EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat mit seiner versuchten Zensur-Erpressung gegenüber "X" einen internationalen Eklat ausgelöst. Ayaan Hirsi Ali fagte ihn: „Wer sind Sie? Ein Flüchtling aus der untergegangenen Sowjetunion?“
Vor dem Gespräch von Elon Musk mit Donald Trump auf Musks Plattform X postete EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton am vergangenen Mittwoch ebenfalls auf X mit den Verweis auf den Digital Services Act: „Mit einem großen Publikum kommt eine größere Verantwortung. Da die Gefahr besteht, dass potenziell schädliche Inhalte in der EU verbreitet werden, die in Zusammenhang mit Veranstaltungen mit großem Publikum in der ganzen Welt stehen, habe ich dieses Schreiben an Elon Musk geschickt.“
In seinem Schreiben argumentierte Breton, dass trotz der Tatsache, dass das Interview außerhalb der EU stattfand, alles, was während der Live-Veranstaltung gesagt wird, die öffentliche Ordnung der EU beeinträchtigen könnte und daher unter den Digital Services Act (DSA) fällt. Dieses EU-Gesetz über digitale Dienste verpflichtet sehr große Online-Plattformen dazu, „Hass und Hetze“ und alles, was sonst in irgendeiner Weise „schädlich“ ist, zu löschen – wobei letztlich die EU-Kommission definiert, was mit „schädlich“ gemeint ist.
Bei Verstößen müssen die Plattformen bis zu sechs Prozent ihres Jahresumsatzes als Strafe zahlen oder können von der EU-Kommission sogar ganz verboten werden.
Eine Auswahl der Kommentare
So weit, so bekannt. Äußerst aufschlussreich sind nun aber die Reaktionen auf Bretons Vorstoß. Zum einen war Bretons Schreiben offenbar nicht mit der Kommissionspräsidentin abgestimmt, sondern ist als Alleingang zu bewerten. So jedenfalls berichtet es die Financial Times. Breton hatte sich übrigens bereits mit Musk angelegt, als X noch Twitter hieß, und ihm Ende Mai letzten Jahres unterschwellig gedroht (achgut berichtete). Doch jetzt scheint Breton selbst in den Augen der EU-Kommission übers Ziel hinausgeschossen zu sein. Zu dieser Einschätzung könnten auch die zahlreichen harschen Reaktionen beigetragen haben, die Breton als Reaktionen der Öffentlichkeit auf seinem X-Account kassieren musste. Im Folgenden soll eine Auswahl der Kommentare dokumentiert werden.
So antwortete die niederländisch-amerikanische Politikerin, Politikwissenschaftlerin, Frauenrechtlerin und Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali auf Bretons X-Account: „Wer sind Sie? Ein Flüchtling aus der untergegangenen Sowjetunion? Was werden Sie als nächstes tun? Den Gulag wieder einführen? Die Leute fragen mich: Wer untergräbt unsere Demokratien? Nun, hier ist Herr Breton, in seinen eigenen Worten.“ (Im englischen Original: „Who are you? An escapee from the fallen Soviet Union? What will you do next? Bring back the Gulag? People ask me: who is subverting our democracies? Well, here is Mr. Breton, in his own words.“)
Simon Goddek warf Breton vor: „Sie sind einer der größten Feinde der Meinungsfreiheit und machen aus Ihrer Orwellschen Zensur eine verdrehte Version von Freiheit. Sie sind die Verkörperung von allem, was ein freies Europa bedroht. Die EU ist antidemokratisch und muss zerstört werden!“ („You’re one of the greatest enemies of free speech, twisting your Orwellian censorship into some twisted version of freedom. You are the embodiment of everything threatening a free Europe. The EU is anti-democratic and needs to be demolished!“)
Ich möchte nicht von nicht gewählten EU-Bürokraten geschützt werden
Der US-amerikanischer Autor Michael Shellenberger schrieb: „Schauen Sie sich diesen Mann genau an. Er hat die Absicht, das gesamte Internet zu zensieren, auch das der Vereinigten Staaten. Er hasst unsere Freiheit, weil sie seine Lügen aufdeckt. Er betrachtet ‚1984‘ als einen Reiseführer. Er ist eine totalitäre Bedrohung, und wir müssen alles tun, um ihn von der Macht zu entfernen.“ („Take a good look at this man. His intent is to censor the entire Internet, including in the United States. He hates our freedom because it exposes his lies. He treats ‚1984‘ as a guidebook. He is a totalitarian menace, and we must do everything we can to remove him from power.“) Und: „Sie sind nicht nur ein Tyrann, Sie sind auch eine Schande für die Europäische Kommission. Deren Präsidentin, @vonderleyen, hat Sie öffentlich gerügt. Sie sollte Sie entlassen. Wenn Sie einen Funken Selbstachtung haben, @ThierryBreton, sollten Sie sofort von Ihrem Posten zurücktreten.“ („You're not only a tyrant, you're an embarrassment to the European Commission. Its President, @vonderleyen, has rebuked you publicly. She should fire you. If you have any self-respect @ThierryBreton, you should resign your post immediately.“)
Ein weiterer X-Nutzer stellte die Frage: „Versucht die EU wirklich, ein Interview mit einem US-Präsidentschaftskandidaten auf einer US-Plattform zu zensieren?“ („Is the EU really trying to censor an interview with a US Presidential candidate on a US platform?“)
Auch EU-Bürger meldeten sich zu Wort: „Als EU-Bürger kann ich nur sagen: Ich möchte nicht von nicht gewählten EU-Bürokraten wie Ihnen geschützt werden. Ich bin jedoch sicher, dass Sie sehr bald diejenigen, die keinen Schutz wollen, als ernsthaften Schaden für die EU-Bürokraten einstufen und ihnen nachgehen werden. Viel Spaß mit Ihrem Sozialismus.“ („As EU citizen I can only say: I do not want to be protected by unelected EU bureaucrats like yourself. However, I am sure you will very soon identify those who want no protection as serious harm to EU bureaucrats and go after them. Have fun with your socialism.“)
Scharfe Kritik der Einschränkung der Meinungsfreiheit
In diese Richtung zielt auch die knappe Anmerkung: „Die nicht gewählten Brüsseler Bürokraten sind die wahren Faschisten.“ („Unelected Brussels Bureaucrats are the real Fascists.“) Und: „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich vor dem Inhalt eines Interviews mit einem Präsidentschaftskandidaten geschützt werden muss ... Dies ist ein Interview von öffentlichem Interesse, auf das die EU-Bürger ein Recht haben.“ („I do not feel the need to be protected from the content of an interview with a presidential candidate... This is an interview of public interest.. that EU citizens have a right to hear.“)
Der Vorwurf der Wahlbeeinflussung wurde mehrfach erhoben: „Fragen Sie sich: Würden Sie dieselbe Aussage machen, wenn Mark Zuckerberg und Harris live auf Facebook sprechen würden? Zweifelhaft. Dies ist Wahlbeeinflussung.“ („Ask yourself, if Mark Zuckerberg & Harris did a live on Facebook would you issue the same statement? Doubtful. This is election interference.“)
Vor allem wird jedoch die Einschränkung der Meinungsfreiheit scharf kritisiert: „Typischer EU-Tyrann, der unter dem Deckmantel der ,Verantwortung‘ versucht, die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. Wir werden uns Ihrer Zensur nicht beugen. Die freie Meinungsäußerung ist nicht verhandelbar, Breton. Bleiben Sie auf Ihrer Spur.“ („Typical EU tyrant trying to stifle free speech under the guise of ,responsibility’. We won't bow down to your censorship. Free speech is non-negotiable, Breton. Stay in your lane.“)
Noch weiter holte der spanische EU-Parlamentarier Hermann Leopold Tertsch del Valle-Lersundi aus: „Wer sind Sie @ThierryBreton zu sagen, was für erwachsene Europäer schädlich ist oder nicht? Ihre sozialistische und faschistoide Berufung, Ihre Kriterien den Menschen aufzuzwingen, die Sie nie gewählt haben und nie wählen werden. Wir müssen es dieser Europäischen Kommission mit solch abstoßenden antidemokratischen Individuen wie Ihnen, von der Leyen und so vielen anderen arroganten Mitgliedern dieser nicht gewählten Clique, die vorgibt, europäische Regierung zu spielen, ein für allemal sagen, was sie nicht ist: Hände weg von unseren Freiheiten. Früher oder später werden die sich nach Freiheit sehnenden Europäer Sie in den Abgrund der Geschichte stürzen.“ („¿Who are you @ThierryBreton to say what is harmful or not to see for European adults? Your socialist and fascistoide vocation for imposing your criteria to people who never voted and never elected you and never will. We must say it once and for all to this European Commission with such repulsive anti democratic individual as yourself, Von der Leyen and so many other arrogant members of this unelected clique that pretends to play European government, what they are not: hands off from our liberties. Sooner or later Europeans longing for freedom will throw you into the sewage of history.“)
Lächerlicher Größenwahn
Ein anderer X-Nutzer fügte hinzu: „,Potenziell schädliche Inhalte‘ bedeutet, dass Sie das Interview zensieren möchten, bevor Sie wissen, was gesagt wird, nur weil Sie glauben, dass es Ihnen nicht gefällt. Der Diktator, den Sie bekämpfen, sind also Sie selbst.“ („,Potentially harmful content’ means you would like to censor the interview before knowing what's being told just because you feel you won't like it. So the dictator you're fighting against is just yourself.“)
Der Größenwahn der EU-Kommission wird in einem Tweet aus den USA aufgespießt: „Die EU versucht, sich in eine Wahl hier in den Vereinigten Staaten einzumischen. 1. In diesem Gespräch geht es nicht um Sie und die irrelevante EU. 2. Dies ist AMERIKA, also verpissen Sie sich.“ („The EU is trying to interfere with an election here in the United States. 1. This conversation isn’t about you and the irrelevant EU 2. This is AMERICA so go screw yourself .“) Und: „Bleiben Sie an Ihrem Platz. Vergessen Sie nicht, wie Europa das letzte Mal versucht hat, die Stimme Amerikas zu zensieren.“ („Stay in your place. Don’t forget the last time Europe tried to censor the voice of America.“)
Vielleicht merken ja mittlerweile selbst einige EU-Kommissare, dass sie sich mit Aktionen wie derjenigen Bretons vor allem eines machen: lächerlich!
Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.