Ulli Kulke / 24.02.2024 / 06:05 / Foto: Heinrich-Böll-Stiftung / 119 / Seite ausdrucken

Herr Fratzscher fühlt sich nicht wohl

Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hat ein Interview gegeben und erzählt zum Thema Migration unglaublich dummes Zeug.

Präsident Marcel Fratzscher und sein Deutsches Institut für Wirtschafsforschung in Berlin insgesamt sind bekannt für ihre durchweg regierungsfreundlichen, ja regierungsentlastenden Bekundungen zur Wirtschaftspolitik. Bei Licht betrachtet, scheint es, seit Fratzscher das Haus anführt, dabei oft genug weniger um die Unterstützung der Regierungspolitik insgesamt, sondern von deren grünen Elementen zu gehen. Bestes Beispiel dafür: Die Energieexpertin des DIW, Claudia Kemfert, war von Anfang an überzeugt von der eingeschlagenen Energiewende. Der Umstieg von gesicherter Grundlast auf die windige Schönwettertechnik der Erneuerbaren kann ihr gar nicht schnell genug gehen. DIW eben. So weit so immer erwartbar.

Fratschers hierfür einschlägige jüngste Einlassung in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau (FR) allerdings, in der er sich in die Sozial- und Migrationspolitik hinüberwagt, ist von einem Kaliber, das keinem Leser vorenthalten bleiben sollte. Zunächst mal kann er bei der Lektüre seinen Mitbürgern leidtun, denn Fratscher fühlt sich unwohl in Deutschland:

Die FR fragt: „Herr Fratzscher, wenn Sie sich überlegen müssten, in welches Land Sie einwandern – würden Sie sich für Deutschland entscheiden?“

Fratzscher antwortet: „Aus dem Bauch heraus, nein. Deutschland hat keine gute Willkommenskultur und es geht auch darum, wo man sich wohlfühlt.“

Der Leser beginnt darüber nachzudenken, ob der weltgewandte Fratzscher wohl nur die Bundesregierung und insbesondere die Grünen nicht allein lassen will, nur deshalb sein Wohlbefinden hintanstellt und wider Willen hierbleibt. Natürlich drängt sich sofort auch die Frage auf, wohin der arme Präsident denn überhaupt sonst gehen könnte. Welches andere Land würde sich hier mit einer besseren Willkommenskultur aufdrängen? Eines unserer Nachbarländer? Wirklich? Die USA? Hatte er da irgendeine Idee? Ist der FR die auf der Hand liegende Nachfrage nicht eingefallen, wollte sie ihn nicht in Verlegenheit bringen? Oder wurde dann alles aus Platzgründen weggekürzt? Schade, es wäre interessant gewesen. Vielleicht hätte er sich auch bei Migranten umhören können, in welches Land sie wohl am liebsten gehen, von wegen Willkommenskultur. „Raten Sie mal!“, hätten sie ihm vielleicht freundlich geantwortet.

Ob der gute Mann gelegentlich Zeitung liest?

Noch ganz in Gedanken über all diese Fragen wird der Leser beim Weiterlesen allerdings erst richtig stutzig. Die FR fragt: „Was meinen Sie damit?“

Fratzscher antwortet: „Zum Beispiel die grauenvolle Diskussion um die Bezahlkarte. Die lässt den Eindruck entstehen, Menschen kommen nur wegen der Sozialleistungen zu uns. Aber Personen, die verzweifelt sind, die Schutz suchen, kommen zu uns, egal wie hoch die Sozialleistungen sind. Das Einzige, das wir mit der Bezahlkarte bewirken, ist, dass die IT-Programmiererin aus Indien oder der Ingenieur aus Brasilien sagen: „Das tue ich mir nicht an. Ich gehe lieber dahin, wo ich als Mensch ordentlich behandelt werde.“

Hier fragt sich der Leser, ob der gute Mann gelegentlich Zeitung liest. Hat er eine Ahnung davon, für wen die Bezahlkarte gedacht ist und für wen nicht? Und meint er, die Inderin oder der Brasilianer wohnen so weit weg, dass die das auch nicht unterscheiden könnten? Wüsste man nicht, dass Fratzscher sich gelegentlich auch mal in Asien aufgehalten hat, könnte man ihm Ahnungslosigkeit vorwerfen. So aber muss man konstatieren: Es ist schlicht eine unverschämte Beleidigung ausgerechnet einer gutausgebildeten Inderin, sie als Kronzeugin für die eigene ideologische Denke zu missbrauchen, man könne sich nur wohlfühlen in einem Staat, der ein Sorglos-Vollversorgungspaket für alle bereithält, egal ob sie arbeiten wollen, können, dürfen oder nicht. Eine Inderin? Ein Brasilianer? Als ob die sich nicht ausreichend respektiert und geachtet fühlen würden in einem anderen Land, nur weil man dort mit der Bezahlkarte unterbinden will, dass Armutsflüchtlinge aus Afrika Teile ihrer Unterstützungszahlungen in die Heimat überweisen. Wenn dem führenden Wirtschaftsexperten in Deutschland die Leistungsgesellschaft nicht mehr so recht in den Kram passt, muss man sich in Indien solche Gedanken noch lange nicht zu eigen gemacht haben.

Eine Zumutung für jeden Menschen mit Verstand

Nach nunmehr fast einem Jahrzehnt Erfahrung mit unkontrollierter, illegaler Massenzuwanderung und seinen sozialen wie politischen Verwerfungen ist es eine Zumutung für jeden Menschen mit Verstand, feststellen zu müssen, dass der Chef eines der sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute des Landes immer noch nicht den Unterschied dieser Entwicklung zu einer gezielten Fachkräftezuwanderung erkannt hat, er arglistig den Anschein erwecken will, dass dies in allen anderen Ländern auch in einen Topf geschmissen werde und dort vor allem eine Willkommenskultur herrsche und in Deutschland nicht. Und dass rundweg alle Flüchtlinge „verzweifelt“ seien, „Schutz suchen“ – da sollte man Fratzscher auch mal die tägliche Zeitungslektüre empfehlen. Die geringe Quote der Asylanerkennungen, über die dort hin und wieder informiert wird, könnte ihn – bei gutem Willen – eines Besseren belehren.

Obendrein scheint es dem Wirtschaftsexperten völlig egal zu sein, dass die Sozialhaushalte endlich sind, sie in Deutschland inzwischen ein Drittel des gesamten Bruttoinlandsproduktes und weit über die Hälfte aller öffentlichen Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden ausmachen. Insbesondere die Kommunalhaushalte werden durch die Hilfe für illegal Eingewanderte stranguliert. Bildlich abzulesen ist all das am Zustand der deutschen Infrastruktur, des Bildungswesens und der Lage der Wirtschaft allgemein. Fratzscher könnte sich auch mal mit Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner unterhalten, die würden ihm mitteilen: „Deutschland ist nicht mehr konkurrenzfähig.“ Nun gut, dem DIW-Präsidenten Fratzscher scheint die Konkurrenzfähigkeit bei der Willkommenskultur wichtiger zu sein. Leider hat man ihn nicht gefragt, an welcher Stelle er Deutschland hierbei eigentlich sieht. Und warum.

 

Ulli Kulke ist Journalist und Buchautor. Zu seinen journalistischen Stationen zählen unter anderem die „taz“, „mare“, „Welt“ und „Welt am Sonntag“, er schrieb Reportagen und Essays für „Zeit-Magazin“ und „SZ-Magazin“, auch Titelgeschichten für „National Geographic“, und veröffentlichte mehrere Bücher zu historischen Themen.

Foto: Heinrich-Böll-Stiftung CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Gus Schiller / 24.02.2024

Ah, ja,  verzweifelte Schutzsuchende!!! Sie kommen nach Deutschland um dann als “Schein Ukrainer,” Sozialleistungen abzugreifen.—- Mittellloser Afrikaner mit deutschem Pass hat für 24 Kinder die Vaterschaft anerkannt, damit die Mütter und Kinder in Deutschland bleiben können. Die Kosten übernimmt das jeweilige Sozialamt. Das ist o.k für Sie Herr Prof. F?

W. Renner / 24.02.2024

Ich glaube, der ist fast so schlau wie der Robert.

gerhard giesemann / 24.02.2024

Die ultimative Aufforderung durch die Blume, hier nichts mehr zu machen und am besten ab zu hauen. Habe das bereits 1990 getan - war die beste Entscheidung meines Lebens. Ich schwör’s bei meiner Shishapfeife.

Ralf Pöhling / 24.02.2024

Aus Indien oder Brasilien flüchtet niemand. Das, was Fratzscher eigentlich will, sind qualifizierte Zuwanderer. Die gibt es in Indien und Brasilien potentiell zuhauf. Er spricht das aber nicht offen aus, sondern hängt sich einfach in den politischen Asyl/Migrationswahn mit rein. So nach dem Motto: Unter den ganzen Asylanten, die ja eigentlich Migranten sind, werden wohl auch ein paar Leute für die Wirtschaft dabei sein. Das funktioniert so aber nicht, denn wenn man eine Party schmeißt und vorher keine Gästeliste erstellt, kommen natürlich auch Leute zur Party, die die die Party sprengen wollen. Und dann wird die Party vorzeitig beendet, weil die Polizei vor der Tür steht. Musiktipp dazu auf Youtube: “Beastie Boys - Fight for your right to party”. Genau das läuft hier. Und zwar in ganz Deutschland. Und es wird die “Wohnung” Deutschland in einen Trümmerhaufen verwandeln. Und dann müssen wir alle ausziehen, weil man hier nicht mehr wohnen kann. Am Ende ein Minusgeschäft sondergleichen.

Curt Handmann / 24.02.2024

Ach hallo Herr Fratzscher, gut Sie zu treffen. Wollte Ihnen nur schnell sagen, ich denke, Sie als prominenter Schwerverdiener sollten vielleicht wirklich woanders hin. Wissen Sie, mit diesen verfluchten kleinen Kärtchen kann man nämlich, ruckzuck, stillstill, ganz hervorragend Haus-, Wohnungs- und Zimmertüren öffnen — und das ist natürlich immer besonders für Leute wie Sie ........... Herr Fratzscher? Herr Fratzscher! Ja warum rennen Sie denn jetzt auf einmal weg? Ich wollte Ihnen doch nur ... na ja.  ;-)))

sybille eden / 24.02.2024

Nun, er ist nicht ” die hellste Kerze auf der Torte”, aber eine gut bezahlte Propagandaschleuder des Regimes.

Prof. Dr. Michael Müller, Dipl.-Kfm. / 24.02.2024

Unglaublich, der Herr hat tatsächlich auch Wirtschaft studiert, wenn anscheinend auch nur Volkswirtschaft. Normalerweise sollte man dann in der Lage sein, eine gewisse Vernunft in der Argumentation walten zu lassen.

ralph bader / 24.02.2024

Als Habeck seine aufsehenerregenden Erkenntnisse zum Thema Insolvenzen zum Besten gab, ist Fratzscher ihm beigesprungen mit (sinngemäß) der Erklärung, es gäbe doch jede Menge Unternehmen, die ihre Betriebstätigkeit vorübergehend unterbrächen, ohne dadurch insolvent zu werden, zum Beispiel bei Saisonbetrieb im Tourismusbereich. Mit anderen Worten, in diesem Lande kann jemand Professor für Wirtschaftswissenschaft und Präsident eines einschlägigen angeblichen Forschungsinstituts werden, der bereits damit überfordert ist, den Unterschied zwischen einer geplanten und kalkulierten Betriebsunterbrechung und einer ungeplanten, unerwarteten und unkalkulierten zu erkennen, und zu kapieren, daß die zu erwartenden Konsequenzen dieser beiden Szenarien höchst unterschiedlich ausfallen. Seitdem mir der Name Fratzscher durch diesen Vorfall geläufig ist, war wirklich alles, was ich von dieser Person gehört oder gelesen habe, durchweg Unsinn.

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