Michael Miersch / 13.06.2008 / 18:30 / 0 / Seite ausdrucken

Her mit der Urbanpauschale

Kolumne von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT am 13.06.2008

Welches ist das sauberste Personentransportmittel? Nein, nicht die Bahn und nicht das Drei-Liter-Auto. Es ist der gute alte Fahrstuhl, der es seit 1853 Menschen ermöglicht, Häuser immer höher zu bauen und dadurch der vertikalen Verdichtung der Großstädte einen kräftigen Schub gab. Nächste Frage: Welche Amerikaner leben am umweltfreundlichsten? Es sind nicht die öko-schicken Cappuccino-Cowboys in ihren romantischen Landhäusern, sondern die Bewohner Manhattans. Das Zentrum von New York hat den niedrigsten Prozentsatz an Autobesitzern in den gesamten Vereinigten Staaten. Zwei Drittel der Bewohner benützen öffentliche Verkehrsmittel, Fahrräder oder gehen zu Fuß. Dagegen sind die vielen Millionen Auto fahrenden Pendler eines der heftigsten Umweltprobleme der USA. Nur übertroffen von den 40 Millionen Rasenmähern in den Vorstädten, die die Luft wesentlich schlimmer belasten als die Autos.

Es wird Zeit die Landromantik einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterwerfen. Doch in Deutschland gilt immer noch: Land ist Natur, Stadt ist Beton. Vor lauter Gleichheitsliebe wollen manche Politiker die Bevölkerung gleichmäßig auf die Staatsfläche verteilen. Doch was ist schlecht daran, wenn die Menschen aus abgelegenen Gebieten in die Städte abwandern? Warum muss jedes Dorf eine immerwährende Bestandsgarantie haben? Aus Umweltgründen sicherlich nicht. Im Gegenteil, unbesiedelte Gebiete sind die Filetstücke des Naturschutzes. 

Könnte das nicht mal jemand der CSU sagen? Deren Führung führt gerade ein seltsames Stück auf. Einerseits versucht sie sich als Steuersenkungstruppe zu profilieren, andererseits will sie eine der dümmsten Subventionen wieder einführen: die Pendlerpauschale. Sie ist ein steuerlicher Anreiz für das Häuschen im Grünen. Sicherlich gibt es Menschen, die aus wirtschaftlicher Not einen Arbeitsplatz in weiter Ferne annehmen mussten. Doch soll man sie darin unterstützen, niemals umzuziehen?

Wer sich für die Stadt entscheidet nimmt dafür ebenfalls Nachteile in Kauf. Die Mieten sind höher, die Lebensmittelpreise auch und man braucht oft eine gewisse Lärmtoleranz. Mit der Logik der Pendlerpauschale könnten wir dafür eine Urbanpauschale fordern. Tun wir aber nicht, weil wir es für unser Privatvergnügen halten, in Städten zu wohnen. Übrigens – ganz im Vertrauen – nicht aus Umweltgründen, die nehmen wir als Kollateralnutzen gern in Kauf.

In diesem Jahrzehnt haben zwei globale Revolutionen stattgefunden. Erstmals in der Geschichte leben mehr Menschen in Städten als in Dörfern und erstmals arbeitet die Mehrheit der Weltbevölkerung nicht mehr in der Landwirtschaft. Beides muss keine schlechte Nachricht für den Planeten sein. Zum Glück ist die Pendlerpauschale eine deutsche und österreichische Marotte, die global von minderer Bedeutung ist.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Michael Miersch / 11.01.2015 / 11:38 / 15

Die Stadt Leipzig betätigt sich als Zensurbehörde

In einem Schreiben des Ordnungsamtes an die Veranstalter der so genannten Legida-Demonstration, heißt es: „Das Zeigen sogenannter Mohammed-Karikaturen sowie anderer den Islam oder andere Religionen…/ mehr

Michael Miersch / 07.01.2015 / 17:05 / 7

18 Uhr vor der Französischen Botschaft in Berlin

Trauer um Charlie Hebdo 07.01.2015. Heute um 18 Uhr versammeln sich vor der Französischen Botschaft in Berlin Bürger, um ihre Anteilnahme mit den Opfern des…/ mehr

Michael Miersch / 06.01.2015 / 20:41 / 16

Der Hauptredner

Gestern war Dr. Udo Ulfkotte Hauptredner in Dresden, nachdem es bereits bei einem ähnlichen Aufmarsch in Bonn gewesen war. Die Thesen und Hypothesen, die der…/ mehr

Michael Miersch / 05.01.2015 / 11:05 / 14

“Menschen aus der Mitte”

Die Leipziger Legida-Initiative ist nach eigenen Angaben eine „Bürgerbewegung patriotischer Menschen der gesellschaftlichen Mitte, denen Fremdenhass, Rassismus und Extremismus fremd sind“. Hier das Positionspapier der…/ mehr

Michael Miersch / 30.12.2014 / 16:56 / 6

Gezielte Tötungen sind besser als ungezielte

Es gibt unterschiedliche Sichtweisen auf das Wesen des Krieges. Manche sehen ihn als notwendiges Übel, das man in Kauf nehmen muss, wenn die eigene Existenz…/ mehr

Michael Miersch / 24.12.2014 / 01:48 / 7

Was Pegida-Versteher mit Islamisten-Verstehern verbindet

In dem Buch „Terror und Liberalismus“ beschreibt Paul Berman eine Fraktion der französischen Sozialisten, denen in den 30er-Jahren die Deutschen leidtaten. Aus ihrer Sicht wurde…/ mehr

Michael Miersch / 20.12.2014 / 18:35 / 8

Der Kleber-Test funktioniert nicht immer

Christliche Bischöfe nennen die Ausstellung „Köperwelten“ des Schaustellers Gunther von Hagens einen „würdelosen Umgang mit Toten“. Da haben sie Recht. Ben-jamin Netanjahu nennt die Hamas…/ mehr

Michael Miersch / 11.12.2014 / 17:42 / 24

Jürgen Elsässer ist ein {darf man derzeit nicht sagen}

Jutta Ditfurth unterlag (vorerst) im Münchner Prozess um die Bezeichnung “Antisemit” für den {darf man derzeit nicht sagen} Jürgen Elsässer. Auf ihrer Website hat sie…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com