Ahmet Refii Dener / 03.07.2025 / 12:00 / Foto: Screenshot/Twitter / 30 / Seite ausdrucken

„Haben wir die Scharia vor lauter Erdogan nicht kommen sehen?“

Eine Karikatur bringt es ans Licht: Ist die Scharia in der Türkei vielleicht doch möglich?

Die Türkei war einmal ein Land, das sich selbst nicht zu ernst nahm – zumindest nicht in den Satiremagazinen. In den 70er, 80er und 90er Jahren boomten Titel wie Gırgır, das wöchentlich mit einer halben Million Auflage erschien und weltweit zu den größten Satiremagazinen zählte. Für uns war der Freitag der „Lachtag“: Wir standen Schlange an den Kiosken, lasen Witze, prägten uns Sätze ein und zitierten sie wie aus dem Evangelium – oder besser: dem „Humor-Koran“.

Die Sprüche, die man sich damals im Alltag zurief, reichten, um zu wissen, welche Ausgabe man meinte. Später kam Limon, heute Leman. Immer scharf. Immer am Rand. Und oft mitten ins Herz der türkischen Gesellschaft. Und jetzt?

Jetzt reicht eine einzige Karikatur, um das ganze Land in den Ausnahmezustand zu versetzen. Zwei gezeichnete Gestalten mit Engelsflügeln und Heiligenschein: „Alaikum Salam, ich bin Muhammed“ – sagt der eine. „Shalom Aleichem, ich bin Moses“ – antwortet der andere. Darunter: Bombenhagel. Flammen. Krieg.

Eine Botschaft, die man auf den ersten Blick als versöhnlich deuten könnte. Eigentlich gelungen. Wäre da nicht das eine: die Figur namens Mohammed – gezeichnet. Im Islam ein Tabu. Und in der Türkei inzwischen ein Fall für Handschellen.

Ein journalistisches Missverständnis? Nein. Eine Warnung.

Denn genau das ist geschehen. Nach Erscheinen der Ausgabe versammelten sich Tausende vor dem Verlag. Die Verantwortlichen? Abgeführt – mit Handschellen auf dem Rücken (Foto oben) Die Karikatur? Verpixelt, gelöscht, zensiert. Willkommen im 15. Jahrhundert.

Vor dem Verlagsgebäude rief ein Rädelsführer ins Mikrofon: „Entweder die gehen, oder wir. Entweder die sterben – oder wir!“ Fast könnte ich wetten, dass er nicht einmal die Karikatur gesehen hat. Es folgte ein kollektives Gebet, dann die bekannten Sprechchöre: „Allahu Akbar!“ Ein journalistisches Missverständnis? Nein. Eine Warnung. Es ist passiert: Die Straße ruft nach der Scharia. Und Erdoğan schweigt nicht – er freut sich.

Denn nichts eignet sich besser, um von Armut und Inflation abzulenken, als ein aufgebrachter Mob, der sich über eine Karikatur empört. Die wirtschaftliche Lage in der Türkei ist desaströs. Um ein Gefühl dafür zu geben: 2017 bezahlte ich 700 Lira Miete für meine Wohnung. Heute? 35.000 Lira – bei Neuvermietung. Mit 700 Lira bekommt man heute nicht mal mehr ein Kilo Hackfleisch.

Und während des Alltages unbezahlbar wird, lässt Erdoğan alte Rechnungen begleichen: Der Parteitag der sozialdemokratischen CHP? Nach 22 Monaten plötzlich angefochten.

Die Justiz? Erfüllt brav ihre Rolle. Fast jeder Oppositionelle sitzt mittlerweile – wegen „Gründung“ oder „Mitgliedschaft“ in einer Terrororganisation. Beweise? Später. Jetzt erst mal wegschaffen.

Der Weg zur Scharia führt nicht über Panzer, sondern über Empfindlichkeit

Und doch, die größere Erschütterung kam aus dem Netz. Die türkische Community ist gespalten – nicht über das Ob, sondern über das Wie weit sind wir schon? Die eine Seite, fromm bis fanatisch, sieht sich bestätigt: Die Darstellung des Propheten? Unverzeihlich. Die andere Seite, laizistisch, fassungslos: „Haben wir die Scharia vor lauter Erdogan nicht kommen sehen?“

Und Deutschland? Hier wirkt der Trend wie gedämpft – aber er wirkt. Die linken und grünen Kräfte dieses Landes sind inzwischen zu den besten Verstärkern eines politischen Islams geworden, der sich nicht integrieren, sondern etablieren will.

Was viele hierzulande nicht verstehen wollen: Der Weg zur Scharia führt nicht über Panzer, sondern über Empfindlichkeit. Wer heute Karikaturen zensiert, zensiert morgen Gedanken. Wer heute auf beleidigte Namen Rücksicht nimmt, nimmt morgen Abstand von Freiheit.

Mohammed – der meistvergebene Vor- oder Nachname bei jungen Männern in Deutschland. In Großbritannien auch. Doch was ist schlimmer: Eine gezeichnete Figur in einem Satiremagazin – oder hunderte reale „Mohammeds“, die vor Gericht stehen, wegen Messerattacken, Raub oder Gruppenvergewaltigung?

Das ist keine polemische Frage. Es ist eine, die sich die Verteidiger des „heiligen Namens“ ehrlich stellen sollten: Was ist euch wirklich heilig – ein Bild oder ein Leben?

 

Ahmet Refii Dener ist Türkei-Kenner, Unternehmensberater, Jugend-Coach aus Unterfranken, der gegen betreutes Denken ist und deshalb bei Achgut.com schreibt. Mehr von ihm finden Sie auf seiner Facebookseite und bei Instagram.

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Th. Gerbert / 03.07.2025

@Lutz Liebezeit: Danke für den Hinweis auf diesen Artikel: “Grüne und die linksextreme Hammerbande sind sich noch näher als gedacht” in der Berliner Zeitung von heute (03.07.). Der Artikel bestätigt meinen Verdacht, dass “Maja” nur der benutzte, aber nicht der amtliche Name von Simeon T. ist. Das hätte man eigentlich auch hier auf achgut herausfinden können, wenn man denn gewollt hätte; stattdessen wurde T. in mindestens einem Artikel auf dieser Seite (von Peter Grimm) durchgängig als “Maja” bezeichnet, und mit dem weiblichem Pronomen “sie”, obwohl es sich ja augenscheinlich sogar amtlich um einen Mann handelt. Ferner wurde im besagten Artikel von Herrn Grimm des öfteren lediglich der Vorname “Maja” benutzt, was ich bemerkenswert fand, weil mir hier die gebotene professionelle Distanz zu fehlen schien. Für mich stellte sich damals die Frage, warum ausgerechnet die Achse, die ja oft Scharaden durchschaut, hier aus meiner Sicht in vorauseilendem Gehorsam bezüglich der vom Tatverdächtigen vorgenommenen Feminisierung unterwegs war.—- Die eigenständige Umbenennung in “Maja” erfolgte interessanterweise erst nach der Verhaftung von T., was interessant ist, weil dies durchaus einige Männer mit - echter oder vermeintlicher - Transidentität so machen. (Man denke an einen verurteilten bekannten Rechtsextremen, der plötzlich “die Frau in sich” entdeckte.) In Berlin und anderswo ist dadurch dann “zufällig” oft der Weg in ein Frauengefängnis geebnet. Die Frauen dort werden natürlich nicht vorher gefragt, ob sie das möchten. Auch nicht von CDU geführten Landesregierungen. Was aus meiner Sicht ein fundamentaler Verstoß gegen die Menschenrechte der inhaftierten Frauen ist.

Roland Voellmer / 03.07.2025

Wir deutschen glauben an den Klimawandel, und der sagt uns, dass es besser ist, keine Kinder zu haben. Fromme Moslems glauben an den Koran, und daran, viele Kinder zu haben. Wer wird sich also durchsetzen?

Ralf Pöhling / 03.07.2025

Eins frage ich mich schon lange: Warum verteidigen Türken seit etwa 20 Jahren und die Iraner schon seit 1979 vehement etwas gegen den Westen, was überhaupt nicht ihre eigenes ist? Mohammed war Araber, der Koran hat seinen Ursprung auf der arabischen Halbinsel, ist im Original in arabisch verfasst und wird so meines Wissen auch immer noch überall verkauft. Und zwar auch in den Ländern, die gar nicht ur-arabisch sind. Hier in Europa hat sich das Christentum nur deshalb gehalten, weil es die Römer quasi zu ihrer eigenen Religion umfunktioniert haben. Die Bibel ist meines Wissens ursprünglich in aramäisch verfasst und dann von den Römern in Latein umgeschrieben worden. Die Katholische Kirche hat deshalb auch weit weniger mit dem ursprünglichen Juden- bzw. Christentum zu tun, als vielmehr mit einer Neuinterpretation, die sich an europäische (Macht-)Verhältnisse angepasst hat. Bei Schiiten sieht man ähnliches mit dem Islam. Der Unterschied zwischen Rom und Teheran ist aber dennoch eklatant: Während das Christentum hier in Europa mehr parallel zum weltlichen Staat laufendes Kulturgut mit eigenem Staatsgebilde ist bei dem man freiwillig Mitglied ist, ist der Islam in islamischen Ländern das alles regelnde Recht. In der Türkei war das dank Atatürk über Jahrzehnte anders und kommt seit Erdogans Machtergreifung ganz plötzlich wieder mit Wucht zurück. Warum? Ist Erdogan jetzt überzeugter Türke oder ein verkappter Araber? Geht es hier wirklich um Religion oder nicht doch eher um eine Anbiederung an die Araber, weil die nicht selten in Geld schwimmen? Man kann nicht alles mit Geld regeln. Geld hält eine Gesellschaft nicht zusammen. Was zusammen hält ist ein gemeinsames Feindbild oder eben eine gemeinsame Identität. Aber die muss die eigene sein. Bei den Persern wäre das der Zoroastrismus und den Türken der Tengrismus, nicht der Islam.

MarcusCato / 03.07.2025

Wen das in einer mittelalterlichen Gesellschaft passierte, würde man sagen, “die brauchen halt noch ein paar Jahrhunderte”. Die waren aber schon weiter - alle von Marokko über Bosnien bis nach Pakistan. Sie tun auch nichts Anderes, als was in ihren heiligen Schriften steht! Ungläubige ausgrenzen und ermorden.

Thomas Szabó / 03.07.2025

Einer der sich durch diese harmlose, gutgemeinte Karikatur ernsthaft beleidigt fühlt, der kann nur ein unintelligenter, fanatischer, zu eigenständigem Denken unfähiger Mensch sein. Der “dressierte Mensch” agiert rein instinktiv wie der Pawlowsche Hund. Gewisse religiöse & politische Ideologien erziehen den Menschen nicht, sie dressieren ihn wie einen Hund. Sie entmenschlichen ihn, indem sie ihm alles abtrainieren, was den Menschen vom Tier unterscheidet. Der ideale Mensch denkt rational, logisch, kritisch, selbstkritisch, das Tier agiert rein emotional, irrational, instinktiv, aggressiv. Der dressierte Hund knurrt, bellt, beißt, holt Stöckchen, wedelt mit dem Schwanz, leckt den Stiefel des Herrchens auf Kommando. Der “dressierte Mensch” reagiert auf bestimmte Stichwörter, Parolen. Seine Reaktion ist rein tierischer, emotionaler Natur. In seiner Primitivität kennt er nur 2 Gefühle: Liebe & Hass. Er ist de facto geistig behindert. Die geistige Behinderung wurde ihm anerzogen. Stets stellt sich die Frage, ob der Dresseur genauso dumm ist wie seine hörige Kreatur? ✦ Die “dressierte Dummheit” ist ein zunehmendes gesellschaftliches Phänomen der westlichen Welt. Die “andressierte Dummheit” als solches anzusprechen gilt als Diskriminierung. Sie ist das Privileg der “unterprivilegierten Minderheiten”, des linken Ersatzproletariats. ✦ Eine ideologische Verblendung entspricht einer geistigen Behinderung. Wie stark muss sich eine “anerzogene geistige Behinderung” bei weniger intelligenten, bildungsfernen Menschen auswirken? Selbst intelligente, gebildete Menschen können faktisch geistig behindert sein. Siehe: linke Intellektuelle. ✦ Stellen wir die gemeine Frage und beantworten wir sie. Wie viel % der “Bereicherung” ist faktisch geistig behindert?

Lutz Liebezeit / 03.07.2025

Was hinten rüber fällt, ist die eingebürgerte Praxis, im GG herumzuschreiben. Ich sage ja, die halten sich für die gnädigen Stifter der Bürgerrechte, die sie aus einer Laune wieder einkassieren können. Z.B. mit Zensaur. Der Berliner Senat wollte gerade den Art. 3 mit “sexueller Orientierung” “ergänzen”, als ihm die Moslem-Aktivistin aus der SPD auf die Füße fiel.  Art. 19,2 GG. “In KEINEM Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.“ Wieso, wir tasten das ja nicht an, wir schreiben das nur um?

Sam Lowry / 03.07.2025

@Manfred Hildebrandt: Würde man nur “Islam” schreiben, würde man wegen Volksverhetzung…

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Ahmet Refii Dener / 07.07.2025 / 06:15 / 101

Wer will dieses Land überhaupt noch verteidigen?

Stellen wir uns vor, deutsche Soldaten würden in einem Einsatz gegen ein islamisches Regime kämpfen. Was tun die Soldaten, wenn sie sich religiös, ethnisch oder…/ mehr

Ahmet Refii Dener / 05.07.2025 / 12:00 / 19

Podcast mit Gendersternchen: Wenn Sprache trennt

Der Podcast „Wissen Weekly“ klang genau nach dem Richtigen für mich. Doch dann flogen mir im Sekundentakt Gendersternchen-Konstruktionen um die Ohren. Hörer*innen, Wissenschaftler*innen, Expert*innen, Bürger*innen…/ mehr

Ahmet Refii Dener / 30.06.2025 / 14:00 / 9

8.000 Jahre Kultur – 23 Jahre Kettensäge

Wie Erdogans Bergbaupolitik die „unsterblichen“ Olivenbäume der Türkei aufs Spiel setzt. Seit Jahrtausenden begleiten Olivenbäume die Menschheit – als biblisches Symbol des Neuanfangs, als Zeichen…/ mehr

Ahmet Refii Dener / 28.06.2025 / 12:00 / 14

Die Macht des leeren Sessels

Ein Journalist, ein Satz – und ein leerer Stuhl, der alles sagt. Die Festnahme von Fatih Altaylı zeigt, wie gefährlich Gedanken in der Türkei 2025…/ mehr

Ahmet Refii Dener / 22.06.2025 / 16:00 / 15

Türkische Einheit, wenn es gegen Israel geht?

In der Türkei scheinen die ethnischen und politischen Konflikte vergessen, wenn es um Israel geht. Da sind die meisten einig in ihrer Feindschaft zum jüdischen…/ mehr

Ahmet Refii Dener / 14.06.2025 / 12:00 / 25

Von wegen „Bildungspolitik“: Einfach Deutsch sprechen!

Wenn wir Hunderttausende zu Deutschen machen, dann sollten sie wenigstens auch Deutsch sprechen können. Und bitte: Lasst uns damit anfangen, bevor die Generation stirbt, die…/ mehr

Ahmet Refii Dener / 31.05.2025 / 10:00 / 29

Wie Dolmetscher über Asyl und Schuld entscheiden

Es ist eine stille Machtverschiebung, die niemand offen benennt: Nicht der Richter entscheidet. Nicht das Bundesamt. Nicht einmal der Psychiater. Sondern der Dolmetscher. In unzähligen…/ mehr

Ahmet Refii Dener / 21.05.2025 / 10:00 / 36

Ist Liebe zu Deutschland heute noch erlaubt?

Es ist ein seltsames Land geworden, dieses Deutschland. Wer es liebt, muss sich rechtfertigen. Wer es verteidigt, wird verdächtigt. Und wer es kritisiert, aus Sorge…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com