Thilo Sarrazin / 10.09.2018 / 06:20 / Foto: Achgut.com / 87 / Seite ausdrucken

Hermann und die Alawiten

Sehr geehrte Damen und Herren,

Rainer Hermann schreibt, mein Buch sei „voller Fehler und Unkenntnis“ der „Faktencheck“ falle „nicht günstig aus". In seiner Rezension führt er genau zwei Fehler an, die er gefunden hat: Bagdad wurde 1253 und nicht 1258 durch die Mongolen erobert, Assad ist nicht Alevit, sondern Alawit. Beide Fehler haben mit der Substanz meiner Aussagen nichts zu tun.

Dass der Sudan Teil des Maghreb ist, habe ich nirgendwo behauptet. In dem von ihm offenbar gemeinten, aber nicht zitierten, Satz „Entwicklungsmäßig gehört (der Sudan) eher zu Subsahara-Afrika als zum Maghreb“ (S. 107) ist die geographische Zuordnung gar nicht angesprochen.

Auch ansonsten bleiben die von ihm behaupteten Fehler leere Behauptungen. Wo ihm meine Feststellungen nicht passen, verdreht er sie gern, damit werden sie aber nicht falsch. 

Was ich zur islamischen Theologie sage, nennt er „haarsträubend“, bleibt aber unkonkret. Dass ihm mein Vorgehen bei der Interpretation des Korans nicht gefällt, macht er deutlich. Aber es gelingt ihm nicht, mir ein falsches Zitat nachzuweisen. Dagegen zitiert Hermann meinen Text wiederholt ungenau bzw. falsch.

So schreibt er: „Es ist Unsinn, wie Sarrazin zu behaupten, ein muslimischer Gläubiger  sei durch seinen Glauben von Gott auserwählt´“. Ich schreibe „Die Muslime sind durch ihren Glauben von Gott ausgezeichnet“ und belege das mit zahlreichen Zitaten aus dem Koran (S. 28). An anderer Stelle schreibe ich vom „Auserwähltsein der Gläubigen“ (S. 71). Den „Gegenbeweis“ will Hermann mit dem Koransure 3/110 antreten, die er allerdings nicht zitiert. Sie lautet wörtlich in der Übersetzung von Rudi Paret: „Ihr (Gläubigen) seid die beste Gemeinschaft, die unter den Menschen entstanden ist. Ihr gebietet, was recht ist, verbietet, was verwerflich ist, und glaubt an Gott. Wenn die Leute der Schrift (ebenfalls) glauben würden (wie ihr), wäre es besser für sie. Es gibt (zwar) Gläubige unter ihnen. aber die meisten von ihnen sind Frevler.“ Angesichts des wörtlichen Textes der von ihm zitierten Sure bricht Hermanns „Gegenbeweis“ in sich zusammen. Er ist nämlich ein weiterer Beleg für die Auszeichnung der Gläubigen. Hermann liefert an dieser Stelle seiner Rezension keine fundierte Kritik, sondern Gaukelei.

Der Koran wird wörtlich genommen

Zur Gaukelei gehört auch seine Feststellung: „Völlig daneben ist Sarrazins Behauptung, der Koran kenne keine historisch-kritische Exegese“. Das behaupte ich aber gar nicht. Ich schreibe vielmehr „Gläubige Muslime nehmen in ihrer großen Mehrheit den Text des Korans als Botschaft Gottes wörtlich. So wird es vom Gesandten Gottes, dem Propheten Mohammed, verlangt, und so sehen es auch überwiegend die heute im Islam vertreten Lehrmeinungen. Eine historisch-kritische Interpretation des Textes könnte – ähnlich wie im Fall der Bibel – auch zu einem anderen Ergebnis kommen. Sie gilt aber vielen Autoritäten des Islam als unislamisch.“ (S. 24)

Hermann schreibt: „Gerade die Umstände der Offenbarung stehen im Mittelpunkt der islamischen Theologie“. Das ist zweifellos richtig. Aber die theologische Fragestellung, wann innerhalb des Offenbarungszeitraums von 20 Jahren und unter welchen Umständen Mohammed ein bestimmter Korantext offenbart wurde, ist Welten entfernt von einer historisch-kritischen Interpretation des Textes, wie sie der Bibel zuteil wurde. An dieser Stelle wird besonders deutlich, dass Hermann den Leser der Rezension über den Inhalt meines Buches und seine Kernaussagen tatsächlich in die Irre führt. 

Auch meine Zitate zum koranischen Erbrecht werden nicht bestritten. Hermann beklagt vielmehr, dass sie unvollständig seien. Das gilt für alle meine Zitate aus dem Koran. So ausführlich sie sind, können sie doch nicht den ganzen über 400 Seiten langen Text der Übersetzung von Rudi Paret wiedergeben. Dass ihre Zusammenstellung sinnvoll und keineswegs tendenziös ist, konnte auch Rainer Hermann nicht widerlegen.

Reine Geschichtsklitterung ist es, wenn Hermann die „expansive Eroberungskraft“ des Islam bestreitet oder in Abrede stellt. dass es unter islamischer Herrschaft niemals Religionsfreiheit gab und auch heute nicht gibt.

Bei der wichtigen Frage der geistigen Leistungen in der islamische Welt greift Hermann erneut zu falschen Zitaten, wenn er schreibt „Völlig absurd ist Sarrazins Behauptung, der Islam biete ‚keinen Anreiz zu einer Wissbegier‘, die Muslime hätte nie ein Sinn für das Messen von Zeit und Distanzen entwickelt." 

Die Geringschätzung des nicht religiösen Wissens

Korrekt lauten die von ihm offenbar gemeinten Zitate aus meinem Buch: "Der Unterwerfungsgestus des Islam, die im Koran angelegte Feindseligkeit gegenüber selbständigen Denken sowie die Geringschätzung des nicht religiösen Wissens führen zu niedriger Bildungsleistung und geringer geistiger Neugier und erklären so den technisch-zivilisatorischen Rückstand der islamischen Welt.“ (S. 71) Ferner führe ich aus, „dass in der islamischen Welt der Sinn für das Messbare und das Messen lange Zeit wenig ausgeprägt war.“ (S. 141) 

Wenn Rainer Hermann das bestreiten will, hält er auch die Einschätzungen des Basler Kulturhistorikers Jacob Burkhardt in seinen „Weltgeschichtlichen Betrachtungen“ und die Forschungen der berühmten Islamwissenschaftler Gustave Edmund von Grunebaum oder Bernard Lewis, die ich neben vielen anderen Quellen zum Beleg meiner Aussagen ausführlich zitiere, für "völlig absurd.“ Das erwähnt Hermann natürlich nicht. Es ist halt einfacher, sich mit Thilo Sarrazin als mit Geistesriesen der historischen Forschung zum Islam anzulegen.

Hermann schreibt weiter: „Sarrazin unterstellt dem Islam eine inhärente Christenverfolgung“. Das steht nirgendwo in meinem Buch. Ich lege vielmehr ausführlich dar, dass gemäß dem Koran und der lange Zeit geltenden islamischen Praxis die Christen und Juden unter den „Ungläubigen“ als „Leute der Schrift“ privilegiert sind. Sie sind zwar abhängig und müssen die Kopfsteuer zahlen, aber sie können ihre Religion ausüben, solange sie nicht für sie werben oder gar versuchen, Muslime zu missionieren. Diese abhängige, beschränkte Stellung im islamischen Machtgefüge ist aber das Gegenteil von wirklicher Religionsfreiheit, und nicht mal diese ist heute gewährleistet, deshalb die Massenflucht der Christen im Nahen Osten aus ihren traditionellen Siedlungsgebieten.

Über Rainer Hermanns Motive, die Inhalte meines Buches in seiner Rezension so schreiend falsch darzustellen, kann ich nur spekulieren. Ich habe seine Artikel und Bücher bislang immer gern gelesen und auch verschiedentlich in meinem Buch zitiert. Für die Zukunft weiß ich, dass ich ihren Wahrheitsgehalt kritisch sehen muss. 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Thilo Sarrazin

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Frank Holdergrün / 10.09.2018

Es ist absurd, mit welch hanebüchenen Argumenten Kritik am Islam “denkunmöglich” gemacht werden soll. Ich habe den Eindruck, die FAZ möchte sich bei zahlungskräftigen Werbekunden lieb Kind machen und in der ersten Reihe stehen, wenn demnächst die ersten Auspeitschungen missliebiger Meinungen stattfinden. Nichts anderes ist nämlich die Kritik von Herrn Hermann. Ich habe “Feindliche Übernahme” von Herrn Sarrazin jetzt einmal gelesen und einmal gehört, ein großartiges Buch, komplexe Zusammenhänge werden auf eine absolut verständliche, sachliche Ebene gebracht. Nichts, was ich nicht doppelt unterstreichen würde, eine realistische Sichtweise auf die starre Ideologie des Islam, dessen Weg in einem aufgeklärten Europa in die Sackgasse führen muss. Eine Kleinigkeit bleibt für mich als Kritikpunkt: die Kreuzzüge werden auf die Negativseite des Christentums verbucht. Richtig ist vielmehr, dass es eine Verteidigungsmaßnahme zur Rückeroberung von Jerusalem war - aus dem damaligen Verständnis heraus absolut legitim. Im Übrigen hat Herr Sarrazin so getan als ob Mohammed wirklich gelebt hätte und dem Islam damit jenen Gefallen getan, den er erwartet. Ich halte inzwischen andere Sichtweisen der Entstehung des Islam für wahrscheinlicher: der Islam wurde einfach von den Abassiden geschrieben (durch Perser) und sie haben eine Figur benutzt, die sie Mohammed nannten. Siehe Barbara Köster: Der missverstandene Koran: Warum der Islam neu begründet werden muss. Oder: Good Bye Mohammed: Das neue Bild des Islam, von Norbert G. Pressburg.

Nico Schmidt / 10.09.2018

Sehr geehrter Herr Dr. Sarrazin, nachdem Herr Hermann auf 400 Seiten zwei Fehler gefunden hat, kann er zumindest sehr gut lesen. Vielleicht kann Herr Hermann auch einmal sagen, in welchem muslimischen Land eine andere Religion toleriert wird und sich ausbreiten darf. An Saudi-Arabien kann der dabei nicht gedacht haben und an die Türkei, die in den letzten Jahren die letzten christlich-orthodoxen Klöster verstaatlicht haben, auch nicht. MfG Nico Schmidt

Daniel Gildenhorn / 10.09.2018

Dass zwei Diplomvolkswirte über eine fremde Religion streiten (Rainer Hermann hat ja lt. WiKi zwar auch “Arabisch, Persisch, Türkisch” studiert, hat aber nur einen VWL-Diplom) ist schon lustig. Anscheinend findet sich ansonsten kein anderes Thema. Andererseits, was nützt es, sich über Target-2 auszulassen, wenn eine ehrliche Diskussion darüber genau so tabuisiert ist. Nicht mal über das Wetter darf man heutzutage frei diskutieren, läuft man doch permanent die Gefahr, es im “falschen” Kontexst zu interpretieren, wenn man nicht in jedem zweiten Satz über die “Klimaveränderung” sinniert.

Joachim Lucas / 10.09.2018

Die historischen Fakten zum Islam liegen auf dem Tisch (wiederhole ich nicht). Die Krittelei dieses Herrn Herrmann an Details und seine ungenaue, unwissenschaftliche Zitation einzelne Ihrer Passagen offenbart nur den Versuch irgendwie das Lügengebäude der Linken über diese aggressive Religion aufrechtzuerhalten. Wer Augen hat, der sieht; jeden Tag, jede Nacht! (heute Nacht wieder 7 Gemesserte in Paris). An den Tatsachen und der Geschichte des Islam kommt dieser Herr nicht vorbei, es geht nur um Ihre persönliche Diskreditierung und um Deutungshoheit. Ich wünsche Ihnen Mut und Durchhaltevermögen. Sie sind einer der wenigen, die es schaffen, diese Religion und ihre Hintergründe über einen engen Zirkel von Wissenschaftlern hinaus unters Volk zu bringen.

Dolores Winter / 10.09.2018

In meiner Bezirks-Bücherei in Berlin werden seit Jahren die Bücher von Sarrazin vorsätzlich zerstört. Mehrfach wurden dort Bücher von Sarrazin zerrissen oder in die Toilette geworfen. Ergebnis: Es werden keine weiteren Schriften von ihm in den Bestand aufgenommen. Der “Tugendterror” funktioniert.

Oliver Förstl / 10.09.2018

Und da zeigt sich doch schön, dass das Internet und Amazon & Co. trotz aller berechtigten Kritik auch was Gutes haben: Früher hätte es ein Meinungskartell gegeben und fast alle Buchhändler hätten sich einem Boykott angeschlossen. Und im Zeitalter vor Internet wäre dieses Buch auch im Vorfeld seiner Veröffentlichung von den Medien möglichst ignoriert und totgeschwiegen worden. Heute wissen die Buchhändler: Wenn sie den Kunden “erziehen” wollen, dann kauft der das Buch eben anderswo.

Nora Banz / 10.09.2018

Es könnte sich in Herrn Hermanns Fall auch lediglich um Lese-, Seh- und Denkschwäche handeln, gepaart mit einer gewaltigen Portion Vorurteilen.

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