Henryk M. Broder / 30.07.2014 / 08:29 / 12 / Seite ausdrucken

Habt Mitleid mit Theo!

Als er vor kurzem vor Gericht stand, um sich wegen nicht bezahlter Steuern zu verantworten, da führte Theo “Ted” Sommer, ehemaliger Chefredakteur, Herausgeber und Grüßaugust der ZEIT, zu seiner Verteidigung an, er sei “immer ein Workaholic” gewesen sei, „nachts um zwei“ habe er noch an seinem Schreibtisch gesessen und „Projekte ausgebrütet“, Geld und Finanzen hätten stets “am Ende” seiner Dringlichkeitsskala gestanden. Und deshalb habe er seine Steuererklärungen vernachlässigt.

Neulich muss es bei dem Editor-at-Large wieder spät geworden sein. Statt in die Heia zu gehen und von den Ländereien hinter den Karawanken zu träumen, hat er wieder etwas geschrieben. Über Gaza. Eigentilich ist es aber eine Geschichte über Sommer. Die Überschrift lautet: “Mitleid ist kein Antisemitismus”, der Teaser: “Ohne Frage hat Israel ein Recht auf Selbstverteidigung. Doch wenn ein Land dermaßen die Verhältnismäßigkeit missachtet, muss es sich Kritik gefallen lassen.”

Kommt mir stilistisch irgendwie bekannt vor, Ihnen auch? Jeder zweite Leserbrief zum Nahostkonflikt fängt mit den Worten an: “Ich bin kein Antisemit, aber…” In diesem Sinne ist auch Sommer kein Antisemit, er hat nur Mitleid mit den Palästinensern, die er während der letzten sieben Jahre vollkommen mitleid- und kommentarlos der Herrschaft einer Terrorbande überließ, die ihre gefangen genommenen Gegner energie- und kostensparend von Hochhäusern in die Tiefe stieß - aber erst nachdem man ihnen die Kniescheiben zertrümmert oder zerschossen hatte, damit sie - unten angekommen - nicht weglaufen konnten.

Mitleid mit den Palästinensern zu haben, ist eine richtige und berechtigte Reaktion auf die Bilder aus Gaza. Sommers Mitleid ist aber vor allem Mitleid mit sich selbst. Es liegt ihm was auf der Seele, er will es loswerden, möchte aber nicht in den Verdacht geraten, ein Antisemit zu sein. Wie der ganzen deutschen Gutmenschen-Kamarilla sind ihm die Palästinenser nur Mittel zum Zweck. Und der Zweck heißt: Blame the Jews!

Die Raketen der Hamas, schreibt er, hätten “mittlerweile eine ziemlich flächendeckende Reichweite”, aber - nota bene! - sie seien “ein leichtes Opfer für die israelische Abwehr, die 90 Prozent von ihnen vom Himmel holt”. Haben Sie es bemerkt? Nicht nur die Palästinenser, auch die von der Hamas in Richtung Israel abgefeuerten Raketen sind Opfer! Hat der Mann noch alle Manschettenknöpfe in seinem Kulturbeutel? 

Theo, du alter Knattersack, würdest du noch mit der LH fliegen, wenn regelmäßig eine von zehn Maschinen abstürzen würde? Oder würdest du dich einem Gastroenterologen anvertrauen, bei dem jede zehnte Darmspiegelung lethal endet? Sag schnell ja, sonst komm ich vorbei und lese dir zur Strafe einen Leitartikel von Josef Joffe vor!

Natürlich können es die Pali-Raketen nicht mit den guten alten deutschen V1- und V2 -Raketen aufnehmen, “die im Zweiten Weltkrieg London verheerten”.

Klar, den Holocaust macht uns so schnell keiner nach, eine V1 und V2 auch nicht.

Ich übergehe an dieser Stelle, dass Sommer vom Tschetchenien-Krieg keine Ahnung hat (“Gaza-Stadt sieht weithin so trostlos aus wie das tschetschenische Grosny, als die russische Armee damit fertig war”) und dass er Statistiken der Hamas übernimmt, denen nicht einmal die UN traut.

Dafür hat ers mit der “Verhältnismäßigkeit der Mittel”. Und gegen dieses Gebot habe “Israel sträflich verstoßen”.

Was wäre denn die richtige, das Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel wahrende Reaktion gewesen? Jedem Feuerwerker der Hamas ein ZEIT-Abo schenken und abwarten, bis sie sich bei der Lektüre zu Tode gelangweilt haben? Wäre das humaner gewesen? Ich persönlich wäre dafür, Theo Sommer auf ein Katapult zu schnallen und nach Gaza zu schleudern, wobei man aus seiner Flugbahn wertvolle ballistische Erkenntnisse für künftige Operationen gewinnen könnte.

Sommer geht es nicht darum, dass die Palästinenser zu viel, sondern dass die Israelis zu wenig bluten. Das ist die Botschaft hinter dem Geschwurbel von der Verhältnismäßigkeit.

Wenn die Leute sagen, Israels Antwort auf die Aggression der Hamas müsse »verhältnismäßig« sein, meinen sie das gar nicht so. Was sie in Wahrheit meinen, ist, dass Israel überhaupt nicht antworten soll. Kein Problem: Jeder hat das Recht, diese Sichtweise einzunehmen. Aber die Israelkritiker sollten dann wenigstens so ehrlich sein, ihre Absichten einzuräumen. Und die bestehen darin, Israel das Recht auf Selbstverteidigung zwar in der Theorie grundsätzlich zuzubilligen, nicht aber in der Praxis. Es soll einfach die andere Wange hinhalten. http://lizaswelt.net/2014/07/26/verhaeltnismaessig-verhaeltnismaessig/

Was Sie sonst noch über den Hamburger Edelmann wissen sollten, finden Sie hier:
Schon während der Reise äußerten sich die “Zeit”-Vertreter tief beeindruckt über den zweiten deutschen Staat, der souveräner und gelassener geworden sei, als sie ihn sich vorgestellt hätten. Nachgerade peinlich wirken die vom damaligen Pressechef des DDR-Außenministeriums, Wolfgang Meyer, angefertigten Protokolle der von den Journalisten in der DDR geführten Gespräche - etwa, wenn er Theo Sommer mit den Worten zitierte, die Ursache für die positive Entwicklung in der DDR “sähe er im neuen Kurs der Partei seit dem VIII. Parteitag, der, verbunden mit dem Wechsel in der Person des Generalsekretärs und veränderten außenpolitischen Bedingungen, deutliche innenpolitische Veränderungen bewirkt habe”.

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Leserpost

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Karl Kraus / 01.08.2014

@Max Wedel Das also schreibt Theo Sommer in seinem Buch, er rechtfertigt die Bombenangriffe auf deutsche Wohngebiete? Was für eine Doppelmoral, ein typischer Linker, dieser Sommer. Dieser Widerling.

Klaus Kalweit / 30.07.2014

Ich bekenne, Mitleid zu haben mit allen leidenden Wesen auf diesem Planeten, außer mit denen, die ihr Schicksal mutwillig selbst herbeigeführt haben. Da werde ich bei den Palästinensern, speziell der Hamas, schnell fündig. Die haben schließlich Waffenstillstandsvereinbarungen mehrmals gebrochen. Mit der “Verhältnismäßigkeit der Mittel” scheint der Journalismus jetzt einen neuen Sprachgebrauch gefunden zu haben. In der Programmankündigung heute Abend bei Anne Will wird diese Frage ja schon gestellt, und wie sie beantwortet werden wird, kann sich jeder Tischler an seinen drei Fingern abzählen. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel ist schlicht unzulässig. Sie impliziert nämlich, daß Israel bereit sein muß, eine bestimmte Zahl von eigenen Opfern hinzunehmen, bevor das Militär zielführend eingreifen darf. Wer also meint, daß Israel schon jetzt unverhältnismäßig vorgeht, räumt indirekt ein, daß bei weiteren mörderischen Erfolgen der Hamas Israel eventuell doch irgendwann vielleicht härter vorgehen darf. Ich sage laut und deutlich ja, Israel hat jedes Recht, die eigene Bevölkerung zu schützen. Die dazu notwendigen Handlungen kann man getrost als Krieg bezeichnen, und deshalb gibt es auch immer unschuldige Opfer, genauso, wie die Raketen der Hamas Unschuldige töten oder verletzen. Bei den Raketen ist es Absicht, Israels Soldaten glaube ich, daß sie das Töten von Kindern und Zivilisten vermeiden wollen. Ich wünsche Israel viel Erfolg bei der Entwaffnung der Hamas und das es nicht eher ruht, bis das Ziel erreicht ist. Egal, was Anne Will darüber denkt oder der Todenhöfer.

August Wilhelm Schmitt-Lange / 30.07.2014

Herr Broder, der Sommer wird sich aber jetzt echt freuen. Kann er doch beruhigt feststellen, dass sein Gesabbel noch mindestens einen Leser hat. Vor einem Jahr wären es noch zwei gewesen, aber ich habe es dann irgendwann aufgegeben.

Christoph Horst / 30.07.2014

Etwas Gutes haben ja Leute wie Theo Sommer: Sie bringen Leute wie Henryk M. Broder dazu, zur journalistischen Hochform aufzulaufen. Ganz großes Kino!

Ronald M. Hahn / 30.07.2014

Wenn ich Geschwafel von der Verhältnismäßigkeit höre, frage ich mich, ob die Helden der deutschen Presse einen Krieg für eine Art olympischen Wettkampf halten, in dem kein Kontrahent dem anderen überlegen sein darf: Bei Boxkämpfen achtet man ja auch immer darauf, dass Schwergewichte nicht gegen Fliegengewichte antreten. Im Film sieht man sowas auch schon mal: Sobald dem Bösmann das Schwert aus der Hand fällt, wirft der Held politisch korrekt das seine ebenfalls zu Boden - damit die Verhältnismäßigkeit wieder hergestellt ist. (Leider nutzt der Bösmann dies immer aus, indem er dem Guten eine Handvoll Dreck ins Gesicht wirft und sich dann auf ihn stürzt). Ich bin (politisch völlig unkorrekt, ich weiß) jedoch der Meinung, dass der, der eine Schlägerei anfängt, sich nicht wundern darf, wenn er auf seinen Meister trifft und die Fresse poliert kriegt.

Klaus Brinkmann / 30.07.2014

Ohne den Artikel von Herrn Sommer gelesen zu haben stelle ich mir nicht nur bei Herrn Broder, sondern auch bei vielen anderen Artikeln und Kommentaren immer wieder die Frage, warum Kritik - berechtigt oder nicht - am Staat Israel gleichgesetzt wird mit Antisemitismus. Die militärische Reaktion Israels auf den permanten Raketenbeschuss der Hamas mag angemessen sein oder auch nicht, die Entrüstungen über die Zerstörungen und Toten mag gerechtfertigt sein oder auch nicht. Das will ich an dieser Stelle gar nicht kommentieren. Aber trotz aller Versicherungen, daß selbstverständlich Kritik an Israel geäußert werden darf wird reflexartig die Totschlagkeule des Antisemismusvorwurfs geschwungen, wenn man es dann doch tut.

Maria Leuschner / 30.07.2014

Hier mein Schreiben, welches ich soeben an Theo Sommer geschickt habe: Sehr geehrter Herr Sommer, nun ist das Fass voll! Ihr Beitrag “Mitleid ist kein Antisemitismus” vom 29. Juli 2014 ist Demagogie, Heuchlerei und Verblendung gleichermaßen, wie wir sie in der DDR-Ideologie Israel betreffend nicht besser hätten formulieren können. Es ist nahezu ein Verbrechen, mit welcher Perfidie Sie dies Thema behandeln. Ich brauche mich überhaupt nicht mehr zu wundern, dass Verwandte und Freunde Sie und Ihr Blatt stets mit einer besserwisserischen Begleitmiene mir zum Vorbild und Beispiel “menschlichen Urteilens und Ausgewogenheit” anempfehlen. Ich las die “Zeit” einige Zeit aus “zweiter Hand”. Dies findet nun Dank Ihrer unsäglichen, beleidigenden Wortmeldung ein Ende. Die Kommentare zu Ihrem Artikel sind das Ergebnis Ihrer Gehirnwäsche. Maria Leuschner

Ton Nijhuis / 30.07.2014

Das Wort Verhältnismäßig wird oft falsch verstanden. Es bedeutet nicht Parität (genau so viel Soldaten, Raketen, usw. an beide Seiten) Wenn es 2 Bankräuber gibt, ist dann die Einsatz von 40 Polizisten Unverhältnismäßig? Soll man dann eigentlich nur 2 Polizisten einsetzen? Verhältnismäßig hat mit dem Verhältnis zwischen Mittel und Zweck zu tun. Und wenige hatten gedacht dass das Tunnelsystem in Gaza so groß und professionell gebaut ist…. Welche andere Lösungen gibt es das zu demontieren?

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