Vera Lengsfeld / 16.06.2022 / 11:00 / Foto: Redlinux / 44 / Seite ausdrucken

Hamburger Kunsthalle: Hat man Ihnen wehgetan?

Die Hamburger Kunsthalle beschreitet woke Holzwege, indem sie nun politisch korrekte Warnhinweise an Gemälden hat anbringen lassen.

Anlässlich eines Besuchs in Hamburg wurde ich auf die neu gestaltete Impressionismus-Sammlung der dortigen Kunsthalle aufmerksam. Deutsch-Französische Begegnungen in Plastik, Malerei und Pastell sollen zeigen, wie diese prägende Kunstströmung von Frankreich, ausgehend Ende des 19. Jahrhunderts, sich rasch in die Nachbarländer ausbreitete, speziell auch nach Deutschland, wo der impressionistische Einfluss bis Anfang des 20. Jahrhunderts sichtbar wird. Die umfangreiche impressionistische Sammlung der Kunsthalle wird jetzt nicht mehr getrennt nach Ländern gezeigt, sondern in thematischen Gruppen. Das wollte ich unbedingt sehen. Und ein Besuch lohnt sich!

Um zu den Impressionisten zu gelangen, muss man aber durch den Großen Saal mit den Historienbildern hindurch. Dort fiel mir eine weitere Neuerung auf, aber eine ganz und gar misslungene: Leider hat sich auch die Hamburger Kunsthalle dem verheerenden Trend zum betreuten Denken angeschlossen. Unter etwa einem Drittel der Gemälde ist ein Schild mit roter Schrift in Deutsch und Englisch angebracht, das die Gedanken der Betrachter in die „richtige“ Richtung lenken soll. Das passiert auf einem erschreckend niedrigen Niveau, als wären die Besucher Kleinkinder, die behutsam durch eine gefährliche Welt manövriert werden müssen, damit ihre unbedarfte Seele keinen Schaden nimmt.

Lookismus

„Finden Sie das Gemälde provokativ? Finden sie es sexistisch?“ steht unter einem Bild, auf dem unbekleidete Frauen zu sehen sind. „Ist das authentisch, oder inszeniert?“ steht unter einem Schlachtengemälde. Unter Hans Makarts „Einzug Karls V. in Antwerpen“ will die woke Denkbetreuerin wissen: „Wie zeigt sich hier für Sie Macht?“ Unter einer Alltagsszene steht: „War früher alles besser?“ Unter einer anderen: „Ist das Liebe zum Detail oder Filmkulisse?“.

Ganz krude wird es unter Gabriel von Marx’ Kindsmörderin: „Was, wenn der erste Eindruck täuscht?“ Unter Carl-Wilhelm Hübners „Trauender Witwe“ will die Denkbetreuerin wissen, ob uns das heute noch berührt. Unter Dante Gabriel Rosettis „Helena von Troja“ steht: „Weibliche Macht – männliche Macht?“ Unter Anselm Feuerbachs „Urteil des Paris“ wird gefragt: „Wer ist die Schönste und wer soll das beurteilen?“

Ist Schönheit noch zeitgemäß?

Nun, die Antwort ist seit Jahrtausenden bekannt: Es urteilt Paris, und die Schönste ist Aphrodite, die ihm die schönste Frau der Welt versprach, wenn er sie wählte. Bekanntlich bekam Paris Helena, und das löste den Trojanischen Krieg aus. All das war in meiner Kindheit noch Allgemeinwissen, gespeist aus Schulstoff und griechischen Sagen, die ich nachmittags verschlang. Was soll wem hier eingetrichtert werden? Dass die Wahl nie stattgefunden hat oder nicht hätte stattfinden dürfen? Dass Schönheit nicht im Auge des Betrachters liegt, sondern etwas ist, das dem woken Diktat unterliegt?

Unter Jean-Leon Geromes „Phyrne vor den Richtern“ will man wissen: „Ist das Bewunderung, Voyeurismus oder Sexismus?“ Und wenn irgendwer zu dem Schluss kommt, es sei Sexismus, kann das dann weg? Und was ist mit den Porträts von Peter dem Großen und Napoleon, die auch nicht mehr unhinterfragt hängen dürfen?

So soll es sein und bleiben

Was ist der Sinn dieser Aktion? Ist sie ein Zugeständnis an den woken Minderheitszeitgeist, der penetrant von den Medien in die Öffentlichkeit gepumpt wird und dem man sich vorauseilend unterwirft, um seine Ruhe zu haben? Glücklicherweise bleibt man im großen Rest des Hauses von diesen blöden Fragen verschont. Man kann ungestört in den Dialog mit den Kunstwerken treten, sie genießen, sich von ihnen überraschen und erfreuen lassen. Ich habe eine Weile die Besucher beobacht, wie sie auf die roten Fragen reagieren. Gar nicht. Nicht einer warf einen Blick darauf. Als ich vor Napoleons Bildnis stand und mir Gedanken machen sollte, welche Macht hier abgebildet wird, kamen zwei Mädchen schnellen Schrittes auf das Gemälde zu: „Ich wusste es doch, das ist Napoleon“, sagte eine der beiden stolz, musterte den Imperator kurz und schlenderte mit ihrer Freundin weiter. Die rote Frage schienen sie nicht einmal bemerkt zu haben. Gut so, aber wann wird der Versuch, unser Denken zu lenken, endlich wieder aufgegeben und die Kantsche Maxime, dass man sich des eigenen Verstandes bedienen, also selbst denken soll, wieder zum Maßstab?

Was mich sehr gefreut hat, waren die vielen jungen Menschen in der Kunsthalle. Besonders fiel mir das in dem Raum auf, wo Caspar David Friedrichs Gemälde hängen. Die Kunsthalle verfügt über eine beträchtliche Sammlung von Friedrich-Gemälden. Alfred Lichtwark, ihr erster Direktor, hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Kunst Friedrichs wiederentdeckt wurde, indem er eine Vielzahl seiner Gemälde für die Sammlung sicherte. Als ich den Raum betrat, saßen zwei junge Männer tief versunken vor der Ansicht der nächtlichen See. Kurz darauf füllte sich der Saal mit jungen Mädchen, die alle länger vor den Bildern verweilten. Sie wurden von der Kunst in den Bann gezogen, ganz ohne woke Geleitworte. So soll es sein und bleiben. Betreutes Denken, wenn es denn ernst genommen würde, versperrt den authentischen Zugang zur Kunst und beraubt die Adressaten des betreuten Denkens des Genusses und der Bildung, die Kunstwerke vermitteln. Die Hamburger Kunsthalle sollte ihren woken Abweg schnellstens wieder verlassen.

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Leserpost

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Günter Wagner / 16.06.2022

Bolschewoken und Grüne Khmer lieben diese Art von Erzieheritis und Voschreiberitis. Dies ist sozusagen die Übertragung des Prinzips Regietheater auf die Museen.

John Spartan / 16.06.2022

Nun aber mal ehrlich, Frau Lengsfeld! Jeder darf ohne Anleitung selber denken? Wo kämen wir denn da hin? IM Erika und ihren vielen Jünger*innen würde das nicht gefallen! Nachher geht es noch so weit, dass man ohne vorheriges Framing etwas von Leut*innen wie Ihnen liest. Und wozu ein immer weiter um sich greifendes Denken führen kann, haben Sie ja hautnah bei Erich H. gesehen. Das darf sich doch nicht wiederholen!? Oder müsste es sich nicht endlich wiederholen, bevor es in einem 14.Juli endet?

Werner Geiselhart / 16.06.2022

Nein, sie werden diesen woken Abweg nicht mehr verlassen. Auf den Schildchen werden demnächst keine Fragen mehr stehen, sondern die richtigen, haltungsgeprüften Antworten. Und die Bilder, die den woken Vorgaben nicht entsprechen, werden irgendwann mal angehängt und in den Giftschrank verfrachtet werden.

Olaf Manns / 16.06.2022

...wie lange die Beweiskräfte menschlicher Schaffenskunst und Phantasie dort noch hängen, bestimmt die Definition des Jetzt,also ab wann die CO2 neutralen Raketen am Tageshimel verkünden, das ES jatzt soweit ist.Wann wird das sein?Nach der Harbarthverkündung der Parteienunion, oder dem UN Beschluss der EZB Einigungen auf digitalem Bürgergeld?Der weltweiten Impfpflicht gegen die Unterstützer des Eigenimunsystems?Bis dahin werden sicher die ein,zwei Medienkombinatskameras wirken,wie ein Vulkänchen auf La Palma, wenn sie die wahren Hintergründe woker POC Definition der unerträglichen Pinselei der patriachischen Eroberer beschreiben, welche nichts besseres zu tun hatten, als nächtlich aktive Sklavenschiffe auf Leinwände kritzelten oder junge hübsche Zwangsarbeiterinnen zur Fleischbeschauungen der Hirngespinste von Gottheiten zwangen,um dann natürlich auf Seite 1 des Hamburg/maoistischen Bürgerblattkombinat zu zeigen, wie polnische Entrümplungsunternehmen endlich diese unerträglichen Delikte aus Frauen*innen verachtenden Zeiten von den Haken reissen und natürlich entsorgen, damit so etwas nie wieder passieren darf.Und bei der Gelegenheit ist dann auch der die das Mond dran, mit einem grünen Hologrammpfeil versehen-was geht in ihnen vor, wenn sie die Helligkeit der CO2 Sonne auf dem Erdtrabanten erdulden müssen? Der Holocaust hat auch nicht mit dem Massenmord angefangen, die Schwabwelt auch nicht mit der Impfpflicht..

Helge Lange / 16.06.2022

Ich glaube, ein Carl Spitzweg hätte aus dieser ganzen moralinsauren Miefigkeit mit ihrem stets hoch erhobenen Zeigefinder jede Menge Inspiration gezogen. Gibt es eigentlich keinen modernen Spitzweg, der sich dieses sprudelnden Quells annimmt, damit die Nachwelt sich noch nach Jahrhunderten über die heutigen Zustände amüsieren kann?

Dr. med. Jesko Matthes / 16.06.2022

Ich hätte da noch ‘nen Vorschlag für das Reichstagsgebäude in Berlin. Draußen steht doch immer noch “Dem Deutschen Volke” über dem Portikus. Sollen die von der Hamburger Kunsthalle hinfahren und ein Fragezeichen dahinter machen. Das wäre eine gedankliche Bereicherung, gegen die eigentlich niemand etwas haben kann. So geht Kunst!

Heiko Stadler / 16.06.2022

Die Entsorgung aller sexistischen Bilder übernehme ich gerne und völlig kostenlos.

Norbert Reuther / 16.06.2022

Ob es die Leute interessiert oder nicht ist den höheren Töchtern der praktizierten Wokeness herzlich egal.  Während sie hier noch wegen ihrer absurden Forderungen belächelt werden, werden andern Ortes längst Fakten geschaffen. Die Manchester Art Gallery hat das Gemälde “Hylas und die Nymphen” wegen ein paar schulterfreier Damen abgehängt. Erwähnenswert hier, in der prüden viktorianischen Zeit hat man keinen Anstoß an dem Bild genommen, aber postmoderne Wokeness kennt keine Gnade. Dabei wird nicht nur die Kunst im Sinne des “Frauen-, Minderheiten- und Klimaschutzes” beschnitten, sondern auch Wissenschaft. Schließlich kann man Biologen, Historikern und Psychiologen nicht erlauben ergebnisoffen zu forschen, da die woke Mischpoke schließlich genau weiß, wie Forschungsergebnisse auszusehen haben. Neulich gab es sogar ein Hit-Piece gegen Archäologie in der Taz mit der Aufforderung nur Wichtiges (also Richtiges) zu erforschen.

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