Hände weg von Artur Lanz!

Mein ursprünglicher Plan war, das neue Buch von Monika Maron – „Artur Lanz“ – hier auf achgut.com zu besprechen. Leider hat der Verlag vergessen, das erbetene Rezensionsexemplar zu verschicken – was erstaunt, hat doch ein Verlag erfahrungsgemäß sehr großes Interesse daran, seine Produkte über den Umweg der Besprechung den Weg zum Käufer finden zu lassen. Erfahrungsgemäß auch der Verlag von Monika Maron, erfahrungsgemäß auch mit ihrem Werk.

Dieses Mal gab es also kein spendiertes (sich durch entsprechende Lektüre und niedergeschriebene Zeilen allerdings dann doch zu verdienendes) Buch. Da prinzipiell Interesse vorhanden ist (und zudem die Überlegung einer profan-regulären Anschaffung via Buchhandel mehr und mehr Gestalt annahm), lag die Idee nahe, nachzusehen, ob es bereits anderweitige Meinungsäußerungen zu „Artur Lanz“ gibt, von Rezensenten, die auf der Freiexemplar-Liste des Verlages möglicherweise weiter vorn stehen. (Falls hier jemand leichten Neid herausliest – der sei freimütig eingeräumt.)

Ergebnis: Es gab sogar ein ganze Menge, zum Teil – faszinierend – ungewöhnlicherweise schon vor dem eigentlichen Erscheinungstag. Darüber hinaus ist, nach der Durchsicht der ersten Kritiken, der mittelschwere Ärger über das ausgebliebene Buch einer erheblichen Erleichterung gewichen. Was ist einem doch da erspart geblieben! Die Lektüre von rechtem Dreck, geschrieben von einer Frau, die irgendwann einmal in puncto Literatur auf der Höhe war, aber dann abgedriftet ist, wohl auch aufgrund ihrer nicht erst seit neuestem gepflegten An- und Einsichten. Geschärft wird der Blick auf das Desaster durch Hinweise, dass Monika Maron auch anderweitig seltsame Dinge von sich gibt und Kontakt zu seltsamen Menschen unterhält, die wiederum Kontakte zu noch seltsameren Menschen pflegen. Das wiegt in den Besprechungen fast noch schwerer als „Artur Lanz“.

Der Tagesspiegel wusste es wohl zuerst: Die Autorin „hadert in ihrem literarisch verunglückten Roman“ mit „dem postheroischen Zeitalter, dem Klimawandel und der Migration.“ Hier werden auch „recht unverblümt rassistische Vorurteile gepflegt“. Weiter: „Alle Figuren des Romans sind blass, sie dürfen „stellvertretend für die Autorin die ihrer Meinung nach gesellschaftliche[n] Fehlentwicklungen anprangern, vom Gendern in der Sprache über den Feminismus jedweder Colour bis hin zur Islamisierung des Westens.“ Um zu zeigen, dass „Artur Lanz“ bei weitem nicht der erste Fehltritt der Autorin war, weist die Rezension den möglicherweise Maron-Unkundigen darauf hin, dass diese seit vielen Jahren „vor den Gefahren des Islams warnt.“ 2018 „sprang“ sie „ihrem Kollegen Uwe Tellkamp zur Seite, als dieser sich mit seinen Aussagen zur Flüchtlingspolitik und Meinungsfreiheit stark nach rechts vergaloppierte.“ 2019 sei sie maßgeblich an der Petition „Schluss mit dem Gender-Unfug!“ beteiligt gewesen. Dann geht es zurück zum Roman, eine Figur bekommt Ärger, weil sie geäußert hat, man marschiere „vorwärts ins Grüne Reich“ und ein seit Kindertagen in Deutschland lebender Iraner sagt, „auch viele Muslime“ seien „nicht integrierbar“. So etwas kann einfach nur schwach sein, von der Botschaft mal ganz abgesehen.

„Fatale Thesen“

Die wenig später in der „Frankfurter Allgemeinen“ veröffentlichte „Artur Lanz“-Besprechung holt noch weiter aus, bevor der Roman ins Spiel kommt. Hat diese Monika Maron doch tatsächlich in diesem Frühjahr ihre Essays nicht in ihrem Hausverlag, „sondern in der Exil-Reihe des Dresdner Buchhauses Loschwitz von Susanne Dagen“ veröffentlicht. Die Nichtwissenden werden sogleich informiert: „Dagen sammelte 2017 Unterschriften für einen offenen Brief, der dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels einen ‚Gesinnungskorridor‘ vorwarf und vor einer ‚Meinungsdiktatur‘ warnte.“ Damit nicht genug: „Die Buchhändlerin vertreibt diese eigene Buchreihe über den Antaios-Verlag des neurechten Götz Kubitschek, gegen dessen Institut laut Verfassungsschutz ‚Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung‘ vorliegen.“ Weiter heißt es: „Mit Ellen Kositza, Kubitscheks Ehefrau, rief Dagen auf Youtube ein Literaturformat ins Leben: ‚Aufgeblättert. Zugeschlagen. – Mit Rechten lesen‘“. So schnell kann es gehen, wenn man sich mit einer Dresdner Buchhändlerin einlässt, da hätte Monika Maron mal besser aufpassen sollen. Im Roman selbst gehe es dann unter anderem um zwei Männer, die sich – wie etwa Maron oder Dagen oder auch der hier ebenfalls wieder eingebrachte (und mit „Artur Lanz“ in keinerlei Beziehung stehende) Uwe Tellkamp Anfeindungen „ausgesetzt glauben“. Im Buch „gibt es keine Brechungen“, das sei „nicht nur das Enttäuschende, sondern in seiner Plattheit eigentlich Schockierende“. Falls man es noch nicht verstanden hatte, einige Absätze später wird es wiederholt, „erzählerisch fad und literarisch uninteressant“ sei „Artur Lanz“. Und wieder zur Politik: „Wir leben in einem Land, so suggeriert es uns Maron allen Ernstes in ihrem toxischen Cocktail aus Selbstgerechtigkeit, Ressentiment und Machotum, in dem Meinungsfreiheit wieder eingeschränkt wird wie in der DDR.“ Aus dem Schlussverdikt: Die Autorin „war mal eine große Schriftstellerin. Jetzt scheint sie nur noch von ihrer politischen Agenda getrieben zu sein.“ Gut, dass die „Frankfurter Allgemeine“ das mal gesagt hat – „politische Agenda“ wo kommen wir denn da bitte hin?

Der „Bayerische Rundfunk“ fokussiert zwar stärker auf den Inhalt, zieht das literarische Können der Autorin nicht in Zweifel, schlägt im Vergleich zu den anderen Rezensionen einen moderateren Ton an, unterstreicht aber auch: „Monika Maron hat einen heiteren, aber fahrlässig zündelnden Roman geschrieben. ‚Artur Lanz‘ ist bestes Futter für rechte Mitstreiter.“ Verweise auf andere Sünden fehlen auch hier nicht: „Schon im letzten Buch ‚Munin‘ vertrat Monika Maron fatale Thesen. Ihre jüngsten Essays werden über den rechten Antaios-Verlag vertrieben.“ Das muss schon immer wieder gesagt werden.

Die „Süddeutsche Zeitung“ schließt wieder auf, vor allem was Monika Marons verqueres Weltbild  betrifft. In „Artur Lanz“ gehe es „um altes Heldentum und mal wieder um angebliche neue Denkverbote“. Auch „blöde Sprüche“ sind zu finden. Der Plot es Buches sei „umständlich aufgebaut, um zu zeigen, was Monika Maron auch in Interviews und Zeitungsartikeln sagt: dass in der deutschen Gesellschaft heute bestimmte Meinungen und Charaktere durch eine gezielte Empörungsbereitschaft zum Schweigen gebracht werden sollen.“ Um „angebliche Tabus“ gehe es in der „papierenen Konstruktion“. Und damit es nicht in Vergessenheit gerät: Der erstmals in der „Neuen Zürcher Zeitung“ veröffentlichte Maron-Essay „Unser galliges Gelächter“ – so ein Bogen muss schon geschlagen werden – „steht jetzt übrigens auch in einem Band, den sie in einer Reihe der Buchhändlerin Susanne Dagen herausgebracht hat. Um deren ‚Buchhaus Loschwitz‘ hat sich ein Netzwerk nationalistisch und xenophob argumentierender und gegen eine gefühlte ‚Gesinnungsdiktatur‘ wetternder Autoren gebildet, zu denen Uwe Tellkamp…“

Man weiß genug. Daran können andere – entspanntere, aber uns auch nicht so luzide über die Hintergründe informierende – Besprechungen (etwa hier oder hier) nichts ändern. Am besten: Hände weg von „Artur Lanz“!

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Matthias Kaufmann / 20.08.2020

@ Eugen Karl: Dann lese ich mir eine Rezension des Buches durch, aber die scheinen ja in den Mainstream-Medien alle gleichgeschaltet zu sein. Das ist die Erkenntnis dieser Rezension der Rezensionen, sehr willkommen!

Bernd Große-Lordemann / 20.08.2020

Schon erstaunlich, dass es in Deutschland angeblich keinen Gesinnungskorridor gibt, - die haltungsstarken FAZkes, die “Süddeutsche Beobachterin der Zivilgesellschaft” und der “Tagesspiegel der Kanzleramtstoilette” aber genau zu wissen scheinen, wann dieser verlassen wird und zu einem “verqueren Weltbild” ausufert, aus dem man sich stark nach rechts vergaloppieren kann!  Frau Maron ist aus der Originalversion einer Meinungsdiktatur vermutlich Härteres gewohnt als die Merkelismusversion des betreuten und gelenkten Denkens für “die Menschen” in Wokistan.

RMPetersen / 20.08.2020

Wie so oft in der FAZ und anderen Hauptstrom-Blättern sind die Kommentare der Leser differenzierter als die Artikel. Die FAZ ist weit abgedriftet. Was hätte wohl der grosse MRR zu den Bütteln in seiner Literatur-Redaktion gesagt? In der ehemaligen Zeitung mit dem klugen Kopf dahinter las ich folgenden exzellenten Kommentar: “Die Rezension bestätigt nur die Rezensierte.”

Rupert Reiger / 20.08.2020

Bald gibt es Steuermittel / die Zwangsabgabe für die Standard-Presse. Die Politik überlegt sich nur noch, wie sie es verpackt. Dann ist die Standard-Presse integriert in die Dildo-Kette.

Peter Petersen / 20.08.2020

Frau Maron wird sicher noch aus der DDR die Hardcore-Variante der Buchbesprechung kennen. Das hier ist hier schon ganz gut, aber noch nicht optimal. In der ersten Variante kann man das Buch aus irgendwelchen Gründen nicht schon vor dem Druck verbieten. Dann kaufen Stasi und Armee die ganze Auflage auf. Es gibt das Buch nicht einmal unter dem Ladentisch. In der schärferen Variante wird der Druck untersagt. Das Manuskript wird aber von einem Westkorrespondenten in den Westen geschmuggelt und dort veröffentlicht. Nun geschieht zweierlei. Die Autorin bekommt für die Tantiemen im Westen in der DDR ein Devisenverfahren angehängt, wird also kriminalisiert. Und nun kommt in der Parteipresse eine Buchbesprechung als Verriß. Über ein Buch, welches in der DDR gar nie man kennt. Und dazu kommt dann die Extrastufe. Werktätige, die das Buch ja nicht kennen können, äußern im Staatsfernsehen direkt am Arbeitsplatz in der Fabrik ihren Abscheu über das Machwerk, welches ihr Vaterland verunglimpft. Bei Spiegelonline wird heute schwadroniert, es gäbe kein Menschenrecht auf Kurzurlaub in Spanien. Sicher läßt sich das demnächst auch auf das Thema ausweiten, ob es überhaupt ein Recht auf den Erwerb eines Buches von Frau Maron gibt.

Klaus U. Mayerhanns / 20.08.2020

Hallo lieber Herr Lommatzsch - die von Ihnen dokumentierte Empörungswelle der üblichen Gesinnungsterroristen und Meinungsdiktatoren hat bei mir zu dem dem sofortigen Entschluß geführt, das Buch zu bestellen und mit großem Interesse zu lesen, mit welchem Geschick und Erfolg die Autorin es schafft, dem allgegenwärtigen Wahnsinn etwas entgegen zu setzen. Das kann nur interessant und aufschlußreich sein. Inzwischen ist es bereits vielfach eine besondere Empfehlung, wenn bestimmte Kreise wieder mal eine Veröffentlichung verteufeln und alles unternehmen, um diese mit ebenso unintelligenten wie platten Diskreditierungen zu unterdrücken.

Eugen Karl / 20.08.2020

Eine Rezension von Rezensionen, ohne daß das Rezensierte zu Wort kommt. Man hätte sich gewünscht, daß der Autor sich auch selbst mit dem Text beschäftigt.

Markus Knust / 20.08.2020

Diese Sorte von Menschen hat Bücher schon immer lieber verbrannt als gelesen. Heute macht man dies nur weniger öffentlich und nicht ganz so theatralisch. Letztens hatte ich eine Diskussion über den neuen Sarrazin, der mir aus literarischer Vorhof zur Hölle beschrieben wurde. Weil ich das Werk selbst noch nicht gelesen habe, wollte ich es genauer wissen. Wie sich herausstellte hatte mein Gegenüber dieses Wissen aber auch nur aus den Medien und sein Denken an Dritte ausgelagert. Dem habe ich dann auch geraten, die Bücher lieber zu lesen als zu verbrennen, weil nicht Kunst und Künstler entartet sei. Hat ihm nicht so gut gefallen, er hat sogar gedroht mich anzuzeigen. Seitdem warte ich auf die Vorladung der Polizei oder das SEK Kommando. DDR 2.0 in der (langsamen weil Neuland) Web Version.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Erik Lommatzsch, Gastautor / 16.03.2024 / 10:00 / 41

Kurzer Ramadan-Lehrgang für Sachsen

Die Islamisierung ist ja bekanntlich eine rechte Verschwörungstheorie, aber die Ramadan-Bräuche und die genauen Gebetszeiten sollten auch sächsische Ureinwohner heutzutage bitteschön kennen. Deutsche Medien kümmern…/ mehr

Erik Lommatzsch, Gastautor / 14.02.2024 / 12:00 / 51

Sachsen-Belehrung in der Straßenbahn

Das Böse ist immer und überall. Im Dresdner ÖPNV werden Fahrgäste jetzt vor „Desinformation im Kontext von Wahlen“ gewarnt. Da fährt man mit der Straßenbahn…/ mehr

Erik Lommatzsch, Gastautor / 17.01.2024 / 14:00 / 8

„Habe Mut“

In einer Zeit, in der der Pessimist nur schwer vom Realisten zu unterscheiden ist und einen die Masse der deprimierenden Nachrichten fast erschlägt, suchen viele etwas…/ mehr

Erik Lommatzsch, Gastautor / 06.11.2023 / 16:01 / 39

Ist Tangerhütte ohne Anne Frank „offener als früher“?

Umbenennungen trafen in Deutschland bislang eigentlich Namenspatrone, bei denen man glaubt, eine fragwürdige Vergangenheit oder gar historische Schuld zu entdecken. Das ändert sich jetzt: Auch…/ mehr

Erik Lommatzsch, Gastautor / 26.08.2023 / 10:00 / 38

Finde den Untertan!

Zum Abschluss einer Ausstellung über den „Untertan“ von Heinrich Mann. Es wird dort alles gesagt und nichts verstanden. Am Sonntag kann man sich noch einmal…/ mehr

Erik Lommatzsch, Gastautor / 04.06.2023 / 16:00 / 15

Drag-Queens und steppende Bären im Bistum Mainz?

Ist dieses Video wirklich echt? Ist der Höhepunkt der katholischen Präsentation auf der Hessentag-Straße wirklich der „Queer Day“ mit „zwei Drag Queens" in der Kirche,…/ mehr

Erik Lommatzsch, Gastautor / 15.05.2023 / 14:30 / 9

Ein Geburtstagsgeschenk für den Geschmähten 

Clemens von Metternich, exakt heute vor 250 Jahren in Koblenz geboren, dann aber im Dienste Österreichs tätig, hat es nie zu einem so richtig guten…/ mehr

Erik Lommatzsch, Gastautor / 24.02.2023 / 14:00 / 27

Mit dem Zweiten bleibt die Frau am besten daheim

Das ZDF beantwortet die Frage: Wo beten die „Muslim*innen“? Außerdem sind die Kleiderordnungen für Frauen in Deutschland immer noch recht unübersichtlich. So richtig schick ist…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com