Das war schon ein ungewohnt gepfefferter Kommentar von Thomas Berbner in den Tagesthemen am 22. Juni: „Schon vor Stuttgart haben mir Beamte immer wieder berichtet, bei jungen Einwanderern verbreitet sich eine gefährliche Haltung: Ihr habt uns gar nichts zu verbieten. All das fällt nicht vom Himmel. Den Mut zu solchen Übergriffen haben kleine Gruppen nur, wenn die große Mehrheit der Gesellschaft es zulässt.“ Zur Verantwortung der Medien: „Es gibt durchaus auch geistige Brandstifter. Die Berliner ‚tageszeitung‘ setzt in einer Kolumne Polizeibeamte auf eine Stufe mit Müll. Eine Grenzüberschreitung, aber beileibe nicht der erste Versuch der taz, linksextremistisches Gedankengut salonfähig zu machen.“ Zur Verantwortung der Politik: „Auch an der Spitze der ehemaligen Volksparteien passieren verbale Entgleisungen. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken schreibt nach der Tötung eines Schwarzen durch einen Polizisten in den USA vom latenten Rassismus in der deutschen Polizei … Vielleicht ist der Tag nicht mehr so fern, dass niemand mehr Polizist werden möchte.“
Was Berbner an dem Tag noch nicht wissen konnte: Erstens: Unter der Parole „Pressefreiheit statt Polizeigewalt“ schrieben die „Friends of Hengameh“ einen Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel: Man sei „erschüttert“ über die Absicht von Bundesinnenminister Horst Seehofer, gegen die taz Strafanzeige zu stellen. „Wir fordern, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer seine angedrohte Strafanzeige gegen Hengameh Yaghoobifarah nicht stellt, sich entschuldigt … Nur so kann unser Glaube an die demokratischen Grundwerte bewahrt werden.“
Dass der grundlegendste demokratische Grundwert die Achtung der Menschenwürde ist, die der taz-Artikel in eklatanter Weise beiseite geschafft hat, ist den Autoren offenkundig nicht bewusst (Unterzeichner des Briefs unter anderen Jan Böhmermann, Carola Rackete, Black Lives Matter Berlin) Zweitens: Seehofer hat nach einer Intervention von Merkel seinen Anzeigenplan über Bord geworfen. Er werde sich jetzt an den Presserat wenden (lach – siehe etwa dessen Stillhalten in der Causa Wulff) Drittens: Der ARD-Kollege Claus-Erich Boetzkes formuliert die Sache mit der taz nur wenige Tage später in den 17 Uhr-Nachrichten lapidar wie folgt: „Die Autorin spitzte ihren Text stark zu. Kritiker warfen ihr vor, sie wolle Polizisten buchstäblich auf der Müllhalde sehen.“ Den Zuschauern vermittelte das: Ist ja anscheinend nicht so schlimm, die Kritiker übertreiben wohl.
„Helfer sind tabu – keine Gewalt gegen Einsatzkräfte“
Hier zur konkreten Anschauung Auszüge aus dem taz-Artikel: Unter dem Titel „Abschaffung der Polizei – All cops are berufsunfähig“ folgt dieser Schwall abgrundtiefer Verachtung: „Wohin also mit den über 250.000 Menschen, die dann keine Jobs mehr haben? … Streng genommen möchte man sie nicht einmal in die Nähe von Tieren lassen … Post ausliefern lassen? Niemals. Zwischen Büchersendung und Schuhbestellung passt immer eine Briefbombe … Keine Gastronomie wegen Vergiftungsgefahr … Und wenn man sie einfach Keramik bemalen ließe? Nein. Zu naheliegend, dass sie unter der Hand Hakenkreuz-Teeservice herstellen und sich mit den Einnahmen das nächste Terrornetzwerk querfinanzieren. Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“ Unter dem Pamphlet steht inzwischen der Hinweis auf diesen Artikel: „Wieso soll das verboten sein? – taz-Anwalt Johannes Eisenberg vertritt die taz-Kolumnist*in Hengameh Yaghoobifarah.“ Seine Einschätzung ist des Lesens nicht wert.
Lektüre, die schon einige Jahre zurückliegt, ist da wesentlich aufschlussreicher. Im Sommer 2016 ging die Kampagne „Helfer sind tabu – Keine Gewalt gegen Einsatzkräfte“ an den Start; eine Initiative aller Hilfsorganisationen wie Rettungsdienstbehörden, Feuerwehr und Polizei. „Ein enorm großes Medienecho“ hat die Kampagne ausgelöst, Spitzenpolitiker überschlugen sich mit Forderungen nach Respekt vor Helfern und bereits im folgenden Jahr erwuchs daraus ein Gesetz: „Sicherheits- und Rettungskräfte werden künftig durch neue Straftatbestände geschützt. Diese sind in einem Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD enthalten, den der Bundestag am Donnerstag, 27. April 2017, mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen hat.
Das „Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ droht bei tätlichen Angriffen auf Polizisten, ermittelnde Staatsanwälte, Feldjäger und andere Sicherheitskräfte mit bis zu fünf Jahren Haft.“ Christian Lange von der SPD begründete die Gesetzesinitiative mit der wachsenden Zahl von Angriffen auf Einsatz- und Rettungskräfte so: „2016 seien über 71.000 Polizeibeamte Opfer von Gewaltdelikten geworden, 11,2 Prozent mehr als im Vorjahr … Immer öfter werde ‚ihre Arbeit durch einen Mangel an Respekt erschwert, mangelnden Respekt vor dem Gesetz und den Menschen, die es durchsetzen.‘ Polizisten seien als Repräsentanten des Staates besonders exponiert und ‚brauchen unseren Schutz‘.“
Ist das Gesetz je angewandt worden?
Anschließend ist das Gesetz dann in der politisch-medialen Versenkung verschwunden und man fordert heute wieder „ein klares Bekenntnis zur Polizei“ – als habe es die „Helfer sind tabu“-Aktion nie gegeben. Ist das Gesetz je angewandt worden? Und wer hätte gedacht, dass drei Jahre später eine SPD-Führung in Amt und Regierung ist, die den geforderten Respekt für Polizisten geradewegs mit Füßen tritt? In der Rückschau ist faktisch die Radikalisierung der politischen Elite dokumentiert. Auch wenn es den moralischen Tieffliegern nur um die Hätschelei ihrer Wählerklientel geht: das angewandte Mittel ist politisch untragbar und unverzeihlich.
Ebenso die rhetorisch romantische Verklärung von linker Gewalt seitens etlicher Medien wie etwa der dreist erfundene „Partyexzess“ in Bezug auf die Stuttgarter Krawalle. Von einer „Karnevalisierung der Gewalt“ schrieb die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) im selben Jahr des Kampagnenstarts „Helfer sind tabu“: „Linksextreme Gewalt in Deutschland - Immer brutaler … Ist die Öffentlichkeit auf dem linken Auge blind?“ Und misst „das Gros der Kommentatoren in Medien und Politik“ mit zweierlei Maß? Ohne Zweifel: ja. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass man in den Redaktionsstuben sehr wohl seit Jahr und Tag von den massiven Angriffen gegen Polizisten erfährt und das in der Regel nur, falls überhaupt, insbesondere von den Öffentlich-Rechtlichen beschwichtigend der Öffentlichkeit vermittelt. Man erinnere sich etwa an die journalistische Fehlleistung des hoch gelobten ARD-Angestellten Georg Restle, der den grünen Politiker Boris Palmer nach der Schorndorfer-Mob-Eskalation via Fake-Vorwürfen weit unterhalb der Gürtellinie angriff.
Man fragt sich schon, warum sich die Polizei in der Breite nicht endlich von dem gefährlichen politisch korrekten Beschwichtigungsgelübde emanzipiert respektive warum sie das einzelnen Vorkämpfern überlässt, die dann leicht durch den medialen Dreck gezogen werden können. Die gutgläubige unaufgeklärte Öffentlichkeit wird früher oder später ohnehin aus den Wolken fallen, denn die Lage spitzt sich nicht zuletzt aufgrund wiederholter Positionierung von Bundespräsident und Bundeskanzlerin auf die Seite der Linkspopulisten weiter zu. Die gepflegte Verachtung in diesen Netzwerken vor allem und allen, die sich ihnen nicht meinungsbildend unterordnen, konnte auch deswegen zum Mainstream avancieren. Inzwischen ist kaum noch was dagegen zu unternehmen. Denn die fast allumspannenden Netzwerke umfassen auch akademische Bildungseinrichtungen, angefangen vom dritten Sektor bis hin zu Volkshochschulen und Unis.
Längst nicht nur auf dem eigenem Mist gewachsen
Um nochmal zum eingangs zitierten Tagesthemen-Kommentar zurückzukommen: Fairerweise muss man hinzufügen, dass die „gefährliche Haltung“ bei jungen Zuwanderern: „ihr habt uns gar nichts zu verbieten“ längst nicht nur auf deren eigenem Mist gewachsen ist. Wie aus der NGO-Szene bekannt ist, werden sie von westlichen Aktivisten vor wie direkt nach ihrer Einreise entsprechend gemanagt. Man denke etwa, ideell unterstützt von radikalisierten Politikern, an die Verteilung von Bolzenschneidern an die Migranten an der mazedonisch-griechischen Grenze oder an das bundesweit durchgestochene Positionspapier aus der Professorenschaft mit der Fake-Behauptung, es sei mandatswidrig, wenn Sozialarbeiter beim Vollzug von Abschiebeurteilen „Amtshilfe“ für die Polizei leisten. Konkret: Angaben zu vermuteten Herkunftsländern zu machen, Abwesenheiten in Unterkünften zu melden oder Adressen untergetauchter Bewohner weiterzuleiten. Dass man staatliche Vorgaben zu missachten hat, ist also erste Lernetappe bei den Einreisenden. Sie passen sich ergo mit einer Dauerrebellion lediglich an das an, was sie vorfinden. Warum diese naheliegende logische Folge vom Mainstream nicht beachtet werden will, ist schon bald nur noch mit einer abstoßenden Faszination für Dreistigkeit zu erklären.
Es bedürfte einer unübergehbaren, multikausal beobachteten Systemstörung im soziologischen Kontext, um Veränderungen überhaupt noch in Gang zu setzen. Die Multikausalität reicht hin bis zur weithin beobachtbaren Kindererziehung, bei der dem Nachwuchs durch Überbehütung keinerlei Frustrationstoleranz mehr zugemutet wird. Die späteren Jugendlichen und Erwachsenen werden vielfach nicht gelernt haben, negative Gefühle wie Wut oder Verlassenheitsängste auszuhalten und sozialverträglich zu verarbeiten. Die Systemstörung hätte aber zuvorderst dort anzusetzen, wo fahrlässig agierenden Politikern, Journalisten und Professoren die Deutungsmacht via rückgratlosem Opportunismus mir nichts, dir nichts zugebilligt wird.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel.