Ramin Peymani, Gastautor / 17.02.2020 / 12:00 / Foto: Fabian Nicolay / 9 / Seite ausdrucken

Hassrede-Gesetze: Warum in die Ferne schauen, liegt das Böse doch so nah

Plötzlich prangern deutsche Journalisten das Gesetz gegen Hetze und Falschinformationen an. Und ausgerechnet die „SZ“, die bislang eher zu den Unterstützern einschlägiger Zensurbemühungen zu gehören schien, setzt sich nun an die Spitze der Mahner. Gemeinsam mit Menschenrechtlern warnt sie, das Gesetz werde dafür eingesetzt, „Kritiker zum Schweigen zu bringen“. Denn die Regulierung der sozialen Netzwerke sei „nicht auf Äußerungen reduziert, die zu Gewalt oder Diskriminierungen führten“ und eröffne in ihrer vagen Formulierung Spielräume dafür, nicht nur strafbare Aktivitäten zu verfolgen, sondern gegen unliebsame Meinungen vorzugehen.

Es ist nicht zuletzt die Definition von Hassrede, die den Journalisten Sorge bereitet. Denn eine rechtsgültige Entscheidung darüber, was dies ist, obliegt bekanntlich nur den Gerichten. Eine Regierung, die sich zum Ankläger und Vollstrecker zugleich macht, setzt sich dem Verdacht aus, es gehe um die Errichtung eines totalitären Regimes. Das umstrittene Gesetz werten Beobachter als Rückfall in dunkle Zeiten. Dabei hatte sich Äthiopien zuletzt zum Vorzeigestaat in Sachen Pressefreiheit entwickelt.

Ja, Sie lesen richtig, die „SZ“-Kritik gilt nicht etwa dem Hassrede-Gesetz in Deutschland, sondern jenem in Äthiopien. Gleich um 40 Plätze konnte sich das Land 2019 in der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit der „Reporter ohne Grenzen“ verbessern. Nun will der als Reformer angetretene Premier Abiy Ahmed die Zügel aber offensichtlich wieder anziehen. Er hat – wie so viele seiner europäischen Kollegen auch – erkannt, dass das Internet autokratischen Herrschaftsansprüchen im Weg steht.

Vom gemütlichen Redaktionsschreibtisch aus

Bezeichnenderweise sind sich die deutschen Medien fast durchweg einig darin, dass derselbe Ansatz hierzulande völlig legitim ist. Natürlich trennen Deutschland und Äthiopien in puncto Meinungsfreiheit und Demokratie Welten. Doch gerade deshalb hätte man sich eine ähnlich kritische Bewertung der deutschen Gesetzgebung gewünscht. Wer sich stattdessen an Äthiopien abarbeitet, verliert jegliche Glaubwürdigkeit. Die Doppelzüngigkeit, die sich im überwiegend linken Blätterwald finden lässt, tritt selten so überdeutlich zutage wie im Falle der Einschätzung zweier demokratiefeindlicher Vorstöße, von denen der eine bejubelt wird, weil er Nicht-Linke in Ketten legt, während der andere als Vorbote der Diktatur gilt, weil er, vom gemütlichen Redaktionsschreibtisch aus betrachtet, die „Falschen“ trifft.

Was Deutschland angeht, so müsste gerade die „Vierte Gewalt“ großes Interesse an der Verteidigung von Meinungsfreiheit und Pluralismus haben. Und der Rechtsstaat einer gewachsenen Demokratie braucht keine Zensur, um Straftaten zu ahnden. Eine Zensur wirkt vielmehr demokratiezersetzend und schürt erst Hass, wo sie ihn zu bekämpfen vorgibt. Längst scheint es, dass Medien und Politik der Spaltung der Gesellschaft nicht entgegenwirken wollen, sondern aus den unterschiedlichsten Motiven von ihr zu profitieren hoffen. Entsprechend wird die Hassrede-Verurteilung Rechter tagelang medial zelebriert, während die Bestrafung linker Hetzer nicht einmal den Weg ins örtliche Blättchen findet. Verurteilte Linke sind allerdings auch recht schwierig aufzuspüren, weil nicht nur Politik und Medien, sondern auch die Gerichte gerne mit zweierlei Maß messen.

Dass dies so ist, liegt nicht zuletzt am Strafrecht, das extremistisches Verhalten Rechter akribisch definiert, aber dem linksextremen Spektrum keine Grenzen setzt, die über Straftatbestände wie üble Nachrede, Beleidigung oder Verleumdung hinausgehen – mit den entsprechenden Konsequenzen für die Statistik politisch motivierter Straftaten. Die Großzügigkeit, mit der extreme linke Hetze nicht nur von den sozialen Netzwerken, sondern auch von der Justiz toleriert wird, ist hinlänglich dokumentiert. „Deutschland soll verrecken“ gilt dabei ebenso als Vorzeigebeispiel gelebter Meinungsvielfalt wie der Wunsch, alle Rechten mögen „mal kräftig eins auf die Fresse“ bekommen.

Das polit-mediale Beben in Erfurt zeigt, dass die einseitige Fokussierung auf das Ausschalten bürgerlich-konservativer Stimmen nicht nur für die Gesellschaft katastrophal ist, sondern auch für die Parteien selbst. Angeführt von der früheren SED wird die extreme Linke wohl schon bald wieder eine Thüringer Landesregierung bilden. Deren Brüder im Geiste schicken sich an, den kommenden Bundeskanzler zu stellen. Für freiheitliche Kräfte bleibt dann nicht mehr viel Raum. Ihnen werden die parlamentarischen Mehrheiten fehlen, um die totalitäre Neudefinition dessen, was als demokratisch gilt, abzuwenden. Vielleicht wird man irgendwann auch hierzulande erkennen, dass es keinen guten Totalitarismus gibt. Nicht einmal in Deutschland mit seiner immensen Erfahrung bei der Errichtung von Diktaturen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Ramin Peymanis „Liberale Warte"

Foto: Fabian Nicolay

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Karl-Heinz Vonderstein / 17.02.2020

Weiß noch, dass vor etwa zwei Jahren im ARD Morgenmagazin eine Meldung darüber war, dass in Mexico City am Tag zuvor ein Bus verunglückt sei und dabei mehrere verletzt wurden.Am selben Tag wurde in einer deutschen Stadt eine Frau von einem jungen Flüchtling vergewaltigt, was aber im ARD Morgenmagazin oder in einer anderen Nachrichtensendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens keine Meldung wert war.

Jochen Becker / 17.02.2020

Die Einordnung in linken und rechten Hass dürfte überholt sein. Den Eliten geht es um die grundsätzliche Entmündigung des Plebs. Besonders die gängige Wahrnehmung der Grünen als links oder “progressiv” wird sich kurz nach ihrer Machtergreifung als Irrtum herausstellen, sie sind eine autoritäre, kryptofaschistische Bande. Es wäre eine klügere Politik, die Menschen ihren aufgestauten Hass in den sozialen Medien ausleben zu lassen, anstatt gewalttätige Aktionen zu riskieren, wie sich das bei der Antifa oder militanten Rechten manifestiert. Der Kampf gegen die “Rechten” bedeutet auch eine Warnung an die “Linken”. Die herrschenden Overlords kennen keine Loyalität (außer untereinander).

Jochen Brühl / 17.02.2020

In Deutschland können Stalinisten nach 1970 geborene Politiker ungestraft die “Mörder von Buchenwald” nennen, womit sich unsere Mainstrammedien im Falle Äthiopiens mal entspannt zurückhalten können. Sie sind damit eindeutig auf der guten Seite.

Sabine Schönfelder / 17.02.2020

Täglich nimmt die Meinungsverengung zu. Das große Ziel ist die Abschaffung des politischen Gegners, der einzigen politischen Alternative innerhalb des Bundestages, - des Dorns im Auge der Einparteienmehrheit. Ein neues Internet-Reglement soll die Möglichkeiten für ein AFD-Verbot potenzieren und die linke Presse sorgt für unbewußte gesellschaftliche Zustimmung. Unser Staat bewegt sich immer mehr auf eine grün-rote Ökodiktatur zu, mit ständig anwachsenden Migrantenanteilen aus muslimischer und afrikanischer Sozialisation. Mein einziger Trost ist heute ausnahmsweise mein sonstiger Kritikpunkt: die Blödheit der Menschen. Wir, die wir das Elend erkennen und thematisieren, werden beschimpft. Ausbaden müssen es diejenigen, die in ihrer massenpsychotischen Anhängerschaft selbst für ihren eigenen Ruin sorgen. Ich muß mal wieder diesen wunderbar einfachen, wie überzeugenden Satz aus der Pfälzer Seele zitieren: Scheiße, wema bleed is!

Robert Schleif / 17.02.2020

Ich habe gestern in der Sonderausstellung im Erfurter Museum für Stadtgeschichte ein bemerkenswertes Tortendiagramm über die Verteilung von politisch motivierter Gewalt in Thüringen. Es fand sich unter einem riesigen Fotoplakat mit drei bösartigen faschistischen Glatzen. Wie zu erwarten war, wurde ein reichliches Drittel rechten Gewalttätern, ein knappes Drittel linken Gewalttätern zugeschrieben. Soweit das Visuelle. Aber nun hoppla: Mehr als die Hälfte der rechten Untaten waren Propaganda-Delikte, wovon sicher wiederum die Hälfte von Moslems oder Linken verübt wurden. Die Linken machten sich KEINES EINZIGEN Propagandadeliktes schuldig. Aufrufe zu Gewalt und Mord oder Unterstützung von Terrororganisationen sind OK. Und bei allem, was wirklich weh tut – schwere Körperverletzung, Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung – waren die Linken dreimal so „gut“. In Äthiopien habe ich mich wohler und freier gefühlt.

Detlef Dechant / 17.02.2020

Die Linke weist in Ihrem Grundsatzprogramm von 2011 darauf hin, ihren zu schaffenden demokratischen Sozialismus an den Beispielen in Südamerika zu orientieren. Nun schaue ich nach Venezuela und weiß, was mich erwartet, wenn diese SEDPDSDieLinke an die Macht kämen und zu einem neuen sozialistischen Experiment anheben. Vielleicht sollte denen ein kostenloses soziales Jahr dort ermöglicht werden. Das würde uns hier in Deutschland einiges ersparen.

Heiko Stadler / 17.02.2020

Hier zeigt sich wieder einmal dieser unerträgliche Rassismus des Establishments, das sich zwar zurecht Sorgen um die freie Meinungsäußerung in Äthiopien macht, aber nur die Rechte der “Menschen” in Deutschland sieht, nicht aber die Rechte des “Gesindes” (Friedrich Merz), des “Packs” (Sigmar Gabriel) oder der “Faschisten” (Richter des Verwaltungsgerichts Meiningen).

Rainer Niersberger / 17.02.2020

Den vorletzten Satz des zutreffenden Artikels wuerde ich nicht unterschreiben. Frr mehr als genug Deutsche gibt es tatsaechlich einen guten und schlechten Totalitarismus. Diese “Bewertung” hat nach der Bewunderung der Herren Stalin und Mao durch eher randstaendige Gruppierungen inzwischen den Weg in die Gesellschaft gefunden. Gut zu erkennen an der aktuellen Sicht auf die ehemalige DDR und dem breiten Versuch, so etwas Aehnliches wieder herzustellen, dieses Mal unter einem ganz tollen Narrativ und fuer die NeurotikerInnen sehr wichtigen Narrativ, der Rettung von Welt, Universa, Allen und Jedem, die alten weissen Herren natuerlich ausgenommen. Und der ewige Traum dieser Deutschen, nicht nur endlich geliebt zu werden, sondern die totale Gleichheit (Gerechtigkeit? ), das Paradies auf Erden zu schaffen, kann leicht bedient werden, deutlich leichter als Freiheit und Eigenverantwortung. Selbstredend werden die Hipster lieber die anderen, ohnehin Schuldigen, opfern, als sich selbst. Gewisse (Un)wertueberlegungen sind dem Deutschen tatsaechlich irgendwie sympathisch, die ” Objekte” koennen wechseln, wiewohl unsere jüdischen Freunde schon wieder in das Fadenkreuz der Linksgruenen geraten sind, dieses Mal von den “alten, weissen, maennlichen Leugnern und Schädlingen begleitet”. Nur zum Besten versteht sich.

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