Henryk M. Broder / 25.07.2020 / 12:00 / Foto: Peter Meierhofer / 65 / Seite ausdrucken

Happy Birthday, lieber Zentralrat!

Zum 70. Jahrestag der Gründung des Zentralrates der Juden in Deutschland, der Dachorganisation von über 100 jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik, gab der Vorsitzende des Zentralrates, Josef Schuster, dem Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie, „Vorwärts“, ein längeres Interview über jüdisches Leben in Deutschland im Allgemeinen und die Rolle des Zentralrates im Besonderen.

Schuster erinnerte daran, was die primäre Aufgabe des Zentralrates im Jahre 1950 war, nämlich: „Den nach der Befreiung aus den Konzentrationslagern in Deutschland gestrandeten Jüdinnen und Juden zu helfen und sie auf die Ausreise nach Israel oder nach Übersee vorzubereiten.“ Noch in den 1970er Jahren wurde man „als in Deutschland lebender Jude“ im Ausland „kritisch beäugt“ und gefragt, „wie man im Land der Täter leben könnte“.

Inzwischen sei die Situation „eine vollkommen andere“, „auch in internationalen jüdischen Gremien wird jüdisches Leben in Deutschland als absolut selbstverständlich angesehen, kritische Anmerkungen gibt es heute nicht mehr“. Zwar gebe es immer noch Antisemitismus in Deutschland, allerdings sei das „keine ganz neue Erscheinung“, neu sei nur, „dass sich immer mehr Menschen trauen, die Dinge auszusprechen, die sie bisher nur gedacht haben“. Andererseits wurden „die Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Einrichtungen fast überall in Deutschland deutlich verbessert“, was „ein neues Gefühl der Sicherheit geschaffen“ habe. Deswegen sei „Auswanderung nicht wirklich ein Thema“.

Man muss das Interview mit dem Präsidenten des Zentralrates der Juden gelesen haben, um zu begreifen, wie tief der Abgrund an Selbstverleugnung ist, in dem der Zentralrat zuhause ist. Schuster spricht nur über „rechten“ Antisemitismus, über AfD-Funktionäre, deren Aussagen „wie ein Katalysator für den Antisemitismus“ wirken, und wie aus „Worten letztlich Taten werden“. Den linken Antisemitismus, der sich als Antizionismus und „Israelkritik“ verkleidet, erwähnt er mit keinem Wort, auch der islamische Judenhass bereitet ihm kein Unbehagen.

Das ist keine Frage der selektiven Wahrnehmung. Es ist das, was die Bundesregierung vom Zentralrat erwartet, dessen Arbeit sie mit 13 Millionen Euro jährlich finanziert. So kann man auch „stranden“ und sich dabei gut fühlen.

Zuerst erschienen in der Weltwoche.

Foto: Peter Meierhofer

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Harald Unger / 25.07.2020

Das Gebiet, seine Organe und Institutionen, wozu auch der ZdJ gehört, sind nach 15 Jahren merkelesken Marxismus im Zustand der gleichgeschalteten Zementierung. Merkelschranzen, wie jener Schuster, haben nicht und werden nicht verstehen, was in dem Land, das keins mehr sein darf, geschieht. Sollten sie die kommenden Massaker der Invasoren an der Zivilbevölkerung überleben, werden sie laut aus sicherer Entfernung jammern: Das haben wir nicht ahnen können - Das konnte keiner wissen - Dagegen konnten wir nichts tun.

Stefan Riedel / 25.07.2020

“... Deutschland gestrandeten Jüdinnen und Juden zu helfen…”. Herr Schuster, wo sind Sie eigentlich gestrandet?

S.Niemeyer / 25.07.2020

Ein Trauerspiel, wenn es tatsächlich nur ein Spiel wäre

Frank Stricker / 25.07.2020

Der Zentralrat der Juden ist und bleibt ein zahnloser Tiger, der wohlig im üblichen Mainstream gegen vermeintlich rechten Antisemitismus Gratismut zeigt, wo es aber weh tun würde, gegen den muslimischen Antisemitismus und den Salon-Antisemitismus der Linken zu Felde zu ziehen, da ist nur dröhnendes Schweigen zu vernehmen. Da läßt man sich doch gerne mit 13 Millionen alimentieren, und schweigt sich darüber aus, wenn Deutschland mal wieder bei der UNO mit Afghanistan, Saudi-Arabien und dem Iran gegen Israel stimmt…......

Lars Bäcker / 25.07.2020

Beim Lesen des dritten Abschnitts brannte mir die Frage in den Fingerspitzen, wie hoch denn die Zuwendungen der Bundesregierung an den Zentralrat im Jahr seien. Der letzte Absatz hat mich dann davon abgehalten, diese Frage hier zu stellen. Und da soll noch jemand behaupten, mit Geld ließe(n) sich nicht alle(s) kaufen. Mich würde wirklich mal interessieren, wieviele Juden in Deutschland sich von diesem Zentralrat vertreten und in ihren Problemen verstanden fühlen. Die Wirklichkeit so krass zu verleugnen und gleichzeitig ernsthaft als Vertreter der Juden in Deutschland aufzutreten… ist das nicht Chuzpe?

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