Heute ist wieder Ostmullen-Dienstag

Der Ostmullen-Dienstag scheint ein neuer inoffizieller Feiertag auf Social Media zu sein. Frauen stellen sich vor die Kamera und lipsyncen. Sie sind jung, attraktiv, einige tätowiert oder gepierct und – das Wichtigste: Sie sind ostdeutsch. 

Lipsync ist an und für sich nichts Neues auf Social Media. Fast jeder, der einen TikTok-Account besitzt, hat es schon mal ausprobiert. Immerhin braucht man kein Gesangs-Talent, wenn man einfach nur vor der Kamera tanzt und seine Lippen synchron zu einem Lied bewegt (wie hier). Auch die Attraktivität lässt sich mit Hilfe von Filtern auf ein neues Level heben. So erscheint die Haut glatter und ebenmäßiger, das Licht wird verbessert, und die Augen werden hervorgehoben.

Den Ostmullen ist gemeinsam, dass sie sich offen als „rechts“ geben und die Lieder, zu denen sie die Lippen synchron bewegen, rechts sind (wie hier und hier) – auch, wenn sich in den Kommentaren gern gestritten wird, ob das auch tatsächlich der Fall ist, wenn es sich beispielsweise um den kritisch beäugten Song „Deutschland“ von Rammstein handelt (hier). Doch selbst wenn es bei der Perfomance nicht um einen Song der Böhsen Onkelz geht, kompensieren die „Ostmullen“ diesen Fauxpax mit ihrem Erscheinungsbild, zum Beispiel in Shirts mit einschlägigem Fred-Perry-Logo und passenden Emojis wie dem Adler oder der Deutschlandflagge.

Mittlerweile erzielen sie so viel Aufmerksamkeit, dass sogar „Die Welt“ das Phänomen beleuchtet und einen Auszug aus dem Podcast „News Core: Politik bis Popkultur“ veröffentlichte. In dieser Folge mit dem Titel: „Ostmullen und Chicken Jockey“ unterhielten sich Imke Rabiega und Julian Theilen über das Social-Media-Phänomen. Die Audio-Redakteurin Imke Rabiega meint dazu:

„Das sind junge Mädchen, deren Videos sich genauso gut als Schminktutorial entpuppen könnten. Viele sind noch wirklich sehr jung, sehen maximal aus wie 15 oder 16. Wenn man die Videos dann anklickt, wird man ein bisschen überfallen von der provokanten und aggressiven Attitüde. Man erkennt dann auch beim näheren Hinschauen typisch rechte Codes. Sie tragen zum Beispiel Lonsdale, Helly Hansen, Alpha Industries, New Balance oder Fußball-Shirts mit einem Adler drauf und haben dann auch die typischen einschlägigen Emojis im Profil stehen, also das Adler-Emoji und die Deutschlandfahne zum Beispiel.

Erinnerungen an meine Schulzeit

Mich erinnern die Ostmullen vor allem an eins: meine Kindheit und Schulzeit. Denn die Ostmullen existieren nicht erst seit diesem Social-Media-Trend. Viele erinnern mich an Mädchen, die in meiner Schulzeit als cool galten, bis sie die ersten Herausforderungen auf ihrem Lebensweg zu bewältigen hatten. Einige brachen die Schule ab, wurden früh Mutter und standen dann als Alleinerziehende vor Herausforderungen, die ihnen wenig Raum für gesellschaftlichen Aufstieg ließen. Schon damals genossen sie einen eher ambivalenten Status – dieser spiegelt sich jetzt in der digitalen Welt wider.

Die Optik und die Darstellung wurden jetzt nur auf ein neues Level gehoben, indem sie online vermarktet werden. Warum sie das nicht vorher getan haben? Ganz einfach: Weil sie es nicht konnten. Social Media bestanden zu meinen Schulzeiten noch aus Facebook und Schüler CC. Hätte es Lipsyncen damals schon gegeben, wäre das wahrscheinlich genauso schnell populär geworden.

„Rechtssein“ wird im Osten ganz anders wahrgenommen als im Westen Deutschlands. Insbesondere die Frauen, die aus einer ostdeutschen Kleinstadt oder vom Dorf kommen, dürften wenig gesellschaftliche Schwierigkeiten zu erwarten haben. Und an dieser gesellschaftlichen Anschlussfähigkeit orientieren sich viele Frauen nach meiner Erfahrung gern. Wer glaubt, es als Nachweis werten zu können, dass der Osten „rechter“ wird, der hat nie die Pause in den 2010ern auf einem sächsischen Schulhof verbracht.

 

Marie Wiesner, Jahrgang 1999, arbeitet in der Redaktion der Achse des Guten.

Foto: Screenshot X (bearbeitet)

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Leserpost

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Matthias Ditsche / 22.04.2025

Schön, daß sich die Mädels aus Schlesien und Danzig so darstellen. Gibts davon auch eine mitteldeutsche Variante, Sachsenmädels wären auch ganz hübsch, wenn ich so zurückdenke.

Sabine Ehrke / 22.04.2025

Prima Mädels, eben keinen nationale, sozialistische Genossen*inninen!

Jürgen Frohwein / 22.04.2025

Mal ganz dumm gefragt: was ist denn eigentlich eine “Mulle”? Und was das Influenzerunwesen generell angeht: was da von Bewohnern aus den Altbundesländern im Netz geboten wird ( durch die Enkel darauf aufmerksam gemacht)  ist zum fremdschämen und schlimmer. Kopfschüttelnd ab…

Bernhard Freiling / 22.04.2025

@Wolf Hagen # Das ist er, der springende Punkt: “......weil Gestalten, wie die Grünen, dort keinen Marsch durch die Institutionen hinlegen konnten”. # Den Ossies wurde der Sozialismus aufgezwungen, ohne von der Mehrheit je wirklich verinnerlicht worden zu sein. Aufmucken wurde von der Staatsmacht, wie 1953, im Keim erstickt. Dabei ging es weniger um die “persönlichen Freiheiten”, als vielmehr um “Wohlstand”. # Die Wessies wurden seit Ende der 1960er Jahre zunehmend - durch den erfolgreichen Marsch durch die Institutionen - auf links gedreht. Der Glaube, “(demokratischer) Sozialismus” bringe grenzenlose Gerechtigkeit, wurde erfolgreich in allzuviele Hirne implantiert. Was ohne Zweifel eine agitatorische Meisterleistung war und noch immer ist. Aber: Je mehr Menschen ihr hart erarbeitetes Einkommen mit Sozialschmarotzern teilen müssen, je mehr dadurch bei immer mehr arbeitenden Menschen “deren Wohlstand” reduziert wird, umso anfälliger wird “das Volk” für einen Regimewechsel. # Vielleicht werden dieses Mal die Wessies von den Ossies gerettet. Mit der 1. AfD-Regierung im Osten ergäbe sich die Möglichkeit, den ÖRR zu beerdigen. Was ein Meilenstein in der Befreiung der Bürger darstellen könnte. # Im Gegensatz zur “Klimakatatastrophe” läuft hier tatsächlich die Zeit ab. In mehrfacher Hinsicht. 1. durch Deindustrialisiering und Veramung und 2. durch zunehmende Islamisierung.  Wessen Pferde werden schneller sein?

L. Bauer / 22.04.2025

Hier wird einfach weiter irgendein Stuss verbreitet, den jemand anderes schon irgendwo abgeschrieben hat. Ost, rechts, Codes und bissl doof. Nur über sowas wird geschrieben, wenn es um den Osten geht. Mal irgendeinen wertungsfreien und vorurteilsfreien Bericht über junge intelligente Frauen, in interessanten Berufen und Karrieren, zuviel verlangt selbst von weiblichen Schreibern. Dabei gibt es die in Ostdeutschland immer noch zu Hauf und meistens auch noch mit gesundem Menschenverstand ausgestattet. Und dann noch dieser Wessibegriff Ostmullen! Niemand im Osten hat jemals und auch heute nicht seine Freundin als Mulle bezeichnet. Dieses Wort gibt es im ostdeutschen Sprachgebrauch überhaupt nicht! Über den anderen Unsinn mit irgendwelcher Bekleidung und vor allem noch die Supererkenntnis die Deutschlandflagge ist rechts, da kann man nur noch mit dem Kopf schütteln. Da fällt mir echt nichts mehr ein!

Jörg Themlitz / 22.04.2025

Och nee, rechts? Rammstein die Band für revoltierende Vorstadthausfrauen und für die Zeitungen im Warteraum. Frei.Wild “Wir schaffen Deutsch.Land”, Vorige Woche in der Autobahn Raststätte, n-tv. “Die rechtsextreme Giorgia Meloni…”, Im Vergleich… Gibt es ein Eigenschaftswort jenseits von linksextrem, um den Polizisten Zusammenschläger Joschka Fischer auf n-tv Niveau zu charaterisieren? Selbst wiki kann da nichts schön schreiben. ...und die Akten bleiben verschwunden. Gibt es noch Maßstäbe? Oder doch ganz demokratisch… Das Gesetz bin ich ! Der Herr ohne Schulabschluss, ohne Berufsabschluss, erheblichen geistigen und körperlichen Schwankungen unterliegend, sah sich auf einer Veranstaltung “Westfälische Friedenskonferenz” genötigt, über die geistigen Fähigkeiten Alice Weidels herzuziehen. Dieses Elaborat wurde vom DDR Fernsehen 2.0 gesendet. Es sah aus, wie die Versuche einiger Mitarbeiter beim DDR Fernsehen 1.0, in der DDR Endphase, die Schäbigkeit der Regierigen der DDR Bevölkerung vor Augen zu führen. Fazit, es ist dem DDR Fernsehen 2.0 gelungen.

U. Prengel / 22.04.2025

Erinnert ein wenig an die sog. “Trad Wifes”, eine Strömung, die von linken Kreisen argwöhnisch betrachtet wird. Entspricht es doch so gar nicht den linken Vorstellungen, dass Frauen sich in der Rolle der - vereinfacht formuliert - Hausfrau und Mutter wohl fühlen. Eine Doku darüber (aus offensichtlich eher “linker”, im Selbstverständnis emanzipierter Sicht) hat mich mal wieder fassungslos hinterlassen, denn das jemand ein komplett anderes Lebenskonzept als das Linke haben kann, kommt in Wokistan nicht vor. Mal wieder ein Beleg dafür, dass die aus linker Sicht mit Nachdruck eingeforderte Toleranz und Nachsicht an der linken Grenze aufhört und von Links EBEN NICHT geleistet wird!

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