Ich sitze, nichts Böses ahnend, im Zug, als ich von einem ARD-Team überfallen werde, das filmt, wie ein vorgeblicher DB-Mitarbeiter meinen 3G-Status kontrolliert.
Um Viertel vor 8 stand ich am Nürnberger Hauptbahnhof, denn ich hatte vor, nach Berlin zu fahren. Ich bin verstrahlt, weil ich zu wenig geschlafen habe. Entsprechend war ich orientiert, entsprechend gut war meine Laune. Und als dann der Zug kam und ich im fast leeren Wagen Platz fand, wunderte ich mich nur kurz, dass der ICE vier Minuten vor der geplanten Zeit abfuhr.
Die Verwirrung löste die Anzeigetafel auf. Ich saß im falschen Zug. Ist das denn die Möglichkeit! Und noch ehe ich mich selbst verfluchen konnte, stand ein wohlgelaunter, sowie bis in die Haarspitzen motivierter Zugbegleiter vor mir, der mich mit einem „Guten Morgen“ begrüßte, das enthusiastischer kaum hätte klingen können.
Ich erklärte dem Herrn meine Malaise und siehe da, in Windeseile präsentierte er mir die völlig kostenfreie und simple Lösung: Ich solle bis nach Frankfurt fahren und dann einfach einen ICE in Richtung Berlin nehmen. Dann druckte er mir die sogenannte „Auflösung der Zugbindung“ aus – damit die anderen Kontrolleure keine Fragen stellen konnten.
Dass aus den vier Stunden geplanter Zugfahrt nun sieben Stunden wurden – geschenkt. In Leipzig herrschte in meinem Abteil, in dem noch zwei oder drei Fahrgäste saßen, plötzlich eine diffuse Unruhe. Eine Frau huschte an mir vorbei. Anschließend noch eine Frau. Danach ein Mann mit einer Kamera und ein Mann mit einem Mikrofon. In Sekunden besprachen sie etwas Unverständliches vor der Kamera, ehe ein Herr neben mir stand, der offenkundig etwas von mir wollte. „Ja, bitte?“
„Guten Tag, es gilt in diesem Zug 3G“, sagt er streng und mir war klar: Die wackelige Internetverbindung kann der Mann, der wie eine DB-Sicherheitskraft gekleidet war, nicht meinen. „Und ich möchte gerne Ihren Nachweis sehen.“ Ich stutzte kurz und tippte auf meinem Handy herum, ehe ich dem strengen Mann mein Zertifikat zeigen konnte. Als ich meinen Kopf nach rechts drehte, sah ich, wie der Mann mit der Kamera den Vorgang filmte und der Mann mit dem Mikrofon den Ton aufzeichnete.
„Wer sind Sie?“, fragte ich den Mann mit dem Mikrofon. „Wir sind von der ARD und filmen für die Tagesschau (oder Tagesthemen) Extraausgabe“, antwortete er, als wäre es das Normalste der Welt. „Ich möchte nicht, dass mein Gesicht gezeigt wird“, stammelte ich den Herrschaften völlig überfordert entgegen. „Keine Sorge, man sieht nur das Handy“.
„Da, schaut her! Sie kontrollieren wirklich!“
Doch ehe ich noch irgendetwas sagen konnte, verschwand die Bande, so schnell, wie sie aufgetaucht war. Das ganze dauerte keine 20 Sekunden. Als wenige Minuten später der mobile Kiosk vorbeischaute und mir für 3,30 Euro ein handwarmes Bitburger (0,33) verkaufen wollte, wurde mir klar: Ich bin tatsächlich am Morgen in den falschen Zug eingestiegen. Und ich wurde von der ARD kontrolliert, ob ich im ICE „getestet, genesen oder geimpft“ bin. Der Moderator von Jonathan Frakes, „X-Factor. das Unfassbare“, würde sagen: „Diese Geschichte ist wahr. Da haben wir Sie nicht auf den Arm genommen!“
Im Nachhinein sind mir viele Sätze eingefallen, die ich hätte sagen können. Aber ich wurde völlig überrumpelt. Nicht von RTL II, sondern vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Diese engagierte Teamwork zwischen Staat, Deutsche Bahn und ARD hatte vor allem den Zweck, Bilder für die Propaganda in den Nachrichten zu produzieren. Nach dem Motto: „Da, schaut her. Sie kontrollieren wirklich. Lasst euch impfen, sonst kommt der strenge Mann! Sonst gibt es Repressionen.“
Zieht euch warm an. Der Winter kommt.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Neomarius.
Beitragsbild: Urmelbeauftragter CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

@Ralf Pöhling: Die wollen auffallen, ein Exempel statuieren, getreu dem Motto: “Sehet her! Wenn Iehr nicht gehorchet, so werdet Iehr gestellt an den oeffentlichen Pranger!” // Niemand will sich öffentlich angeprangert, gedemütigt sehen. Mir wäre dat schietegal: ich stehe zu dem was ich bin und zu meinen Werten. Wer anders darüber denkt und meint, mich verurteilen zu dürfen: ich habe ihm nicht die dafür nötige Kompetenz erteilt. Alles Andere, so sie denn funktioniert, wird juristisch belangt werden. Wo keine Justiz mehr vorhanden ist im demokratischen Sinne, da darf man sich fürderhin nicht mehr über Selbst-Justiz wundern.
@ D. Schmidt. Ich kann Sie verstehen. Es würde aber nichts nützen. Sie würden es damit nur in die heute show schaffen. Mit einem satirisch daherkommenden, in Wirklichkeit aber zynischen Kommentar des Moderators würden Sie als Querdenker-Idiot dargestellt werden. Da kann man auch noch mit ein wenig Bearbeitung des Materials nachhelfen, die Sie aus ungünstigem Blickwinkel darstellt und Ihre Lautstärke ins Groteske überzeichnet: Typ Hitler-Geschrei. Und die zugespielten Lacher im Publikum der Show geben Ihnen dann den Rest. Nazi-Volldepp eben. Keine Chance. Ist leider so.
Ich hätte mich auch überrumpeln lassen - die Täter gehen ja gezielt taktisch vor, sind geschult. Nun bin ich gewarnt - auch vor Kontrolleuren. Ich hoffe, dass ich den Mut habe, einen Kontrolleur, der meinen gelben Passierschein sehen will, um Einblick in seinen eigenen zu gewähren - und/oder mir seinen Ausweis zu zeigen und nicht nur obrigkeitshörig wegen des Kärtchens um seinen Hals oder an der Jacke Papiere vorzulegen, in die sonst nur echte Amtspersonen Einblick haben dürfen. Das Schlimme ist - wenn ich nur verbalen höflichen Widerstand in Form von Sand im Getriebe (Günter Eich?) leiste, werden sich -zig Menschen noch intensiver über ihr Schmartfohn beugen und vermutlich erleichtert serin, wenn die Friedensstörerin zur weiteren Klärung aus der U-Bahn /dem Bus gebeten wird. Ich habe da - meine Mitmenschen betreffend - keinerlei Illusionen (mehr).
ich kann jedem nur das 5,- euro teure Büchlein: Karl 2050 von Sandra Kristin Meier empfehlen. “Satirische Dystopie” steht auf Seite 3. Inzwischen hat die Realität die Satire fast komplett eingeholt…
Man reißt alten Leuten die Mütze vom Kopf um das Gesicht mit dem Ausweis abgleichen zu können. 3G-Kontrolle in Leipzig, Buslinie 131, Richtung Rückmarsdorf, Mittwochabend. Kein Fernsehteam in der Nähe.
Na, noch mal Glück gehabt, dass Sie als folgsamer Untertan auch doppelt oder dreifach gewachst waren und ihren Ariernachweis samt Passierschein sofort ohne Unterlass zur Hand hatten. Ehrlich währt eben am längsten.
Überall U-Boote. Und das nicht nur in der Bahn. Das eigentliche Problem an der Sache ist, die halten sich für schlau und fallen doch spätestens nach den ersten 2-3 Sekunden sofort als U-Boot auf. Wenn nicht durch die Optik, dann durch das Gesagte. Und durch die dabei ablaufende Gestik und Mimik. Kein Lügendetektor ist besser und präziser, als der geschulte Blick ins Gesicht des Gegenübers. Wie man nicht sofort auffällt und die Rolle überzeugend spielt, müssen die noch lernen.