Der Focus meldet begeistert, dass Chinas CO2-Ausstoß wegen des Ausbaus Erneuerbarer Energien sinke. Was der Focus-Autor vergessen hat zu erwähnen: China baut gleichermaßen Kohlestrom und Kernkraft aus.
Immer wieder versuchen als Wissenschaftler getarnte Ökoenergieaktivisten, die Öffentlichkeit mit Jubelperser-Berichten über den boomenden Ausbau der Wind- und Solarstromerzeugung in China hinters Licht zu führen. Sie versuchen dabei, über den Fakt hinwegzutäuschen, dass die Volksrepublik China beim Pariser Klimaabkommen gar nicht mitmacht, genauso wenig wie Indien und die USA. Und diese drei Länder stoßen mehr als die Hälfte des weltweiten Kohlendioxids aus. China hat lediglich geäußert, das Ziel, bis 2060 klimaneutral zu werden, zu verfolgen. Und wenn nicht – auch gut. Paris ist nicht mehr als eine Absichtserklärung, Sanktionen drohen den Nichterfüllern keine.
Weil aber Propaganda besser wirkt, wenn der gleiche schlichte Quark immer wieder gesendet wird, werden die Leser regelmäßig mit halbgaren Erfolgsmeldungen auf dem Gebiet, das gerade propagiert wird, behelligt. So titelt Focus-Online wieder einmal: „Boom der grünen Energie – Und plötzlich gehen Chinas CO2-Emissionen überraschend zurück.“ Weiter heißt es im Brustton der Überzeugung: „Erstmals war dafür nicht eine Wirtschaftskrise, sondern der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien verantwortlich, wie eine neue Analyse zeigt.“ Also schnell mal in die „neue Analyse“ des Portals „Carbon Brief“ schauen, ob der Focus-Autor Nico Beckert nicht etwas zu erwähnen vergessen hat. Und tatsächlich hat er in seinem Überschwang versäumt zu erwähnen, dass China ebenfalls auf den massiven Ausbau der Kohleverstromung und auf die Kernenergie setzt.
Natürlich hat der Focus-Autor die Bemerkungen zur Rolle der Kernenergie in China in der Analyse gelesen. Aber er hat sich entschlossen, nur die halbe Wahrheit zu sagen, um seinen Lesern etwas zu suggerieren. Das Wort Kernenergie kommt im Focus-Artikel nicht vor. Dafür wird geflunkert: „Die Erneuerbaren wurden jedoch so schnell ausgebaut, dass sie die zusätzliche Stromnachfrage decken konnten und Kohle aus dem Strommix zurückgedrängt haben.“ Das stimmt nur insofern, dass die Erneuerbaren zwar tatsächlich stark ausgebaut wurden, aber auch die Kohleverstromung in China seit mehr als zehn Jahren in jedem Jahr kontinuierlich ansteigt. Der Focus-Autor will seinen Lesern den Bären aufbinden, dass sich selbst China besonnen hat und den deutschen Vorreitern nacheifert. Und so wird aus der halben Wahrheit eine ganze Lüge.
Die Chinesen haben verstanden, dass ohne eine zuverlässige Energieversorgung kein Fortschritt zu erreichen ist. Deshalb setzt China auf eine völlig andere Energiepolitik als Deutschland. Das Energiesystem wird erweitert und kein Energieträger wird ausgelassen. Einige Beispiele? Im Jahr 2011 verfügte China über 768 Gigawatt Kohleverstromungskapazität. Im Jahr 2023 hatte sich diese auf 1.390 Gigawatt fast verdoppelt. Im Jahr 2011 waren in China 13 Gigawatt Kernkraft installiert. Im Jahr 2023 war die Kernenergiekapazität auf 57 Gigawatt angewachsen. Dies bedeutet, dass in zwölf Jahren mehr als 30 neue Kernkraftwerke der Leistung von ISAR2 oder Emsland gebaut und in Betrieb gesetzt wurden.
Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge
Macht man sich die kleine Mühe, sich die im Artikel verlinkte Original-Studie anzusehen, dann fällt auf, dass der Focus-Autor, wie gesagt, ganz vergessen hat zu erwähnen, dass in der neuen Analyse neben dem weiteren Ausbau der „Erneuerbaren“ auch die Kernenergie in China eine gewichtige Rolle spielt. „China’s nuclear construction also keeps accelerating, with another 10GW of reactor projects approved in April, on top of 10GW approved in each of the previous two years. These projects will contribute to clean power supply towards 2030 as they are completed.“ („Auch der Bau von Kernkraftwerken in China beschleunigt sich weiter: Im April wurden weitere 10 GW an Reaktorprojekten genehmigt, zusätzlich zu den 10 GW, die in den beiden Vorjahren genehmigt wurden. Diese Projekte werden nach ihrer Fertigstellung zu einer sauberen Stromversorgung bis 2030 beitragen.“) So die „neue Analyse“ im Original.
Wie bitte? 20 GW Kernkraft innerhalb von drei Jahren genehmigt? Und die sollen bis 2030 zu einer sauberen Stromversorgung Chinas beitragen? Lieber Leser, Sie haben richtig gelesen. China erlitt im Sommer 2021 großflächige Stromausfälle. Das führte dazu, dass in vielen Landesteilen, insbesondere für die Industrie, der Strom rationiert wurde. Zahlreiche Fabriken mussten ihre Produktion herunterfahren. Die chinesischen Genossen lernten durch diesen Schock die Bedeutung einer sicheren und günstigen Stromversorgung noch höher zu schätzen. Und sie handelten – noch mehr Kraftwerke wurden geplant, aber auch Wind und Solar wurde weiter in hohem Tempo ausgebaut. Ein Land braucht jeden Zipfel Energie, den es bekommen kann, wenn es nicht untergehen will.
Kernenergie in China heute
Im Jahr 2023 betrieb die Volksrepublik China 58 Kernreaktoren mit einer installierten Leistung von 56 Gigawatt. Jedoch – derzeit sind weitere 30 Reaktorblöcke im Bau. Die Kernenergie liefert trotzdem in dem riesigen Land nur etwa fünf Prozent des Stroms. Und China hat einen enormen Energiehunger – schließlich müssen ja all die aus Europa geflohenen Unternehmensstandorte mit Strom versorgt werden. Deshalb soll bis 2050 der Anteil des Kernenergiestroms in China auf 15 Prozent erhöht werden.
2024 bewilligte die chinesische Regierung umgerechnet etwa 30 Milliarden Euro für die staatswirtschaftlich betriebene Kernenergieindustrie. Das ist angesichts der großen Zahl der Projekte recht wenig, lässt aber den Schluss zu, dass die Unbezahlbarkeit von Kernkraftwerken genauso ein Märchen ist wie die Vollversorgung eines Industrielandes mit Wind- und Sonnenstrom. China entwickelt und baut inzwischen eigene Druckwasser-Kernkraftwerke.
Die FAZ meldete am 29. April 2025, dass die Kosten je Reaktor mit einer Leistung von circa 1,2 Gigawatt auf 2,4 Milliarden Euro geschätzt werden. Vergleicht man das mit den aus dem Ruder gelaufenen Kosten der neuen Europäischen Druckwasserreaktoren, dann kommt der Verdacht auf, dass die Kostenexplosion nicht an der Nukleartechnologie liegt, sondern an der überbordenden Bürokratie. Wir können ja nicht mal mehr einen Bahnhof, Flughafen oder Kanzleramt ohne Kostenexplosion bauen.
China setzt nicht nur auf die Arbeitspferde der Kernkraftwerke – die großen Druckwasserreaktoren, sondern gehört zu den führenden Staaten bei der Entwicklung neuer Kernkrafttechnologien. So läuft der erste gasgekühlte 210-MW-Kugelhaufenreaktor – ursprünglich eine deutsche Erfindung – in Shidao Bay in der Provinz Shandon seit mehr als einem Jahr. Und kürzlich haben die Behörden eine Genehmigung für den Bau eines Thorium-Flüssigsalz-Versuchsreaktors mit einer Leistung von zwei Megawatt erteilt, um herauszufinden, wie die Werkstoffe auf das aggressive Korrosionspotenzial der heißen Salzschmelze reagieren.
Deutschland kann die Welt nicht retten, aber gendern
Angeblich werden wir alle wegen des „menschgemachten Klimawandels“ den „Erderhitzungstod“ sterben. Deshalb muss Deutschland schon 2038, besser noch 2030 aus der Stromerzeugung durch Kohle aussteigen. China wird das 2060 erst tun, wenn überhaupt. China ist groß, dort leben etwa 1,4 Milliarden Menschen. Deutschland ist zumindest für Politiker – ebenfalls groß, hat ja immerhin 85 Millionen Einwohner. Auf jeden Deutschen kommen ungefähr 16 Chinesen. Es heißt, dass China die Werkbank der Welt sei. Und wo gehobelt wird, entsteht neben den Spänen auch das böse CO2.
Wenn 16 Menschen hobeln, dann verringert sich der CO2-Ausstoß nur geringfügig, wenn einer von ihnen zu hobeln aufhört und die anderen 15 fleißig weiterhobeln, ja, sogar seine Bretter nebenbei mithobeln. Dann merkt die Erderhitzung gar nicht, dass sich etwas geändert hat. Das Resultat der Aktion ist lediglich, dass derjenige, der nicht mehr hobeln will, um weniger CO2 zu erzeugen, auch keinen Lohn fürs Hobeln mehr bekommt und seine arme Frau und die Kinder am Hungertuch nagen müssen.
Entsprechend dem Pariser Klimaabkommen darf die „Werkbank der Welt“ bis 2060 weiter munter hobeln. Das gefühlt genauso große Deutschland hat aber beschlossen, trotzdem umgehend mit dem Hobeln aufzuhören, um die Welt zu retten. Deutschland ist leider schon aus der Kernenergie ausgestiegen, die vielleicht die Kohleverstromung hätte beenden können. Es gibt in Deutschland nur noch sechs Professuren für angewandte Kernphysik. Die Anwendung der Kernphysik ist ja nach Atomgesetz sogar verboten. Dafür gibt es in Deutschland jetzt mehr als 160 Professuren für das Fach „Gendern“. Da erkennt selbst der Laie, was dem Land der Dichter und Denker wirklich wichtig ist.
Wir bilden in Deutschland zwar keine „Reaktoringenieur/-in (geschlechtsneutral mit Schrägstrich); Reaktoringenieurin* (mit Genderstern); Reaktoringenieur:in (mit Doppelpunkt); Reaktoringenieurin oder Reaktoringenieur (ausgeschriebene Variante); Reaktorfachkraft (mögliche neutrale Form, je nach Kontext)“ mehr aus, aber können den Rückständigen, die solche Ausbildung noch haben, die korrekt gegenderte Schreib- und Sprechweise für diese Berufe empfehlen.
Der ehemalige deutsche Vizekanzler/-In bzw. Vizekanzler*in bzw. Vizekanzlerin oder Vizekanzler bzw. Vizefachkraft Robert Habeck sagte jüngst auf seiner letzten China-Reise sehr richtig: „Die Klimaziele sind ohne China nicht erreichbar“. Trotzdem sind auch für die neue Regierung die Klimaziele ausschlaggebend. Sie haben sie sogar mit Hilfe des alten, abgewählten Parlaments in den Verfassungsrang erhoben. Die deutschen Regierungen können die Klimaziele zwar ohne China, Indien und die USA nicht erreichen, halten aber trotzdem daran fest. Hauptsache korrekt gegendert. Und wenn sie nicht einen Blackout hatten, dann gendern sie noch heute.
Manfred Haferburg wurde 1948 im ostdeutschen Querfurt geboren. Er studierte an der TU Dresden Kernenergetik und machte eine Blitzkarriere im damalig größten AKW in Greifswald. Wegen des frechen Absingens von Biermannliedern sowie einiger unbedachter Äußerungen beim Karneval wurde er zum feindlich-negativen Element der DDR ernannt und verbrachte folgerichtig einige Zeit unter der Obhut der Stasi in Hohenschönhausen. Nach der Wende kümmerte er sich für eine internationale Organisation um die Sicherheitskultur von Atomkraftwerken weltweit und hat so viele AKWs von innen gesehen wie kaum ein anderer. Aber im Dunkeln leuchten kann er immer noch nicht. Als die ehemalige SED als Die Linke in den Bundestag einzog, beging er Bundesrepublikflucht und leckt sich seither im Pariser Exil die Wunden. In seiner Freizeit arbeitet er sich an einer hundertjährigen holländischen Tjalk ab, mit der er auch manchmal segelt. Im KUUUK-Verlag veröffentlichte er seinen auf Tatsachen beruhenden Roman „Wohn-Haft“ mir einem Vorwort von Wolf Biermann.
Zum Thema kürzlich von Manfred Haferburg und Klaus Humpich erschienen:
Atomenergie – jetzt aber richtig
Das Nachwort stammt von dem Wissenschaftsphilosophen Michael Esfeld. Sie können es hier in unserem Shop bestellen.
Zum Inhalt des Buches: Es ist keine Frage ob, sondern lediglich wann „die dümmste Energiepolitik der Welt“ (wallstreet-Journal) – in Deutschland euphemistisch „Energiewende“ genannt – beerdigt wird. Und was dann? Überall auf der Welt werden längst wieder die Weichen für die Kernenergie gestellt, CO2-frei wie bisher, aber intelligenter, resilienter, mobiler und preiswerter als je zuvor. Die Atomenergie kann auch hierzulande der Nukleus für einen neuen Wohlstand sein, auch diese Einsicht wird sich unter der Last des Faktischen durchsetzen. Die beiden Energieexperten Manfred Haferburg und Klaus Humpich analysieren den deutschen Irrweg und zeigen Wege aus der Sackgasse. Dieses Buch ist ein Almanach der Vernunft für alle, die in Deutschland erfolgreich wirtschaftlich tätig sind und damit fortfahren wollen.