Berliner Landeswahlleitung erklärt dem Verfassungsgerichtshof die Berliner Wahlpannen.
Eigentlich müsste es in einem zivilisierten demokratischen Land Gegenstand erregter Debatten sein, wenn in Teilen der Hauptstadt nicht alle Wahlberechtigten wählen durften. Dass stattdessen aber Nicht-Wahlberechtigte abstimmen konnten, falsche Stimmzettel ausgegeben wurden, nicht richtig ausgezählt werden konnte und deshalb Stimmergebnisse auch schon mal geschätzt wurden, ist in einem demokratischen Gemeinwesen ein Unding. Trotzdem war es monatelang erstaunlich ruhig. Derzeit ist der Wahl-Skandal wieder in den Medien. Zunächst hatte der Bundeswahlleiter beim Bundeswahlausschuss die Wiederholung der Bundestagswahl in der Hälfte der Berliner Wahlkreise beantragt. Die nicht minder fehlerbehaftete Abgeordnetenhauswahl steht in Berlin deshalb nun erst recht auf dem Prüfstand.
Jetzt hat die Berliner Landeswahlleitung gegenüber dem Verfassungsgerichtshof offengelegt, was ihr über die Pannen bei der Wahl im September 2021 bekannt ist, berichtet welt.de. Die Behörde gehe demnach derzeit davon aus, dass bei der Abgeordnetenhauswahl im September 2021 in mindestens 3577 Fällen falsche Stimmzettel ausgegeben worden seien. In 4706 Fällen sei zudem gänzlich vergessen worden, Erst- oder Zweitstimmunterlagen an Wahlberechtigte auszuteilen.
Am 26. September 2021 mussten bekanntlich immer wieder Berliner Wähler abgewiesen werden, weil zu wenige Stimmzettel vorhanden waren. Die zwischenzeitlichen Schließungen der Wahllokale hätten sich, so heißt es jetzt, auf mindestens 55 Stunden summiert.
All das gehe aus einer Antwort der stellvertretenden Wahlleiterin Ulricke Rockmann auf Fragen des Berliner Landesverfassungsgerichtshofs hervor. Der Verfassungsgerichtshof müsse in den kommenden Monaten über eine Wiederholung der Wahl entscheiden.
In der Stellungnahme nenne die Wahlleitung auch Gründe für die Verwechslung von Stimmzetteln. Wen wundert‘s, dass demnach die Schuldigen am Desaster nicht im eigenen Hause zu suchen sind. Die beauftragte Druckerei und die Bezirke hätten Fehler gemacht und zu wenig Sorgfalt walten lassen.
Dennoch sind all die Pannen in einem Land, dessen zuständige Verwaltung schon jahrzehntelang Wahlen organisiert, kaum erklärlich. Beispielsweise, wenn Wahlhelfer zu Protokoll gegeben hätten, dass die Stimmzettel teils bereits am Mittag ausgegangen wären.
Eigentlich dürfte es an der Notwendigkeit der Wahlwiederholung keine Zweifel geben. Zumal offenbar auch kaum Hoffnung besteht, die Vorgänge um das Berliner Wahlchaos lückenlos zu klären. Laut morgenpost.de halte die Landeswahlleiterin die Aufklärung aller Pannen für nicht möglich.
Im Unterschied zur Bundestagswahl, deren Wiederholung in sechs Berliner Wahlkreisen die Mehrheitsverhältnisse im deutschen Parlament kaum nennenswert verändern kann, könnte eine wiederholte Abgeordnetenhauswahl das Kräfteverhältnis deutlich zu Ungunsten der SPD und ihrer Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey verschieben.