Manfred Haferburg / 13.04.2023 / 10:00 / Foto: Achgut.com / 76 / Seite ausdrucken

Haferburgs großer Kernkraft-Countdown (13)

Noch 3 Tage Kernkraft in Deutschland: Der Fadenriss – vom schwierigen Wiedereinstieg. Unser Autor Manfred Haferburg nimmt auf seine Weise Abschied.

Am 15. April 2023 wird der größte Sieg aller Grünen, Linken und Woken errungen sein: Die drei letzten Kernkraftwerke Deutschlands gehen für immer außer Betrieb. 40 Jahre haben die grünrotschwarzgelben Maschinenstürmer gegen eine Spitzen-Technologie gekämpft, die noch vor zwölf Jahren in Deutschland fast ein Drittel des Strombedarfs deckte. Die Kernkraftgegner haben einen Grund zum Feiern, vielerorts werden die Sektkorken knallen. 

Wenn ich als junger Kerl bei einem hübschen Mädchen punkten wollte, prahlte ich damit, Reaktoroperator in einem Kernkraftwerk zu sein. Das löste bei den Mädchen oft die Assoziation des Captain Kirk im Kontrollraum der Enterprise aus. Was ja auch irgendwie stimmt – wer schon mal die Leitwarte eines Kernkraftwerkes gesehen hat, weiß, was ich meine. Ich hatte Kernenergie studiert, weil ich am Image der Beherrscher dieser Spitzentechnologie teilhaben wollte. Die Studiengänge Kernenergetik waren voll. Auch wenn es nur jeder Zweite bis zum Diplom schaffte. Kernenergie war immer schon ein dickes Brett.

Die Zeiten haben sich geändert. Ein Kollege musste seinen kleinen Sohn die Schule wechseln lassen, weil ein grüner Lehrer nicht zu stoppen war, das Kind wegen der Beschäftigung seines Vaters bei der Atommafia zu mobben. Das ist nicht überall so, aber Deutschland ist Vorreiter beim Miesmachen der Kernenergie. Ich habe in armen Ländern wie Indien und Pakistan gearbeitet, die auch Kernkraftwerke betreiben. Wenn ich dort sage, dass ich im KKW arbeite, bietet man mir im Bus einen Sitzplatz an. 

Heute ist Deutschland Vorreiter beim Strompreis

Welcher hoffnungsvolle Jugendliche will heute noch Kernenergetik oder Kernphysik studieren? Ein dickes Brett bohren, um am Ende einen Job beim Abriss eines Kernkraftwerkes zu bekommen und von seinen Mitmenschen schief angesehen zu werden? Dann doch lieber „was mit Medien“. Noch vor zehn Jahren hielt ich Gastvorlesungen an verschiedenen Hochschulen im Bereich Kernenergie. Nach und nach änderte sich die Nationalität der Studenten. Bei meiner letzten Vorlesung an der Göteborger Chalmers-Universität gab es noch zwei Europäer, der Rest kam aus Asien. Die Studienrichtungen in Deutschland sind heute fast alle eingestellt. Eine Technologie stirbt, wenn sie keinen Nachwuchs mehr bekommt. Ein Land verlernt schnell. 

Dazu kommt, dass in Deutschland die Kernenergiefeindlichkeit Gesetzescharakter hat. Ab dem 1. April 2023 ist in Deutschland die gewerbsmäßige Stromerzeugung aus Kernenergie per Atomgesetz verboten. Ebenso die Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen. Welche Industrie hält unter solchen Umständen Entwicklungs- und Fertigungspotenzial für Komponenten einer verbotenen Technologie vor? Deutschland war mit Siemens mal Vorreiter bei der Konstruktion, Fertigung und Bau von Kernkraftwerken. Vorbei, heute ist Deutschland Vorreiter beim Strompreis.

Die Holländer betreiben ihr altes Kernkraftwerk Borssele, Baujahr 1972, mit 480 Megawatt sicherlich nicht, weil es ökonomisch so einträglich ist. Borssele braucht nämlich genauso viel Personal, der wesentlichste Kostenfaktor in einem KKW, wie das Kernkraftwerk ISAR 2 mit 1.450 Megawatt. Die Personalstärke ist nicht leistungsabhängig. Die Holländer betreiben Borssele, um den Fadenriss zu verhindern. Sie werden selbst in der Lage sein, ihr geplantes neues Kernkraftwerksprojekt durchzuführen, weil sie die Kompetenz dafür im Lande haben. Die brauchen sie nämlich auch dann, wenn sie das KKW aus Südkorea, Russland oder den USA importieren. 

Prognose: Das letzte Wort zur Kernkraft in Deutschland ist noch nicht gesprochen

Die derzeitig größte Gefahr für die Kernkraftsicherheit in Deutschland sind die ahnungslosen Politiker der Ampel-Regierung. Sie haben keine technische Bildung und können wohl nicht einmal rechnen. Sonst würden sie nicht so unerreichbare Ziele verkünden. Herr Graichen, ein Staatssekretär im BMWI, verkündete einmal, dass die 15 Millionen Elektroautos im Jahre 2030 als Speicher dienen werden. Wie bitte? Wenn das so werden soll, müssen täglich 5.000 Elektroautos in Deutschland verkauft und 5.000 rückladefähige Ladepunkte installiert werden. Wäre ich Habeck, würde ich einen solchen Dilettanten sofort feuern. Aber Habeck kann ja selbst nicht rechnen. Will er seine eigenen selbstgesteckten Ausbauziele – die auch der Bundeskanzler verkündet hat – bis 2030 erreichen, müssten täglich 5 Windkraftanlagen an Land und täglich 500 Solaranlagen zugebaut werden. Das entspricht einer Verfünffachung des Ausbautempos von 2022.

Ich wage mal eine Prognose: Das letzte Wort zur Kernkraft in Deutschland ist noch nicht gesprochen. Irgendwann, wenn auch dem Letzten klar wird, dass Wind und Sonne ein Industrieland nicht mit ausreichend Energie versorgen können, wird das verantwortungslose Parteiengezänk und der Hickhack um die Kernenergie wieder losgehen. Diesmal werden es die Grünen sein, die den Wiedereinstieg in die Kernenergie fordern. Mit welcher Energiequelle sonst wollen sie ihre Wasserstoffwirtschaft antreiben? Doch dann wird es richtig schwierig. Denn die Kernkraftgegner haben in Deutschland ganze Arbeit geleistet. Der Faden ist gerissen. Es wird viele Jahre dauern, die verlorene Kompetenz wieder aufzubauen. 

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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W. Renner / 13.04.2023

Heute gabs auf Kabel 1 den Elektro Camper Check. 28 Euro Strom und eine knappe Stunde Ladezeit für gute 150 Km Strecke mit Tempo 80 bis 100 auf der Autobahn. Lol, da fährt ja mein V8 bei 2 Euro für‘s Super Plus noch günstiger und kommt 600 Km weit ohne Zwangspause an der Windpumpen Subventionsstation. Wer auf E-Stillstand und Kernenergieverzicht setzt, sollte zu Hause bleiben, sich einen der Esel, die er. sie, es w/m/d gewählt hat kaufen und sich über die nun wieder brütende Blauracke, von deren Existenz er bisher noch nicht mal was gewusst hat, in Gorleben freuen.

Sabine Heinrich / 13.04.2023

Warum gibt es keine Demos “Pro Atomkraft” vor den letzten Atomkraftwerken? Wo sind die Menschenketten? Wo die Sitzdemonstranten? Wenn ich mitbekommen hätte, dass es solche Demos gibt - ich hätte sogar eine stundenlange Anfahrt in Kauf genommen, denn ich möchte nicht, dass mein einstmals schönes und lebenswertes Land nun auch noch in die Steinzeit zurückfällt. Leider schweigen auch die Querdenker still. Es gibt nur eine Petition pro Erhaltung der verbliebenen Atomkraftwerke von Dr. Stein/Junge Freiheit. Die haben bislang ca. 70.000 Menschen unterschrieben. - Es ist unsäglich, dass eine Regierung, die hauptsächlich aus ungebildeten schmarotzenden Egomanen zu bestehen scheint, unser Land in den Abgrund treibt. - Mir bleibt nur ein winziger Trost: Die verwöhnten wohlstandsverwahrlosten und realitätsfernen Grünenwähler werden sich verwundert die Äuglein reiben, wenn plötzlich weder Strom (zu normalem Preis) für’s E-Bike zur Verfügung steht und ein wiederholter Blackout nicht einmal mehr die Schmartfohns funktionsfähig erhält. Dieses Land ist am Ende! Gute Nacht!

Bernd Gottschalk / 13.04.2023

Julian Reichelt hat zum Wahnsinn eine gute Sendung auf Youtube gemacht : Achtung Reichelt

Elias Schwarz / 13.04.2023

Nein, die Prognose ist anders. Wer Deutschland als letzter verläßt, braucht das Licht nicht mehr auszuschalten.

Gerd Koslowski / 13.04.2023

Wieviele weitere Kohlekraftwerke werden demnächst reaktiviert? Gute Nacht Dekarbonisierung.

Gerd Maar / 13.04.2023

“Wenn ich als junger Kerl bei einem hübschen Mädchen punkten wollte, prahlte ich damit, Reaktoroperator in einem Kernkraftwerk zu sein.” Herr Haferburg, da hatten Sie aber Glück dass man in der DDR die Simpsons nicht kannte…

T. Merkens / 13.04.2023

Vorsicht, Herr Fred Burig, Sie geben mit Ihrer “sinnbildlichen Kreuzigung” Ispiration für ein herzerweichendes Doku-Drama mit Traumbesetzung für deutsche Journalist:Innen. Wie ging es im Original noch weiter? “Gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten”. Also ich persönlich finde, dass der Kerl auch so schon genug Schaden anrichtet…

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