Israels Präventivschlag gegen nukleare und ideologische Zentren des Terrors auf iranischem Staatsgebiet erweckt in der unterdrückten Bevölkerung des Iran Hoffnungen auf den Sturz des ganzen Regimes.
Masih Alinejad, eine der prominentesten Stimmen des iranischen Widerstands, lebt seit Jahren im amerikanischen Exil. Doch selbst dort war sie nicht sicher vor den Handlangern des Mullah-Regimes. Der iranische Geheimdienst versuchte mehrfach, sie zu entführen oder zu ermorden – unter anderem durch die Entsendung von Attentätern auf US-amerikanischem Boden. Die Journalistin musste unter permanentem FBI-Schutz leben, sich an über zwanzig geheimen Aufenthaltsorten verstecken und wurde während des Weltwirtschaftsforums in Davos sogar per Hubschrauber evakuiert. Alinejad steht stellvertretend für viele Regimegegner, die der Islamischen Republik entkommen konnten, aber dennoch zu Zielen eines Staates wurden, der jede abweichende Meinung als existenzielle Bedrohung betrachtet und seine Schergen global gegen Kritiker aussendet.
Alinejad berichtet in einem aktuellen Gastbeitrag für The Free Press von einer Flut persönlicher Nachrichten, die sie nach den gezielten israelischen Luftangriffen auf iranische Führungspersonen erhalten hat – Botschaften voller Erleichterung, Wut, Hoffnung und Sehnsucht nach Gerechtigkeit, wie sie schreibt. Viele dieser Nachrichten kamen von Müttern, deren Kinder in den letzten Jahren von den Revolutionsgarden getötet wurden, von Frauen, die selbst inhaftiert oder gefoltert wurden, und von jungen Menschen, die sich trotz aller Gefahren der Protestbewegung angeschlossen hatten und auf die Straße gingen.
Eine Mutter aus Teheran, deren Sohn 2019 erschossen worden war, schrieb ihr: „Als ich von der Nachricht von Salamis Tod aufwachte, begann ich vor Freude zu schreien, dass ich Gerechtigkeit erlebe.“ Für sie war der Tod des blutrünstigen Revolutionsgarden-Chefs Hossein Salami kein geopolitisches Ereignis, sondern ein ganz persönlicher Moment der Genugtuung – ein Bruch mit der jahrzehntelangen Straflosigkeit gegenüber von Psychopathen, die das iranische Volk terrorisieren. In persischsprachigen Netzwerken feiert man die Tötung solcher „Monster“, die ihre Verbrechen im Namen des Mullah Regimes begehen. Alinejad urteilt: „Die Beseitigung eines Terroristen ist keine Tragödie, sondern ein Schritt in Richtung Gerechtigkeit für all die unschuldigen Leben, die er zerstört hat.“
Israel hat nun Fakten geschaffen
Eine andere Frau, deren Mutter 2022 bei einer Protestkundgebung von Regimekräften erschossen wurde, schrieb: „Wir sind alle froh, dass die Mörder unserer Angehörigen beseitigt wurden. Krieg hat seinen Preis. Unschuldige Menschen könnten getötet werden. Aber wir wissen, wem wir die Schuld geben sollten: der Islamischen Republik.“ Viele der Nachrichten, so berichtet Alinejad, seien von Videos begleitet gewesen – Szenen, in denen junge Frauen in Teheraner Wohnungen tanzten, in denen ganze Familien in ihren Küchen jubelten, während im Fernsehen die Bilder zerstörter Gebäude der Revolutionsgarden liefen. Diese Reaktionen zeigen, dass Israels militärisches Vorgehen nicht nur außenpolitische Wellen schlägt, sondern auch das kollektive Empfinden im Inneren Irans verändert – für viele ist es ein seltenes Gefühl von Gerechtigkeit, die jedoch von außen kommt.
Während westliche Staaten jahrelang wenig erfolgreich versucht haben, das iranische Nuklearprogramm diplomatisch zu zügeln, hat Israel nun Fakten geschaffen. In einer breit angelegten Militäraktion wurden in den vergangenen Tagen zentrale Einrichtungen des Nuklearprogramms sowie Dutzende Führungsfiguren der Revolutionsgarden und des Militärs ausgeschaltet. In der vergangenen Nacht haben israelische Flugzeuge zusätzlich die Kommandozentralen der Revolutionsgarden im ganzen Land angegriffen und viele Gebäude zerstört.
Israel will die nukleare und ideologische Struktur Irans zerstören – mit einem präzisen Präventivschlag gegen eine Macht, die nachweislich kurz davorstand, eine nukleare Schwelle zu überschreiten. Laut internationalen Berichten hatte Iran bereits genug hochangereichertes Uran für mehrere Atomsprengköpfe eingelagert, während die IAEA (International Atomic Energy Agency) kaum noch Zugang zu den sensibelsten Anlagen erhielt. In dieser Lage hat sich Israel zur Anwendung seiner lang bekannten Sicherheitsdoktrin entschieden: keine existenzielle Bedrohung in der Region zu dulden – vor allem nicht durch ein Regime, das offen zur Auslöschung des jüdischen Staates aufruft und systematisch Terrororganisationen wie Hisbollah und Hamas in unmittelbarer Nähe Israels postiert und unterstützt.
Für eine Zukunft ohne die geistliche Diktatur
Doch dieser Angriff war mehr als nur ein militärischer Akt zur Selbstverteidigung. Er traf das Machtzentrum eines Systems, das seit über vier Jahrzehnten nicht nur außenpolitisch gefährlich zündelt, sondern auch nach innen mit unnachgiebiger Gewalt regiert. Die Revolutionsgarden – zentrale Zielscheibe der aktuellen israelischen Angriffe – sind nicht nur militärische Einheiten, sondern ideologische Vollstrecker einer Diktatur. Sie kontrollieren große Teile der Wirtschaft, unterdrücken Proteste mit tödlicher Härte und exportieren ihre Vision islamistischer Führung nach Syrien, in den Libanon, in den Irak und bis nach Gaza.
Ihre Kommandeure leben im Iran in luxuriösen Enklaven, während die Bevölkerung unter Armut, Inflation und medizinischer Notversorgung leidet. Die Tötung mehrerer dieser Männer – darunter der Oberbefehlshaber der Revolutionsgarden Hossein Salami und Raketenchef Amir Ali Hajizadeh – wurde in persischsprachigen sozialen Medien dementsprechend nicht mit Trauer, sondern mit spontanen Freudenbekundungen begleitet.
Israel verteidigt in diesem Moment nicht nur sich selbst, sondern – bewusst oder nicht – auch die Hoffnungen eines Volkes, das in den letzten Jahren trotz brutaler Repression immer wieder aufbegehrt hat. Der Tod von Mahsa Amini im Jahr 2022, erschlagen durch die Sittenpolizei wegen eines nicht korrekt getragenen Kopftuchs, war ein Wendepunkt.
Seither schwelt im ganzen Land eine Bewegung, die den Sturz des Regimes fordert. Millionen Iraner marschierten, sangen und riskierten seitdem ihr Leben für eine Zukunft ohne die geistliche Diktatur der Mullahs. Dass das israelische Vorgehen nun ausgerechnet jene trifft, die für die blutigste Unterdrückung dieser Bewegung verantwortlich sind, erscheint vielen im Land als späte Genugtuung – auch wenn die geopolitische Situation dadurch nicht gerade stabiler erscheint.
Psychologisches Signal an die iranische Bevölkerung
Auch andere Stimmen der iranischen Opposition äußerten sich. Der im Exil lebende ehemalige Kronprinz Reza Pahlavi sprach von einem „Black‑Swan‑Moment“ und rief die iranischen Streitkräfte auf, sich vom Regime abzuwenden. Der in Teheran geborene, niederländische Rechtswissenschaftler und Rechtsphilosoph Afshin Ellian stellte klar: „Erhebt euch, iranisches Volk, und beendet dieses anti-iranische System, bevor es zu spät ist.“ Die Regimegegner sehen in den Angriffen Israels nicht einen kriegerischen Akt, sondern den Funken für eine innere Mobilisierung.
Die aktuelle Eskalation hat Irans Nuklearprogramm technisch zurückgeworfen, das Kommando-Netz der Revolutionsgarden dezimiert und zugleich den inner-iranischen Unmut neu entfacht. Ob dieser Druck ausreicht, die „Islamische Republik“ aus eigener Kraft stürzen zu lassen, bleibt bislang fraglich. Fest steht jedoch: Jede weitere Schwächung des militärisch-ideologischen Machtkerns erweitert das Zeitfenster für gesellschaftliche Veränderungen – und birgt das Potenzial, die jahrzehntelange Herrschaft des Mullah-Regimes von innen heraus zu Fall zu bringen.
Die Angriffe gelten daher auch als psychologisches Signal an die iranische Bevölkerung: Wenn ein Staat wie Israel systemisch gefährliche Führungspersönlichkeiten so effektiv und ungehindert ins Visier nimmt, dann kann die Furcht im Inneren ins Wanken geraten. Die berühmte „Woman‑Life‑Freedom“-Bewegung, die nach dem Tod von Mahsa Amini 2022 entbrannte, hat gezeigt, dass die iranische Jugend bereit ist, für Freiheit zu kämpfen – selbst unter Lebensgefahr. Jetzt, da das Regime zusätzlich durch Luftschläge verwundbar erscheint, wächst in Protestkreisen die Hoffnung, dass die Bewegung neuen Auftrieb erhält.
Beschwichtigungsformeln nicht mehr zu trauen
Der israelische Schlag hat nicht nur Raketenstellungen, Nuklear-Infrastruktur und Kommandozentralen zerstört. Er hat auch den Mythos der Unantastbarkeit des Mullah-Regimes im Iran erschüttert. Für Israel war es eine Maßnahme, um eine nukleare Bedrohung abzuwenden, die immer konkreter wurde. Für viele Iraner aber markiert dieser Moment eine symbolische Befreiung – von der Furcht, vom Gefühl der Ohnmacht, von der Übermacht einer Clique, die jahrzehntelang über Leben und Tod herrschte. Noch ist nichts entschieden. Doch zum ersten Mal seit langer Zeit scheinen zwei Fesseln auf einmal zu bröckeln: die nukleare Geiselhaft für Israel – und die innere Unterdrückung eines stolzen, leidenden Volkes.
Leider ist damit zu rechnen, dass nun weltweit antisemitische Aktionen noch zunehmen, da Israel in den Augen seiner erbitterten Feinde und ihrer ideologischen Unterstützer Aggressor und Demütigung zugleich ist. Deshalb ist nicht klar, welche Wendung diese klug erscheinende Selbstverteidigungsstrategie und souveräne Klarstellung der militärischen Überlegung für Israel mittel- und langfristig haben wird. Jedenfalls scheint Israels Führung einer Lösung durch westliche Diplomatie und ihren Beschwichtigungsformeln nicht mehr zu trauen. Die gutgläubige Formel „Land für Frieden“ – mit viel sinnlosem, westlichen Geld in israelfeindliche Kanäle – ist in Gaza nunmehr gänzlich gescheitert und hat sein Fanal in einem blutigen Krieg gefunden. Ob die Formel „Rising Lion“ (sich erhebender Löwe), mit der dem Mullah-Regime die todbringenden Nuklearfantasien und bestenfalls auch seine Terrormacht entrissen werden soll, funktioniert, ist auf Dauer leider genauso ungewiss.
Fabian Nicolay ist Gesellschafter und Herausgeber von Achgut.com.