Gastautor / 19.01.2019 / 06:08 / 60 / Seite ausdrucken

Hate Speech is Free Speech

Von Dimitrij Sokurenko.

„Kritik“, so Adorno, sei zwar „als zentrales Motiv des Geistes nirgends in der Welt zu beliebt“, allerdings gäbe es gute Gründe „bei Kritikfeindschaft, zumal im politischen Bereich, auch an spezifisch Deutsches zu denken“. Die Gründe dafür lagen für den Philosophieprofessor in der historischen Entwicklung der politischen und ökonomischen Verhältnisse in Deutschland:

„Die volle bürgerliche Befreiung ist in Deutschland nicht gelungen oder erst in einer Phase, an der ihre Voraussetzungen, der Liberalismus des zerstreuten Unternehmertums, ausgehöhlt war.“ (1)

Die relativ späte nationalstaatliche Einigung hatte „bis in geistige Verzweigungen hinein ihre Folgen“, was sich in der weiten Verbreitung von „undemokratischen Bewusstseinsformen“ zeigte. „Eine solche zurückgebliebene Verhaltensweise“ stellt nach Adorno das „Misstrauen gegen Kritik und die Neigung, sie unter welchem Vorwand auch immer abzuwürgen“ dar.

Ein heute gängiger Vorwand ist der Vorwurf der Hetze beziehungsweise hate speech. Inhaltlich bietet das Strafgesetzbuch der pc-police dabei ein buntes Potpourri, das von „Islamophobie“ und „Rassismus“ über „Sexismus“ und „Heteronormativität“ zu „Klimaleugnung“ reicht – ein Vorwurf, der nicht umsonst an „Holocaustleugner“ erinnert. Schließlich stelle der Klimawandel, ähnlich wie die anderen Phänomene der hate speech eine ungeheure Bedrohung des friedlichen Zusammenlebens der Menschen dar.

Der Abgrund zwischen Worten und Taten

Während es in den USA etwa weitläufig anerkannt ist, dass selbst unsachliche, beleidigende Kritik in der politischen Debatte ihre Berechtigung hat, sind die Rufe nach Zensur in Deutschland allgegenwärtig. Mal ist es sexistische Werbung, die ahnungslose Refugees zu Gruppenbelästigungen angestiftet haben soll (2), mal harmlose islamfeindliche Äußerungen, die der Social-Media-Zensur zum Opfer fallen. Das neueste Phänomen in der Hinsicht kommt jedoch von der politischen Rechten in Deutschland. 

So grausam die Attacke auf Frank Magnitz und die entsprechenden Reaktionen von selbsternannten Antifaschisten im Internet auch sind – die negative bis beleidigende Berichterstattung über die AfD in den Medien führte nicht zu dieser Tat (3). Verantwortlich für das Verbrechen sind die Täter. Gleiches gilt für gewalttätige Übergriffe auf Flüchtlinge: Beleidigende Worte über den Islam oder Muslime sind eben genau das, Worte. Zwischen ihnen und dem Schritt zuzuschlagen liegt ein Abgrund – die Entscheidung, ihn zu überschreiten, trifft der Täter selbst. 

Welche Ideologie die Schläger motivierte, die Magnitz angegriffen haben, ist naheliegend. Und trotzdem ist es genauso das Recht der Linken, die AfD-Politiker als „Rassisten“ zu titulieren, wie es das gute Recht vernünftiger Menschen ist, die linken Befürworter von Seniorenschlägern als die faschistoiden Charaktere zu bezeichnen, die sie sind. Durch all das stehen trotzdem nicht „Weimarer Verhältnisse“ vor der Tür. Und um das zu verstehen, muss man nicht Adorno gelesen haben. Viel eher reicht die Erinnerung an die Weisheit eines alten, englischen Kinderliedes:  

„Sticks and stones may break my bones. But names will never harm me.“

Dimitrij Sokurenko ist 26 Jahre alt, hat einen Bachelor in Sozialwissenschaften absolviert und studiert derzeit Erziehungs- und Bildungswissenschaften im Master in Marburg.

(1) Adorno, Theodor Wiesengrund: Kritik. Kleine Schriften zur Gesellschaft. 2. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp. 1973. S.10- 20.

(2) „Im Januar 2016 hat der SPD-Bundesvorstand ein Verbot sexistischer Werbung auf die Agenda gesetzt.“ Hier. 

(3) „Gauland/Meuthen: Mordversuch an Frank Magnitz ist das Ergebnis einer permanenten Hetze gegen die AfD“. Hier. 

Foto: Pixabay

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Jörg Klöckner / 19.01.2019

Sogar das Strafgesetzbuch kennt die Anstiftung. Nach §26 wird der Anstifter “gleich einem Täter bestraft”. Was sind Worte anderes als Anstiftung!

Alexander Brandenburg / 19.01.2019

Jeder sollte frei sprechen können, auch wenn die Rede ein Gerede ist oder eine dumme bis falsche Aussage macht und unendliche Beleidigungen und Hass enthält. Persönliche Klage dagegen wäre ein Weg, den jeder, wenn er will, bestreiten kann. Wenn der Staat hier aber die Definitionshoheit enthält, sind wir auf einem abschüssigen Weg. Hass-Rede ist doch nichts anderes, als ein weiterer Versuch, Denken und Sprechen zu disziplinieren. Wenn Bundestagsabgeordnete, die Kanzlerin und der Bundespräsident etwa zu Trump oder zur AfD Aussagen machen, die allesamt unterirdisch sind, findet es in den Medien weitgehend Zustimmung und keiner spricht von Hass-Rede. Warum auch? Ich finde solche Fehlleistungen von Leuten, die es besser wissen sollten, immer wieder erhellend und aufklärerisch. Sie verraten von der “Elite"mehr als jede korrekte Rede. Ich sehe also in jeder Rede einen Moment der Aufklärung. Sprachverbote sind immer kontraproduktiv und verhindern Erkenntnisse. Letztlich ist die Polizei der Sprache ein Herrschaftsmittel. Sehen wir nur auf das Nazi-Narrativ!

Thomas Taterka / 19.01.2019

Wenn “wir ” endlich durch sind mit den Klärungen der Begriffe, werden wir nirgendwo mehr hingehen können, ohne von der Fratze der neuen ” Ordnung ” lächelnd begrüßt zu werden. Da hilft dann nichts mehr. Ist das ” deutlich” genug,  fürs erste?

Wilfried Paffendorf / 19.01.2019

Lieber Herr Dimitrij Sokurnko. Ihre Darstellungen sind unvollständig und führen deshalb zu Missverständnissen. Ich habe sie so verstanden, dass a priori nur zur Gewalt neigende Menschen anfällig für gewaltsame Lösungen politisch, ideologisch und gesellschaftlich unterschiedlicher Standpunkte führen.

Heinz Gerhard Schäfer / 19.01.2019

Streiten über “die Sache” können Deutsche anscheinend nicht, es wird zu oft persönlich und gleitet in die Feindseligkeit ab! Willst Du nicht mein Bruder sein, so schlag ich Dir den Schädel ein! Natürlich können wir über den Islam und über alle seine Folgen diskutieren, aber diskutieren wir damit über Muslime? Natürlich läßt sich trefflich über politische Ansichten diskutieren, aber ist dadurch mein Gegenüber auch mein Feind? Eine gesunden Streitkultur unterscheidet zwischen Sachlage und Person. Dazwischen existiert eine Grenze. Wird diese Grenze überschritten, kommt es über kurz oder lang zur Gewalt. Dann folgen den Worten auch Taten. Und somit gebe ich dem Autor Herrn Sokurenko hier nicht Recht!

Timm Koppentrath / 19.01.2019

Ja, die Argumentation is überzeugend, aber der Vergleich mit den USA hinkt etwas, denn die USA wurde auch nicht etwa von Safe-Spaces, Micro-Aggression und Euphemismus verschont. Hätte Magnitz bleibende Schäden davon getragen, wäre er jetzt ganz im Sinne der Linken “diffently-abled” und nicht behindert. Mittlerweile sind die ideologischen Kämpfe in der westlichen Welt “dank” der Globalisierung nahezu im Gleichtakt. Es wäre schon etwas besonderes wären die AfD Vertreter nicht genau in die gleiche Argumentation verfallen, wie es der politische Gegner machen würde. Es bleibt die Misanthropie oder sagen wir einer allgemein kritischen Betrachtung vieler menschlicher Charakterzüge wie z.B. das Messen mit zweierlei Maß.

Thorsten kirchhoff / 19.01.2019

Ein weiterer Relativierungstext zum Anschlag auf den AFD Politker Magnitz, den ich so auf der Achse nicht erwartet hätte. Das kennt man sonst nur vom Spiegel, TAZ oder SZ. Natürlich ist es ein Unterschied, nur dazu aufzurufen und das politische Klima gegen die AFD und deren Mitglieder anzuheizen oder tatsächlich einen Menschen grün und blau zu schlagen. Das der Autor in den hasserfüllten Äußerungen von Politker der SPD und den Grünen gegenüber AFD Politkern Ursache und Wirkung nicht erkennen kann, ist für einen Sozialwissenschaftler und angehenden Bildungs- und Erziehungswissenschaftler wirklich ein berufliches Armutszeugnis.

Uta Buhr / 19.01.2019

@Gerhard Mader und Ruedi Tschudi: Ich stimme Ihnen beiden ohne Vorbehalt zu. Ein völlig überflüssiger Artikel eines ebenso überflüssigen Sozialwissenschaftlers.

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