Heidi statt Sahra

Die Linke hat einen neuen Star: Heidi Reichinnek, ihres Zeichens Spitzenkandidatin und TikTok-Star. Der frühere Medienliebling Sahra Wagenknecht steht nun nicht mehr im Rampenlicht. Doch warum ist das so?

Sahra Wagenknecht, einst der vielversprechende Medienliebling, ist aus dem Rampenlicht verschwunden. Sie musste Platz machen für Heidi Reichinnek, ihres Zeichens Spitzenkandidatin der Linken und seit neuestem TikTok-Star. Liegt das an der inhaltlichen Nähe des BSW zur AfD – obwohl Frau Wagenknecht sich gern von der Konkurrenz zu distanzieren sucht – oder vielleicht an etwas anderem?

Vergleichen wir die beiden Damen miteinander: die woke Feministin und die beherrschte Altlinke. Ein paar Gemeinsamkeiten lassen sich nämlich durchaus finden. Beginnen wir mit den oberflächlichen Feststellungen: Während Sahra Wagenknecht sich elegant und klassisch kleidet, sieht man Heidi Reichinnek zwar manchmal im Kleid, aber hauptsächlich casual-chic. In ihrem Aussehen teilen sie allerdings eine Gemeinsamkeit mit einer, sagen wir, „geringfügigen“ Abweichung. Sahra Wagenknecht trägt Rosa Luxemburg auf dem Kopf, während Heidi Reichinnek ihr Bild auf dem linken, ihrem sogenannten „politischen“ Arm tätowiert hat. Was ist wohl objektiv schöner?

Und wo wir gerade über Tätowierungen reden. Neben Luxemburgs Kopf auf Reichinneks Arm ist ein Bild von Nofretete zu sehen. Allerdings wurde deren Antlitz noch eine Gasmaske hinzugefügt. Was sie damit ausdrücken will, verstand ich zunächst überhaupt nicht. Auf ihrem TikTok-Kanal erklärte sie die Abbildung als Symbol für die „Rolle der Frau“ und Menschen, die demonstrieren, weil sie frustriert seien. Wie die Gasmaske allerdings mit Demos in Einklang zu bringen ist, erschloss sich mir nicht. Oder haben Sie schon mal Feministinnen mit Gasmasken bei einer Veranstaltung gegen Rechts gesehen?

Der Hintergrund ist folgender, berichtete Der Westen„Während ihres Studiums hielt sich Heidi Reichinnek vom September 2010 bis Juni 2011 in Kairo auf, wo sie Aufstände und Demonstrationen des arabischen Frühlings miterlebte, die sich gegen das autoritäre Regime der nordafrikanischen Länder richteten. In Anlehnung an dieses Erlebnis ließ sich Heidi Reichinnek privat die Königin Nofretete mit einer aufgezogenen Gasmaske tätowieren.“

Rosa Luxemburg als Vorbild

Nofretete ähnelt Heidi Reichinnek nicht im Geringsten. Im Gegensatz zu Sahra Wagenknecht. Diese Meinung vertrat man zumindest bei der Zeit und analysierte ihr Verhalten in Talkshows:

„Wenn sie nicht sprach, verwandelte sie sich in eine unbewegliche Statue, ihre Gesichtszüge erinnerten in ihrer Feinheit und Strenge an die berühmte Büste der Nofretete – und ihr Dutt hatte, wohlwollend betrachtet, etwas von einer Königskrone. Die antiken ägyptischen Bildhauer haben so gut wie nie in den Gesichtern ihrer Königinnendarstellungen irgendeine Gemütsbewegung zum Ausdruck gebracht, weshalb sich Wagenknecht eben auch phänotypisch von ihrem einstigen Vorbild Rosa Luxemburg irgendwann ganz in Richtung des ägyptischen vorchristlichen 14. Jahrhunderts umorientiere.“

Heidi Reichinnek hingegen kommt lauter, schriller, frecher und ­– was soll man sagen – auch unangenehmer daher. Auch wenn es im Bundestag vielleicht zur Tagesordnung gehört, sich gegenseitig anzuschreien, so übertreibt die Spitzenkandidatin der Linken doch ein wenig. Ob Rosa Luxemburg auch so getobt hätte?

Von verwirrten Männern als attraktiv gelesen

Zu ihrer Verteidigung sei angemerkt, dass es wenig Gründe zum Wundern darüber geben müsste, warum ausgerechnet gerade ihr von ihrer Partei so viel Zeit für Shows gegeben wird. Schaut man in die Reihen der Linken, während Reichinnek zum Beispiel hier ihre flammende Rede gegen Merz hält, wird dieser Umstand deutlich. Sie wird vermutlich von verwirrten Männern als attraktiv gelesen – im Gegensatz zum Großteil ihrer Kolleginnen.

Hinsichtlich der politischen Herkunft der beiden Kandidatinnen kann man sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede feststellen. Während Sahra Wagenknecht sich analog selbst erfunden hat, wurde das Phänomen Reichinnek eher digital kreiert – ihr TikTok-Account besteht schon seit 2021 und startete inzwischen richtig durch. Damals stellte sie sich in ihrem ersten Video als jüngste Abgeordnete der Linken im Bundestag vor.

Der Grund, warum Heidi Reichinnek mittlerweile mehr medial gepusht wird, liegt vermutlich darin begründet, dass sie – im Gegensatz zu Wagenknecht – mit ihrer Selbstdarstellung dem Zeitgeist entspricht. Sie setzen sich zwar beide für die vermeintliche „soziale Gerechtigkeit“ ein ­– wie das Linke eben machen –, aber Reichinnek fügt dem noch ihre besondere Hingabe gegenüber Feminismus und Abtreibung hinzu. Und das kommt insbesondere in der Jugend gut an.

Bei der U-18-Bundesjugendwahl erhielten die Linken mit 20,8 Prozent den höchsten Stimmenanteil. Nach ihr folgten die SPD mit 17,9 Prozent, die CDU/CSU mit 15,7 Prozent und die AfD mit 15,5 Prozent. Glaubt man diesen Ergebnissen, so tendiert die Jugend doch nicht so sehr zu rechten Parteien, wie die letzte Studie Jugend in Deutschland 2024“ dokumentierte. Von 22 Prozent auf 15,5 Prozent ist für die AfD ein herber Rückschlag und bedeutet, dass die linke Indoktrination in Schule und auf Social Media langsam Wirkung zeigt – falls die Ergebnisse korrekt sind. Außerdem berücksichtigt die U-18-Bundesjugendwahl nur die unter 18-Jährigen, während die Jugendstudie sich auf 14- bis 29-Jährige bezog.

Anbiederung an die alte Garde

Von Wagenknecht oder dem BSW hört man mittlerweile kaum noch was. Und falls doch, dann sind es eher Negativnachrichten. Zum Beispiel die Nachricht von den beiden BSW-Emder Stadträten, die zurück zu den Linken wechselten, weil das BSW dem Entwurf des Zustrombegrenzungsgesetzes zustimmt. Einer der beiden Politiker, Stefan Luitjens, äußerte sich wie folgt: „Wenn man bei einem so wichtigen Thema, das über viele menschliche Schicksale entscheidet, einer Meinung mit der AfD ist, steht man meiner Ansicht nach auf der falschen Seite der Geschichte.“

Diese Meinung vertreten vermutlich auch die Altparteien und die etablierten Medien, die Wagenknecht eventuell auch deswegen nicht mehr ins Rampenlicht stellen wollen. Am Ende könnte sie sich möglicherweise doch noch mit der AfD einlassen. Und damit meine ich natürlich nicht die witzigen Videos, die von Weidels und Wagenknechts vermeintlicher Romanze im Internet kursieren (hier und hier).

Vermutlich ist der eigentliche Grund der, dass Wagenknecht nicht mehr als vermeintliche Opposition und somit als Stimmenfänger für die „Unzufriedenen“ fungieren muss. Diese Aufgabe durfte Friedrich Merz übernehmen, der betonte„Es wird mit uns und auch mit mir keine Zusammenarbeit mit der AfD geben.“

Was sie allerdings gemeinsam haben, ist ihr Drang, sich an die jeweilige alte Garde der Linken anzubiedern. Während Sahra Wagenknecht sich als junge Frau an Lafontaine ranschmiss, verhält sich Reichinnek im Hinblick auf Gregor Gysi ähnlich. Ein Zufall? Vielleicht ist Sahra Wagenknecht ja Heidi Reichinneks heimliches Vorbild?

 

Marie Wiesner, Jahrgang 1999, arbeitet in der Redaktion der Achse des Guten.

Foto: CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Karl-Heinz Vonderstein / 21.02.2025

Habe die letzten knapp zwei Wochen zweimal den Wahlomat benutzt, beim zweiten Male habe ich mich in einigen Punkten anders entschieden. Beide Male hatte ich die meisten Übereinstimmungen mit der Linken, zumindest von den Bundestagsparteien. So im Zweidrittel Bereich, über 67 Prozent Übereinstimmungen. Die wenigsten Übereinstimmungen hatte ich beim ersten Mal mit der AfD (40%) und beim zweiten Mal mit der FDP (über 32 Prozent) Hatte immer eindeutig mehr Übereinstimmungen mit den linken Parteien von Linke, Grüne und SPD, und mit dem BSW als mit CDU (Union), AfD oder FDP. Dabei dachte ich immer, ich wäre konservativ bis moderat rechts. Was ich wohl fast nur in der Migrationspolitik bin. Tja, wen wähle ich am Sonntag? Gehe auf jedenfall wählen.

Carsten Sievert / 21.02.2025

Wahnsinn, dass hier im Leserforum Leute vom “grössten Menschheitsverbrechen aller Zeiten” faseln dürfen und damit tatsächlich die Coronapolitik meinen! Das muss je wohl diese Vance’sche Meinungsfreiheit sein…ich Klotz im Strahl

Chris Kuhn / 21.02.2025

Die Umfragen sind in meinen Augen gefälscht mit dem Zweck, das BSW durch Wählermanipulation aus dem Bundestag raus zu bekommen, weil Sahra Wagenknecht dort wieder die mit Abstand beste Rednerin wäre.

E Ekat / 21.02.2025

Keine der beiden. Wagenknecht, Handpuppe von Lafontaine mit dem linken Ziel, die Zustimmung zur AfD zu reduzieren, indem Wagenknecht deren Positionen, allerdings aus der linken Perspektive spielt.  Hat in Sachsen und Thüringen funktioniert, inzwischen verbraucht. Die andere Lady braucht man, wenn man sich von der DDR nicht lösen kann. TikTok. SED, aber ohne KPdSU.

Hans-Joachim Gille / 21.02.2025

@Arthur Sonnenschein ... Frauen wählen leider meist mit dem Uterus, was das Frauenwahlrecht seit über 100 Jahren scheitern läßt, obsolet macht, kann weg. Frauen wählten IM Erika vor allem deswegen, weil Sie als Frau keine Konkurrenz darstellt. Sahra Wagenknecht wird maßgeblich von Männern gewählt. Sie sieht apart aus, mit einem Schuß Exotik, & ist keine der üblichen linken Schlampen, die meist horizontal Karriere machen. Das mögen gerade konservative Männer. Außerdem kann Sie, ein Alleinstellungsmerkmal unter Linken, vernünftig reden. Reichinnek, hingegen, ist zwar nicht wie Bärbock im Alter von 9 Jahren stehengeblieben, aber dafür mental mit 13 oder 14, daher auch permanent die pubertären Ausraster. Das sie damit bei geistigen Ihresgleichen, also Jugendlichen gut ankommt, bleibt logisch, wie Frau Wiesner beschreibt. Aber politisch sind Jugendliche nicht ernst zu nehmen. Da hat mein Hund mehr politischen Sachverstand, der bei Bärbock im TV immer auf dem Rücken liegt & sich fast totlacht. Reichinnek müßte ich mal mit ihm testen.

W. Renner / 21.02.2025

Und wen interessiert das, welches Rosa Luxemburg Modell in der x-ten SED Nachfolgeorganisation welches Tattoo trägt. Bitte an Carmen Lanzberger weiter leiten. Die machen 4 Wochen Bauchreden daraus für unsere DDR 2.0 verstehen daraus.

Gunther Laudahn / 21.02.2025

“JOY” hat schon bei Kamala Harris nicht geklappt.

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