Manfred Haferburg / 21.12.2024 / 14:00 / Foto: JKremona / 24 / Seite ausdrucken

Hilfe für die Dunkelflaute: Neues französisches AKW am Netz

Die Franzosen haben sich ein teures, aber sehr nachhaltig nützliches Weihnachtsgeschenk gemacht. Den Kraftwerks-Neubau Flamanville 3. Für die französiche Kernenergie dürfte Deutschland bei der nächsten Dunkelflaute dankbar sein.

Am Freitag, dem 20.12.2024  ging, von deutschen Medien ziemlich unbemerkt, endlich der neue Reaktor Flamanville 3 als 57. Reaktor Frankreichs erstmalig ans französische Stromnetz. Dies ist der erste Kernkraftwerks-Neubau in Frankreich nach einer Pause von mehr als 20 Jahren. Es ist auch ein Sieg über die Bestrebungen der sozialistische Regierung von Françoise Hollande in Frankreich, die nach dem Jahre 2015 aus der Kernenergie aussteigen wollte und eine Halbierung der Kernkraft bis 2030 plante. Heute sind die Franzosen froh, sich damals anders entschieden zu haben, nämlich dann, wenn sie die Energiepolitik und deren Folgen in Deutschland sehen. Nun planen sie eine Verdreifachung der Kernkraft bis 2050.

Das Kraftwerk Flamanville 3 ist vom Typ her ein Europäischer Druckwasserreaktor (EPR), eine Entwicklung von Framatom, an dessen Entwicklung auch Siemens bis zum Atomausstiegsbeschluss im Jahre 2011 beteiligt war. Am 18. März 2011 verkaufte Siemens seinen Anteil an Areva NP für 1,62 Milliarden Euro an den Mutterkonzern Areva. 

Das EPR-KKW ist eine Weiterentwicklung des Konvoi-Reaktortyps, zu dem auch die letzten deutschen KKW gehörten, die vor eineinhalb Jahren abgeschaltet und nun zerstört werden, obwohl sie noch problemlos 30 Jahre hätten Strom produzieren können. Flamanville wird zwei Millionen Haushalte mit Strom versorgen, dazu werden sicherlich auch deutsche Haushalte gehören. Die Stromimporte aus Frankreich haben sich im Vergleich zu 2023 mehr als verdoppelt. Insgesamt konnte EDF 2024 seinen Stromexport von 340–360 TWh im letzten Jahr auf  358–364 TWh in diesem Jahr steigern.

Ab Frühsommer volle Leistung

Es wird davon ausgegangen, dass Flamanville 3 mindestens 60 Jahre, also bis zum Ende dieses Jahrhunderts zuverlässig Strom produzieren wird. Die Konstruktion gilt als der sicherste und leistungsstärkste Reaktortyp der Welt.

Mit 1.600 MW ist Flamanville 3 der stärkste Reaktor des Energieversorgers EDF und stellte einen Prototyp dar. Die Bauzeit verzögerte sich um 12 Jahre, und die Kosten vervierfachten sich auf 13 Mrd Euro. 4.500 Änderungsanträge wurden während der Bauzeit gestellt, genehmigt und eingebaut. 

Die Anlage soll im Frühsommer dieses Jahres nach dem Probebetrieb ihre volle Leistung erreichen. Frankreich hat den Bau von sechs weiteren EPR beschlossen und plant darüber hinaus acht weitere KKW. Die Anlagen sollen an schon bestehenden Kernkraftwerks-Standorten gebaut werden. Für die 56 älteren Reaktoren arbeitet EDF durch diversen Modernisierungen an der Verlängerung der Laufzeit auf 60 Jahre. In Frankreich gibt es keine Kohlekraftwerke. Der CO2-Abdruck des französischen Stroms ist achtmal niedriger als der deutsche. Dadurch sind auch die Kosten der CO2-Besteuerung für Strom in Frankreich minimal, zumal Frankreich auch einen vergleichsweise hohen Anteil von Wasserkraft besitzt. 

Es gibt weltweit nunmehr vier in Betrieb befindliche EPR-Reaktoren – Olkiluoto in Finnland, Flamanville 3 in Frankreich und Taishan 1 & 2 in China. Zwei weitere EPR sind im vereinigten Königreich in Hinkley-Point im Bau. Auch im finnischen Olkiluoto verzögerte und verteuerte sich der Kraftwerksbau erheblich. Lediglich die beiden EPRs in chinesischen Taishan gingen in der geplanten Zeit und mit den geplanten Kosten ans Netz. Dies weist darauf hin, dass die Kostenexplosionen von Kernkraft-Baustellen in Europa zu großen Teilen nicht KKW-Technologie spezifisch, sondern einer aus dem Ruder gelaufenen Bürokratie geschuldet sind. Verzögerungen und Kostenexplosionen sind ja auch bei anderen Großprojekten wie dem Flughafen BER, dem Bahnhof Stuttgart und dem neuen Bundeskanzleramt an der Tagesordnung. 

Die nächste Dunkelflaute kann kommen

Solche Großprojekte schaffen es oft nicht, den immer schneller steigenden Änderungen der ökologischen und sicherheitstechnischen Anforderungen durch die europäische und nationale Bürokratie zu folgen. So müssen zum Beispiel beim Bau des Flughafens BER gerade neu fertiggestellte Brandschutzanlagen wieder herausgerissen und neu gebaut werden, weil sich die Brandschutzvorschriften geändert haben. Oder beim Bau des kürzlich verschrotteten neuen Steinkohle-Kraftwerks Moorburg in Hamburg mussten die gerade gebauten Abgasreinigungsanlagen komplett neu gestaltet und errichtet werden, weil die Abgasgrenzwerte behördlicherseits erheblich verschärft wurden.

Die Inbetriebnahme des KKW Flamanville 3 ist auch eine gute Nachricht für die deutschen Energiewender – die nächste Dunkelflaute kann kommen, Frankreich hat ein neues KKW.

Dazu passt auch diese Meldung der Wirtschafts Woche: "Wie Deutschland wollte die Schweiz weg vom Atomstrom. Der Bau neuer Anlagen wurde verboten. Das will die Regierung nun kippen".

 

Von Manfred Haferburg und Klaus Dieter Humpich ist soeben  in der Achgut-Edition das Buch 

Atomenergie – jetzt aber richtig

erschienen. Das Nachwort stammt von dem Wissenschaftsphilosophen Michael Esfeld. Sie können es hier in unserem Shop bestellen

Zum Inhalt des Buches: Es ist keine Frage ob, sondern lediglich wann „die dümmste Energiepolitik der Welt“ (wallstreet-Journal) - in Deutschland euphemistisch „Energiewende“ genannt - beerdigt wird. Und was dann? Überall auf der Welt werden längst wieder die Weichen für die Kernenergie gestellt, CO2-frei wie bisher, aber intelligenter, resilienter, mobiler und preiswerter als je zuvor. Die Atomenergie kann auch hierzulande der Nukleus für einen neuen Wohlstand sein, auch diese Einsicht wird sich unter der Last des Faktischen durchsetzen. Die beiden Energieexperten Manfred Haferburg und Klaus Humpich analysieren den deutschen Irrweg und zeigen Wege aus der Sackgasse. Dieses Buch ist ein Almanach der Vernunft  für alle, die in Deutschland erfolgreich wirtschaftlich tätig sind und damit fortfahren wollen.

 

Manfred Haferburg wurde 1948 in Querfurt geboren. Er studierte an der TU Dresden Kernenergetik und machte eine Blitzkarriere im damalig größten AKW der DDR in Greifswald. Wegen des frechen Absingens von Biermannliedern sowie einiger unbedachter Äußerungen beim Karneval wurde er zum feindlich-negativen Element der DDR ernannt und verbrachte folgerichtig einige Zeit unter der Obhut der Stasi in Hohenschönhausen. Nach der Wende kümmerte er sich für eine internationale Organisation um die Sicherheitskultur von Atomkraftwerken weltweit und hat so viele AKWs von innen gesehen wie kaum ein anderer. Im KUUUK-Verlag veröffentlichte er seinen auf Tatsachen beruhenden Roman „Wohn-Haft“ mit einem Vorwort von Wolf Biermann.

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Leserpost

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Daniel Rödding / 21.12.2024

Flamanville 3 könnte uns bereits pünktlich zu Weihnachten gut helfen. Denn es droht ja gerade schon wieder die nächste Dunkelflaute. Mal schauen, ob wöhrend der Feiertagssaison überall bei den Stromnetzbetreibern überhaupt genug Leute arbeiten werden, um das alles korrekt zu handhaben. Früher war ja sichergestellt, dass an allen wichtigen Stellen wirklich auch Leute saßen, und es auch Redundanz gab. Aber ist das auch heutzutage noch gegeben? Oder ist die “work-life balance” inzwischen wichtiger?

Werner Lischka / 21.12.2024

@Gottschalk - der Import von Uran aus RU ist schlicht eine Frage des Preises. Liefern könnten auch Afrika oder noch besser Kanada. Dort gibts sowohl die Vorkommen als auch die Brennstoffabriken von GE. Theoretisch könnte auf D liefern - hätte man nicht den größten Uran-Tagebau Europas einfach zugeschüttet. @Ostrovsky: Wir Österreicher sind nicht so dämlich real bepreisten AKW-Strom zum Füllen unserer Pumpspeicher zu verwenden. Wir nehmen da vieeeel lieber den Gratis- oder negativ bepreisten Grünstrom aus Deutschland. Ist doch ein tolles Geschäft - für die Abnahme des Spitzenstroms aus D gibts Geld und nach versiegen des Winds oder in der Nacht kann man die Speicher leeren und kriegt jeden geforderten Preis. Was tun wir nicht alles, damit sich unsere Nachbarn in der Sonne des Klimaschutzes aalen können….    

PALLA Manfred / 21.12.2024

. . . und schön auch, daß der Werte AUTOR “endlich” mal die GESAMT-Zahl der franz. REAKTOREN nennt !?! - mühe mich selbst seit Jahren in allen Foren dazu ab, just die “56” (Sechs-und-Fünfzig) “AgierendeN” ins Bewußtsein zu hieven !?! + + + und hier “nochmals” mein UR-Alt-Spruch: - > Die SiegerMächte (WK II / 1945) haben den DEUTSCHEN (BRD/DDR) die EINHEIT (1990) echt NICHT geschenkt - folglich KERN-Kraft aus FRANCE sowie “Gerd”-GAS aus OST (just plus US-LNG) !?! - dazu mußte die BRD (neu) zunächst “ent”-KOHLT und “ent”-KERNT werden !?! - dies konnte “man” dem VOLK aber NUR mit dem LUFT-und LICHT-“str.-oem.-ung.-s.”-FIRLEFANZ v e r k a u f e n !!??!! + + + erste Promoter Anfang der “90er” waren H. Scheer (SPD/Solar) und R. Polenz (CDU/Wind) !?! - > DA haben die GRÜNEN noch FRÖSCHE über die STRASSE g e t r a g e n !!!  ;-)))

A. Ostrovsky / 21.12.2024

@Bernd Gottschalk : >>...und woher kommt der Brennstoff ?... natürlich importiert vom sanktionieren, pösen Putin aus Russland, genauso wie es auch die Amerikaner für ihre Kernkraftwerke machen…<< ## Uran stinkt nicht. Beim Uran sind die alle Partner. Das beweist, dass die die Deutschen unten halten, und das mit Erfolg. Zitat: “Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das deutsche”

A. Ostrovsky / 21.12.2024

@giesemann : >>Proterozoikum<< sind die nicht alle ausgestorben? Woher wollen Sie es dann wissen? Hörensagen? Muster ohne Wert! Von dem Plutonium ist jedenfalls nichts mehr da. Und das ganze Proterozoikum ist röchelnd krepiert, als der Komet mit seinem giftigen Schweif ... Und preppen konnten die damals noch nicht. Der Bunkerbau war noch in der Anfangsphase.

Klaus Keller / 21.12.2024

Aktuelle Zahlen der EDF. Stromproduktion aus KKW im Vergleich zum Vorjahr. Nov 2023: 27.6TWh. 2024: 33.0TWh +19.7%. Jan - Nov 2023 : 288.9TWh Jan - Nov 2024: 325,1TWh + 12,5%. In F gibt es u.a. noch die Produzenten Engie (23,64% Staatsbesitz) und Veolia. Letztere kennt man in D aus dem Entsorgungsbereich. Total(energies) will künftig auch im Stromgeschäft stärker mitmischen.

A. Ostrovsky / 21.12.2024

@Walter Weimar : >>Als überzeugter Grüner sollte man im Katastrophenfall seine Sicherungen rausdrehen<< ## Ich denke, die fliegen von alleine raus.

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