Bei der Bundestagswahl im Herbst 2013 stimmten 25,7 Prozent der Wähler für die SPD. Vier Jahre später, im Herbst 2017, waren es noch 20,5 Prozent. Der Spitzenkandidat der SPD, Martin Schulz, trat als Parteivorsitzender zugunsten von Andrea Nahles zurück, die mit dem Versprechen antrat, die SPD „von Grund auf zu erneuern“. Das Profil der Partei müsse geschärft werden, auch und gerade in einer Koalition mit der Union. So schlecht die SPD auch abgeschnitten hatte, niemand konnte sich vorstellen, dass „die älteste deutsche Volkspartei“ noch tiefer sinken könnte.
Und jetzt ist es passiert, bei den Wahlen zum bayerischen Landtag. Mit 9,7 Prozent landete sie auf Platz fünf, hinter der CSU, den Grünen, den Freien Wählern und der Alternative für Deutschland. Schlusslicht waren die Freien Demokraten, die es mit 5,1 Prozent gerade eben über die Ziellinie geschafft hatten.
Nun war Bayern, abgesehen von zwei kurzen Episoden in den 1940er und 50er Jahren nie eine Hochburg der Sozialdemokraten. Aber 9,7 Prozent? Das ist kein Debakel, das ist Harakiri mit einem Taschenmesser.
Die Menschen
„Das Ergebnis hat auch unheimlich viel damit zu tun, dass die Menschen uns mit Skepsis begegnen“, sagte die bayerische Spitzenkandidatin, Natascha Kohnen, nachdem ihr bewusst wurde, was da eben passiert war. Es kann aber auch sein, dass sie es nicht begriffen hat.
„Die Menschen“ haben viele gute Gründe, der SPD „mit Skepsis“ zu begegnen. Die SPD ist keine politische Partei, sie ist ein Traditionsverein, dessen Mitglieder zusammenkommen, um sich an bessere Zeiten zu erinnern. Man merkt es ihr an, dass sie nicht regieren will. Eine der Parolen, mit denen Natascha Kohnen geworben hat, war: „Ein Zeichen setzen – für Anstand und Gerechtigkeit.“ Und genau das ist es, was die SPD will: ein Zeichen setzen, sonst nichts.
Dafür ist sie auf einem anderen Gebiet recht erfolgreich, als Unternehmerin. Die SPD besitzt oder ist beteiligt an hunderten von Firmen: Verlagen, Druckereien, Radiosendern und Agenturen mit teilweise sehr lustigen Namen wie „Utopia GmbH“ oder „Konzentration GmbH“. In ihrem Rechenschaftsbericht für das Jahr 2016 deklariert sie 217.560.274 Euro als „Reinvermögen der Gesamtpartei“, 15 Millionen mehr als im Vorjahr.
So betrachtet, ist die SPD kerngesund. Sich mit Politik zu beschäftigen, wäre nur kontraproduktiv.
Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche