Herbert Ammon, Gastautor / 29.10.2018 / 06:25 / Foto: Pixabay / 39 / Seite ausdrucken

Hessen: Im Tale grünet Hoffnungsglück

Vermutlich geht’s in Hessen weiter mit Schwarz-Grün, mit Al-Wazir unter Ministerpräsident Bouffier. Aber das ist nicht die relevante Frage. Auf lange Sicht entscheidend ist auch nicht, wie lange es noch weiter geht mit Merkel und der großen Koalition (GroKo). Bedeutsam ist vielmehr die Frage, wie es politisch weitergeht im deutschen Parteienstaat und kulturell-sozial in der deutschen Gesellschaft.

Die Zeit der "Volksparteien" ist – entgegen allen Beschwörungen seitens der CDU-Spitzen – vorbei. In der SPD setzt sich diese Erkenntnis bereits allmählich durch. Dagegen wollen jetzt die Grünen dank ihrer – westdeutschen – Wahlerfolge und Umfrageergebnisse "Volkspartei" werden. Diese Selbstdarstellung ist nicht völlig falsch, denn das junge Volk wählt grün.

Grün ist schick, da Umweltbewusstsein nichts kostet, da man grüne Landschaften und "Kulturen" dank Billigflügen am besten an noch unbebauten Stränden, auf Skipisten, allgemein im global village genießen kann. Hierzulande kann man guten Gewissens gegen den Landfraß und für die Landschaftsverschönerung durch umweltschonende Windräder sein. Wer es über entsprechende Studiengänge in die gehobenen Einkommensgruppen geschafft hat, quartiert sich mit oder ohne Partner/in, mit oder ohne Nachwuchs in innerlichkeitsgeschützten Wohnvierteln (etwa Prenzlauer Berg) ein.

Eine gewisse Konkurrenz besteht für die Grünen seitens der "Linken", da diese außer der sozialen Gerechtigkeit auch die Umwelt und die "offene Gesellschaft" entdeckt hat und überdies über eine aktivistische ("kämpferische") mit hoher Moral ausgestattete Jungmannschaft verfügt. Katja Kippings Eifer spricht der jugendfrischen Moral aus der Seele, Riexinger beherrscht noch die Rhetorik des Klassenkampfes fürs linke, mehr männliche Gemüt.

Jenseits der grünen Glücksverheißung

Das Problem für die "Linke" liegt bei Sahra Wagenknecht und ihrer stärker realitätsbezogenen Bewegung "Aufstehen". Sollte sich aus dieser "Bewegung" so etwas herausbilden wie die "Cinque Stelle" – mit einwanderungskritischer Tendenz –, hätte nicht nur die Linke, z.T. auch die AfD im "Osten", nicht zuletzt die SPD ein Problem. Als Partei wäre die stolze, "älteste Partei Deutschlands" dann endgültig am Ende.

Ein nicht minder großes Problem als die SPD hat die CDU, wie an der am hessischen Wahlabend nach Altersgruppen sortierten Statistik der CDU-Wählerschaft abzulesen ist. Die Zukunft, die Jugend, gehört nicht mehr zum Reservoir der einst mächtigen, unter christlichem Signum firmierenden "Volkspartei". Das junge Volk identifiziert sich mit jugendfrischem Grün. Frage: Umfasst der Begriff "Jugend" auch die permanent anwachsende junge Bevölkerung mit "Migrationshintergrund", und welche politischen Präferenzen – außerhalb oder jenseits der grünen oder "linken" Glücksverheißung bilden sich dort heraus?

Bleibt die ungeliebte, von Bouffier soeben erneut – neben der "Linken" – aus der guten Gesellschaft der Demokraten ausgeschlossenen – Formation der AfD. In den jüngsten Umfragen hat sie die SPD überflügelt und konkurriert um Platz drei mit den erfolgreichen Grünen. Ob sie – nach den jüngsten Worten ihres Spitzenmannes Meuthen – von CDU und FDP am Ende doch noch als "bürgerlicher" Bündnispartner akzeptiert wird, steht dahin.

Für die politische Zukunft Deutschlands und Europas wird sein, wie die Eliten – in Brüssel, in Paris und in Berlin – mit der bereits bestehenden Problematik der Einwanderungsgesellschaft und dem anhaltenden Einwanderungsdruck umzugehen gedenken. Wie die absehbar wachsenden innergesellschaftlichen – und außenpolitischen – Spannungen sich parteipolitisch und/oder koalitionär niederschlagen, ist für diese grundlegenden Fragen von geringerem Belang. Letztlich ist es auch nur noch von minderer Bedeutung, ob und wann Angela Merkel, die Haupt-, nicht Alleinverantwortliche für die derzeitige Lage, nach der für die beiden "Volksparteien" deprimierende Hessenwahl als Kanzlerin endlich abgelöst wird.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Herbert Ammons Blog.

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Leserpost

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Markus Hahn / 29.10.2018

@ Dietmar Blum Richtig. Die Bologna-Reform ersetzte Bildung durch Aneignung von Fakten und Haltung. Beides vorgegeben durch eine dominant linksgrüne Pädagogenschaft in Schulen und Planungsstellen. Die Kompetenz zur Ausbildung einer eigenen, kritischen Urteilsfähigkeit ist mittlerweile selbst in Gymnasien oder Universitäten zumeist unerwünscht. In jeder Schule hängen propagandistische Banner, wie ich sie bis vor einiger Zeit nur aus der ehemaligen DDR kannte.

Simone Robertson / 29.10.2018

Dass die Jugend heutzutage Grün wählt, da kann sie nichts für. Sie sind halt traumatisiert, weil sie seit frühester Kindheit in den Betreuungs- und Lehreinrichtungen des Landes entsprechend geformt wurden. Mit Erfolg, wie man sieht. Man muss die Linken Parteien eigentlich beglückwünschen… so gut hat das noch in keiner Diktatur geklappt…

Walter Neumann / 29.10.2018

Laut Untersuchungen wählt nur noch bei den über 70-Jährigen eine Mehrheit die CDU. Die Zukunft dieser Partei liegt demnach in der Gruft. Was für eine berauschende Aussicht für eine einst erfolgsverwöhnte Partei. Außerhalb des Friedhofs ist alles bunt. Als böser Mensch muss ich da an das Bild von dem kleinen weißen Jungen (oder Mädchen) denken, dass Frau Steinbach einst postete: “Und woher kommst Du denn ?”

Dietrich Herrmann / 29.10.2018

Die Grünen sind einfach nur die Abstauber-Partei, ihre Pseudo-Stärke resultiert aus der Schwäche von CDU und SPD. Die Zugewinn-Wähler für grün sind diejenigen, die sich nicht trauten AfD zu wählen.

Franck Royale / 29.10.2018

Die Grünen bewegen sich mit ihrer “Glücksverheißung” im Grunde auf einer neugeistlichen Ebene, sie sind sozusagen die Konterrevolution zum Zeitalter von Rationalismus und Aufklärung. Das macht sie wie die Kirche zu früheren Zeiten einerseits attraktiv für gut situierte Bürger mit eher schlechtem Gewissen, welche sich eine Absolution durch die Grünen erhoffen (Frankfurt, Taunus). Andererseits für gut behütete Studenten ohne Berufs- und Lebenserfahrung (Darmstadt, Kassel), aber auch für islamisch geprägte Milieus (Offenbach). Im Grunde ist das eine gefährliche Entwicklung, denn der Wahlerfolg der Grünen zeigt vor allem wie irrational die Politik in Deutschland unter Merkel geworden ist. Es zeigt wie der weltliche, der rational agierende Rechtsstaat auf vielen Feldern schon die Kontrolle verloren hat.

Martin Landvoigt / 29.10.2018

Sahra Wagenknecht und ihre ‘stärker realitätsbezogene’ Bewegung „Aufstehen“ ist doch ein Rohrkrepierer. Mit der #Aufstehen-Demo hat auch sie wieder ihre ‘stärker realitätsbezogene’ Ansätze wieder aufgegeben. Da kommt wohl nix mehr. Die Wahrnehmung gesellschaftlicher Probleme unterscheidet sich offensichtlich massiv. Sowohl die Grünen als auch die AfD nähren sich von Zukunftsängsten. Welche davon nun reale Gefahren darstellen, und welche aufgeblasene Ideologien sind, bleibt darin offen, die Wähler haben hier bundesweit eher ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Günter Springer / 29.10.2018

Der Jubel, die Eupforie, die Selbstbeweihräucherung der Grünen sind das Grün hiter den Ohren vieler Grünen. Das Erwachen wird auch sie nicht verschonen.ö

Dieter Kief / 29.10.2018

Einer der bedeutendere alten Journalsisten in der Schweiz hat vor zwei Jahren im eher linken Tages-Anzeiger vorgeschlagen, die Einwanderungsfrage zu entideologisieren. Das steht cum grano salis auch bei Ihnen, Herr Ammon,und ich denke, das ist auch richtig. In Schweizera hat deshalb der Freisinn zum Beispiel überhaupt kein Problem mit zumindest Teilen der immigrationskritischen SVP und mit der chrstlichen CVP schon gar nicht, aber auch Gewerkschaftler sind immer wieder zumindest gegen Vollgas-Globalisierungen und teilweise auch gegen die EU. Publizistisch hat sich die beitragsfinanzierte linke online-Zeitung REpublik gegründet - auch als Absetzbewegung vom Tages-Anzeiger, eben weil der auch immigrationskritische Stimmen von links zuglassen hat. Voll pro Immigration sind in der Schweiz also die aufstrebende online-REpublik und die tazlerisch-graue WoZ. Und das war’s. Der Rest der insbesondere bürgerlichen Öffentlichkeit in der Schweiz ist überwiegend immigrationskritisch oder lässt, wie im Schweizer ÖR, jedenfalls immigrationskritiche Positionen selbstverständlich zu. - Irgendwie müsste man es schaffen, dass das hier auch soweit kommt.

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