Die Szene ist skurril. In einem YouTube Video sieht man den Bischof Thomas Muthee in der Kirche, in der die Gouverneurin Sarah Palin getauft wurde. Er spricht zu der Glaubensgemeinde und es wird für Sarah gebetet. Sie hat ihre Augen andächtig geschlossen und hält die Handflächen nach oben um die Fürbitte zu empfangen. Zwei Männer legen ihr die Hände auf die Schulter. Der Bischof tigert um die drei herum und fleht: „Im Namen Jesus, lass ihr finanzielle Mittel zukommen und wende jede Art der Hexerei von ihr ab.“ Die Fangemeinde der Vizepräsidentschaftskandidatin glaubt somit wortwörtlich an Gottes Lohn und an Hexen…
War das ein einmaliger Ausrutscher? Nein am 20. September 2008 kehrte der kenyanische Hexenjäger-Bischof nach Wasilla zurück und flehte noch inniger: “Oh-raba-saka-tala. Betet, betet! Raba-sandalala-bebebekalabebe. Shanda-la-bebebeka-lelebebe. …lasst uns diese Nation in das heilige Reich bringen.“ Was immer das bedeuten mag, es verletzt jegliche menschliche Vernunft, aber anscheinend keine religiösen Gefühle.
Bei uns werden nämlich bereits religiöse Gefühle verletzt, wenn ein Plakat mit der Aufschrift: „Der Mensch ist frei geboren!“ - Jean-Jacques Rousseau - http://www.konfessionsfrei.ch, in Bussen oder Trams aufgehängt werden soll. Diese drei Zeilen stehen auf einem mit Wölkchen versetzten blauen Himmel. Sonst nichts. Die BERNMOBIL, die Thuner und die St. Galler Verkehrsbetriebe haben das Plakat mit der Begründung abgelehnt, es könnte die Gefühle von religiösen Menschen verletzen. BERNMOBIL hat doch noch eingelenkt das Plakat aufzuhängen, mittlerweile war es aber zu spät. In St. Gallen argumentierte hingegen Stadtrat Fredy Brunner, man wolle in den städtischen-Bussen «nicht für Gottlosigkeit werben».
Es schliesst sich der Kreis, der religiöse Fundamentalismus rückt näher. Der gleiche Stadtrat zitiert nämlich einen Predigt-Beitrag (weiss Gott von wem) auf seiner Homepage: „…Dazu braucht es Wirtschaftsführer und Politiker, deren Worte wahr sind, die Dienen, statt sich zu bedienen, die Recht gewähren, statt sich Rechte herausnehmen…“ In einer Art Vorsehung beschreibt Stadtrat Brunner, wie er zu dienen gedenkt. Wie ein ebenda angeprangerter Politiker nimmt er sich das Recht heraus, eine Information zu unterbinden, die für etwa dreissig Prozent unserer Bevölkerung gedacht war. So viele Konfessionslose gibt es nämlich in der Schweiz. Diese Leute sind übrigens der Meinung, Religionsfreiheit bedeute ebenfalls die Freiheit, keine Religion zu haben. An Hexen und andere fliegende Frauen glauben Konfessionslose wohl auch nicht.
Wer sich ob solch skurriler Begebenheiten in Amerika und bei uns wieder im Mittelalter wähnt, der sei getröstet. Der Humanismus ist trotzdem auf dem Vormarsch. Man kann dies messen. Die Anzahl Hexenverbrennungen hat drastisch abgenommen. „Gott sei Dank“ führt Gottlosigkeit nicht mehr zum Scheiterhaufen, nur noch zum Plakatverbot.
Zuerst erschienen in der Berner Zeitung Kolumne am 25. Okt. 2008