Henryk M. Broder / 30.10.2021 / 06:25 / Foto: Olaf Kosinsky / 142 / Seite ausdrucken

Hausfrau und Mutter am Rande des Existenzminimums

Es gibt viele Gründe, warum Menschen in die Politik gehen. Der eine macht es „wegen Auschwitz“, die andere, „um die Welt jeden Tag ein kleines bisschen besser zu machen“. Dafür gibt es auch eine angemessene „Entschädigung“.

Zum Abschluss eines längeren Interviews, in dem es um die Chancen einer Ampel-Koalition aus SPD, FDP und den Grünen ging, wurde die Co-Vorsitzende der SPD, Saskia Esken, von zwei taz-Reportern gefragt, ob sie in der zu bildenden Regierung „Ministerin werden“ möchte. Sie antwortete: „Ich bin in die Politik gegangen, um die Welt jeden Tag ein kleines bisschen besser zu machen. Das tue ich an dem Platz, wo es am besten geht.“ Ins Alltagsdeutsch übersetzt hieß das: „Ich halte mir alle Optionen offen. Fragen Sie mich noch einmal, wenn es so weit ist.“

Vor weniger als vier Jahren hat Eskens Parteifreund Heiko Maas anlässlich seiner Amtseinführung als Außenminister erklärt, er sei „wegen Auschwitz in die Politik“ gegangen. Man muss ihm zugutehalten, dass er es geschafft hat, eine Wiederinbetriebnahme des deutschen Konzentrationslagers auf polnischem Boden zu verhindern. Bei der Rettung der deutschen Ortskräfte in Afghanistan war er dagegen weniger erfolgreich. Noch immer warten Tausende darauf, ausgeflogen zu werden, derweil die Bundesregierung den Taliban 600 Millionen Euro für den Wiederaufbau des Landes in Aussicht gestellt hat. Jeder kann etwas tun, um die Welt jeden Tag ein kleines bisschen besser zu machen, man/frau muss es nur wollen. 

Zurück zu Saskia Esken, der Co-Vorsitzenden der SPD.

Laut ihrer eigenen Homepage verfügt sie über monatliche Einkünfte von etwa 24.000 Euro. Allein die „Abgeordnetenentschädigung“ macht 10.000 Euro aus, die „steuerfreie Kostenpauschale“ 4.500 Euro, als „Parteivorsitzende der SPD“ kassiert sie eine „monatliche Aufwandsentschädigung“ von 9.000 Euro. 

Hinzu kommen kleinere Beträge wie ein „Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung“ über 368 Euro monatlich oder eine „Bürokostenpauschale“ von 12.000 Euro jährlich oder 1.000 Euro monatlich. Von diesem „Familieneinkommen“ bestreiten Frau und Herr Esken ihren Lebensunterhalt und auch den „Lebensunterhalt und Ausbildung unserer drei Kinder“, die offenbar noch zu jung sind, um für sich selbst zu sorgen. So kann man und frau die Welt jeden Tag ein kleines bisschen besser machen.

Auch als berufstätige Hausfrau und Mutter am Rande des Existenzminimums.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.

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E Ekat / 30.10.2021

Aufwandsentschädigungen des Staates sind hier steuerfrei. Insoweit ergibt sich ohnehin kein mit Normalsterblichen vergleichbares Bild über zur Verfügung stehende Mittel.

Alexander Mazurek / 30.10.2021

@Gabriele H. Schulze: “Jaaaah, was soll ich mich da aufregen. Die (“da oben”) machen ja doch, was sie wollen.” - Die 2500 Jahre alte Aussage “die Starken tun, was sie wollen, und die Schwachen ertragen, was sie müssen” wird Thukydides zugeschrieben und ist heute so wahr wie damals. Fest auf dem Boden des GG.

Alexander Mazurek / 30.10.2021

@Jürg Rückert: “Die hohen Diäten der Abgeordneten wurden vor Jahrzehnten damit begründet, dass die Abgeordneten dadurch vor Korruption bewahrt werden könnten.” - Der Appetit wächst mit dem Essen. die Gier nach mehr ist grenzenlos. J: J. Rousseau warnte bereits 1772 in “Überlegungen zur Regierung von Polen” vor “europäischen Werten”: “Heutzutage gibt es keine Franzosen, Deutschen, Spanier und sogar keine Engländer mehr, egal was andere sagen mögen: es gibt nur noch Europäer. Alle haben sie denselben Geschmack, dieselben Wünsche, dasselbe Benehmen, weil niemand mehr durch besondere Institutionen regional geprägt wurde. In derselben Lage werden alle dasselbe tun, alle werden sie sich selbstlos nennen, und tatsächlich Schurken sein; alle werden öffentliches Wohl predigen, jedoch nur an sich selbst denken; alle werden Mäßigung preisen und für sich wünschen, so reich wie Krösus zu sein. Sie streben nach nichts außer Luxus, sie sehnen sich nach nichts außer Gold; sicher, dass ihnen Geld alle Wünsche ihres Herzens kaufen kann sind sie bereit, sich an den Erstbesten für Geld zu verkaufen. Was kümmert sie, welchen Herren sie dienen und welchem Gesetz sie folgen? Vorausgesetzt, sie finden Geld zu stehlen und Frauen zu verführen, werden sie sich in jedem Land heimisch fühlen.” Es gibt nichts Neues unter der Sonne.

Thomas Schmied / 30.10.2021

@M.Müller - Es geht nicht um “Neid”, es geht um Relationen zu wirklichen Leistungsträgern und um Verhältnisse von Kosten und Nutzen. Was ich glaube, dass mir alles “zusteht”, das können Sie sich kaum vorstellen.

Jochen Lindt / 30.10.2021

Hm…naja…ääh… was unterscheidet sie jetzt konkret von anderen “Volksvertretern”?

Torsten Lange / 30.10.2021

@M.Müller: Tunnelblick in Kombination mit Neidunterstellung geht immer!  Den Unterschied zwischen Sein und Schein aber zu entlarven, erst recht bei Personen, denen der Hass ins Gesicht geschrieben ist und deren Versagensbiographien sich lediglich aus Parteikarrieren schöpfen ist notwendiger denn je!

Gerhard Schmidt / 30.10.2021

“Linke bestreiten alles - Außer dem eigenen Lebensunterhalt.” (‘Helmut Schmidt)...

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