon einen kleinen Schritt weiter.
Die Schweden werden ganztägig rundum zum richtigen weltrettenden Verhalten geschubst – oder genudged – wie es modern heißt. Und wer wüsste besser als die Grünlinken, was richtig ist? Ich will mich gar nicht darüber echauffieren, dass man sich in Schweden vor lauter politischer Korrektheit nur noch über Fußball unterhalten kann. Und dabei habe ich doch nicht die geringste Ahnung von Fußball.
Schon bei der Ankunft im Business-Comfort-Hotel schwant dem Gast Übles. Da prangt an der Außentür von manchem großen Businesshotels in Schweden ein lustiges Sparschwein, das auf einem Skateboard im Münzenregen surft, mit der Aufschrift: „Dies ist ein bargeldloses Hotel“. Man kann in einem solchen Etablissement nicht mal eine Tüte Erdnüsse mit Bargeld bezahlen.
Bargeld ist in Schweden schon fast abgeschafft. Der Spiegel schreibt:
„Nur noch 19% aller Bezahlvorgänge werden in Schweden bar abgewickelt. Selbst der Klingelbeutel in Kirchen funktioniert ohne Münzklingeln: Kein Land ist bei der Abschaffung von Münzen und Banknoten so weit wie Schweden. Es gibt Toilettenkabinen, die mit dem Handy bezahlt werden müssen. (Wer die Swish-App nicht hat, darf sich gerne einpinkeln). Kein Kleingeld dabei für den Obdachlosen? Kein Problem. Beim Obdachlosen Johan in Malmö kann man auch swishen. Der Straßenzeitschriften-Verkäufer zeigt der Passantin ein Schild mit seiner Swish-Nummer. Sie zückt ihr Smartphone, öffnet die Bezahl-App, tippt die Nummer ein, überweist Johan 60 schwedische Kronen“. Busfahrer, Parkautomaten, Geschäfte, Restaurants, Tankstellen – kaum jemand nimmt in Schweden noch Bargeld an.
Nicht nur bargeldlos, sondern auch völlig servicelos
Datenschutz beim Steuern zahlen gibt es ja schon lange nicht mehr. Man mag sich gar nicht vorstellen, was der Staat oder die Banken mit den Bezahl- und Bewegungsprofilen der bargeldlosen Bürger so alles anstellen können. Wer keine Kreditkarte oder internetfähiges Smartphone hat, wird an den Rand gedrängt. Was passiert bei einem Stromausfall? Und wer bezahlt die Gebühren, wenn die Banken erst einmal das große bargeldlose Monopol errichtet haben?
Also rein ins bargeldlose Hotel. Es ist nicht nur bargeldlos, es ist auch völlig servicelos. Wer erinnert sich noch? Früher wurde dem Gast bei der Ankunft im Hotel mit dem Gepäck geholfen. Das war einmal. Es fängt mit der Abwesenheit einer funktionierenden Rezeption an – keine Willkommenskultur für die Gäste. Wie bei einer Airline werden die Kunden genötigt, ein Selbstbedienungs-Check in – Terminal zu benutzen und sich mit einer zickigen Software rumzuärgern. Eine Hostess schwirrt herum und versucht, dem Gast diesen Serviceverlust schmackhaft zu machen und am Terminal zu beschulen. Man bezahlt das Zimmer bargeldlos in Selbstbedienung im Voraus und muss sogar die Zimmerschlüsselkarte selbst codieren. Frech wird behauptet: „Dies ist mehr Service für die Gäste, weil Wartezeiten entfallen“. Dass Wartezeiten nur entstehen, wenn die Rezeption chronisch unterbesetzt ist, ist den Hoteliers entfallen. Heute wartet der Gast statt vor der Rezeption vor dem Terminal.
Beim Codieren des Zimmerschlüssels erklärt die Hostess den Gästen die aktuelle Weltrettung der Beherbergungsindustrie:
„Wir räumen Ihr Zimmer gerne auf, aber wir lieben es noch mehr, für UNICEF zu spenden. Wir reinigen also Ihren Raum nur noch auf Anforderung. Jedes Mal, wenn Sie NICHT zwischen 10:00 und 18:00 die Reinigung anfordern, spenden wir Geld für unser Sweet-Dreams-Projekt für die armen Kinder“.
Übersetzt heißt die kulleräugige Bettelei: „Wir würden gern mit Ihrem Geld Gutes tun und nebenbei dafür sorgen, dass ein Großteil bei uns hängenbleibt“. Wer der jungen Dame erklärt, dass er zwischen 10:00 und 18:00 Uhr arbeitet und trotzdem den Raum gern gereinigt hätte, wird schmollend und augenrollend notiert.
„Schütze den Planeten – benutze Dein Handtuch mehrmals“
Natürlich ist der Raum am nächsten Tag nicht gereinigt und es gibt auch keine frischen Handtücher. Beim Duschen in schwedischen Hotels wird gern mal das ganze Badezimmer geflutet, weil die Schweden keine Duschwannen mögen und der Abfluss oft teilverstopft ist. Da liegen dann die Handtücher patschnass auf dem Fußboden. Dafür funktioniert der Fernseher über das brüchige WLAN immer nur minutenweise.
Sollte der Gast intervenieren – was schwierig ist, weil er niemanden zum Beschweren findet – verspricht eine andere Hostess, dass der Raum ganz bestimmt morgen gemacht wird. Leider bleibt auch das oft ein leeres Versprechen. Die Hotels haben wohl das Personal für den normalen Room-Service eingespart und setzen das Personal zur Rettung der armen Kinder ein. Gereinigt wird nur noch bei Gastwechsel. Der Gast kann sich ja frische Handtücher an der Bar erwinseln.
Im Spiegel des Badezimmers kann man sich kaum sehen, so vollgepflastert ist er mit freundlichen Aufforderungen, durch Einsparungen von diversem weiterem Hotelservice die Welt zu retten. „Schütze den Planeten – benutze Dein Handtuch mehrmals“. Übersetzt: „Wir sparen den Wäscheservice und damit Kosten ein“. Vernunft kehrt sich hier ins Gegenteil, denn leider vergisst das Hotel oft, eine Möglichkeit zum Handtuchtrocknen anzubringen. Und in der Präsidentensuite hat man ganz und gar vergessen, diesen Sticker anzubringen.
Der nächste Spiegel-Aufkleber zeigt einen tropfenden Wasserhahn und sagt: „Trink mehr Wasser, das Leitungswasser ist frisch, klar und trinkbar“. Übersetzt: „Wenn Du Durst hast, trink aus dem Hahn, denn wir stellen Dir kein Mineralwasser hin – wegen Plastikmüll – und haben auch die Minibar eingespart“.
Dieser Aufkleber beißt sich ein wenig einem anderen Aufkleber: „Spare mit Wasser – für den Planeten“. Übersetzt: „Reduziere unsere Wasserrechnung“.
Eine Drückerbande im grünen Tarnanzug
Das kleine Zauberwort „bitte“ fehlt auf allen diesen Aufforderungen. Und auch der Zimmerpreis spiegelt in der Regel nicht so richtig den abwesenden Service. Aber Hauptsache, es ist für eine gute Sache.
Im Hotelzimmer finde man dann irgendwo die Erklärung für die ganze Misere. In dem Berg Werbeprospekte liegt ein bunter Werbezettel für die Hotelkette mit dem fröhlichen Motto: „Pushing for change because WE CARE“.
Linguee übersetzt das Wort „pushing“ mit: drücken, drängen, schieben, schubsen, treiben, drängeln, rempeln… Der Werbezettel heißt also übersetzt: „Wir sind eine Drückerbande im grünen Tarnanzug, weil wir so besser für unseren Profit sorgen und uns dabei noch gut fühlen können“.
Eine Beschwerde macht wenig Sinn. Der Serviceabbau folgt nämlich dem Zeitgeist. Eine schwedische Kollegin erzählt im Vertrauen, sie hätte sich nicht getraut, die Zimmerreinigung zu verlangen. Das wäre doch unangemessen, wegen der armen Kinder.
Schweden ist schon ein bisschen weiter als Deutschland auf dem Weg in eine grün-sozialistische Gesellschaft, mit allen ihren Facetten. Und Hotelgäste in Schweden wissen jetzt, was einen Gutmenschen von einem guten Menschen unterscheidet. Der gute Mensch vollbringt gute Taten mit seinem eigenen Geld. Der Gutmensch vollbringt gute Taten mit dem Geld der Anderen.