Ich hingegen bin gegen die Stolpersteine. Ich lehne Wolfgang Gedeons Antisemitismus ab, unterstütze Israel mit ganzem Herzen, leugne den Holokaust nicht, habe sehr gut jüdische Freunde und finde die Stolpersteine verkehrt. Es gibt auch einen Schuldkult. Man kann sich nicht für den Holokaust “verantwortlich” fühlen, ohne sich schuldig zu fühlen, das ist schizophren. Man sollte die materiellen und geistigen Ursachen des Holokaustes, die in der deutschen Geschichte und im deutschen Selbstbewusstsein wurzeln, sehr genau untersuchen. Aber Stolpersteine? Nein. Sie sind eine Flucht vor der harten seelischen Arbeit deutscher Selbsterkenntnis in Sentimentalität.
Nichts gegen die Stolpersteine, die ich genau so erlebe wie Sie, Herr Schneider: Als Anlass zum Innehalten und zu einem vertieften Gedenken. Als Sie beginnen, sich reflexhaft an dem greisen Herrn Gedeon abzuarbeiten, der seinen bizarren Unsinn lebenslang ohne die AfD produziert hat, kommt bei mir allerdings das Gefühl auf, die Stolpersteine sollen nun auch zum AfD-Bashing instrumentalisiert werden. Breitenwirksamkeit gewinnt der Kauz nur durch die aufgescheuchten Großmedien und Beiträge wie den Ihren. Lesen Sie Broders Buch “Vergesst Auschwitz” und sie kommen mit einer Entkrampfung des Gedenkens seiner Hysterisierung als Reaktion auf Figuren wie Gedeon zuvor! Ich bin sicher, dass es jede Menge Leute gibt, die sich ärgern über Stolpersteine; die dürfen sich auch äußern (Meinungsfreiheit!), haben aber im Zweifelsfall nichts zu sagen (Demokratie!).
als ich nach Israel fuhr, tat ich dies mit einem mulmigen Gefühl. Aber ich wurde überrascht, nicht einer der mir gegenüber unfreundlich war weil ich Deutscher war. Alle waren freundlich und normal, nicht einer der mir einen Vorwurf machte. Und ich war bestimmt als Deutscher zu erkennen. In einem Laden zum Beispiel haben wir umständlich versucht zu erklären, was wir wünschten. Der alte Herr sagte dann in tadellosem Deutsch “Mensch Jungs, könnt ihr nicht Deutsch reden”.
Diesen Artikel zu schreiben, hat mit Sicherheit Mut und Courage erfordert. Dem allseits beliebten und von der Zivilgesellschaft gefeierten Herrn Gedeon die Stirn zu bieten, das ist wahres Gegen-den-Strom-schwimmen. Außerdem offenbart der Artikel überraschend neue Aspekte, die dem geneigten Leser interessante Einblicke und Perspektiven eröffnen. Schließlich ist er sprachlich ein kleines Meisterwerk. Genau das ist es, was ich erhoffe, wenn ich die Achse besuche. So etwas würde man niemals in der Zeit oder sonstwo in der Mainstream Presse lesen. Herr Schneider, Dank Ihnen werde ich eines Tages wieder FDP wählen.
Nur eines haben Sie vergessen, Herr Schneider: Diejenigen, welche so heftig den “Schuldkult” pflegen, sind zu einem nicht geringen Teil auch diejenigen, welche heute Israel bzw. die Juden in absolut unsachlicher und unfairer Weise angehen, dass man schon nicht mehr von “Kritik” sondern eher von “Niedermachen” sprechen muss. In diesem Zusammenhang sei an den Artikel von A. Wendt “Die SPD und der Staat der Juden” erinnert. Für mich gibt es hier eine Korrelation, nämlich die zwischen Schuldkultpflege, Muslim- bzw. Islam-Affinität und Antijudaismus - als wären das zwei Seiten der gleichen Münze. Und ob da eine Kausalität dahinter steckt und ggf. wie geartet, sollte dringenst untersucht werden.
Der Gedeon ist der Stegner der AfD. Den darf man nicht ernst nehmen.
Gottlob nur die einzelne Meinung und kein breiter Konsens, was er dort sagt. Ich stimme zu, es geht um historische Verantwortung. Ich würde mir nur wünschen, dass das Unrecht aller deutschen diktatorischen Regime angesprochen wird und der Fokus nichts allein auf der NS Zeit bleibt. Auch in der DDR gab es Unrecht, wurden Menschen ihrer Meinung wegen verhaftet und gebrochen. Auch hier gilt es Verantwortung zu übernehmen. Denn es geht nicht um Schuld oder die schwere von Leid, es geht um die Verantwortung, die wir als Nation gegenüber uns und unseren freiheitlich-liberalen Werten haben.
Und noch eine kleine Anmerkung Herr Schneider, in diesem Zusammenhang. Ich finde Ihre Ironie, besser Ihren Zynismus in diesem Text fehl am Platze. Selbst wenn die deutschen Nachbarn ahnten oder wussten, was mit ihren jüdischen Nachbarn geschah, was hätten sie tun sollen? Demonstrieren? Auf Twitter Posten? Haben Sie eine Ahnung, was mit denen geschah, die nur einen regimekritischen Witz erzählten? Oder mit jenen, die mit bescheidenen Mitteln versuchten, etwas Widerstand zu organisieren? Wieso meinen Sie implizieren zu müssen, den Bürgern wäre das Schicksal ihrer Nachbarn gleichgültig gewesen, da es nur Juden waren? Aus Berichten meiner Großmutter weiß ich, dass dem nicht so war, auch die Forschung zeigt dazu ein differenziertes Bild. Ich meine auch, ihre Unterstellung, Gedeon und andere könnten sich nicht vorstellen, dass es den Holocaust gab, ist m.E. nicht belegbar. Sie entwerten mit dieser grenzwertigen Unterstellung Ihren eigenen Text.
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