Wer kann zum Papst gewählt werden? Antwort: ein Bischof oder eine Person, die zum Bischof geweiht werden kann. Man muss nicht unbedingt Theologie studiert haben, man braucht nicht einmal Priester sein.
Bevor Bartolomeo Prignano, Erzbischof von Bari in Süditalien, beim Konklave in Rom nach dem Tod Gregors XI. im Jahre 1378 zum neuen Pontifex gewählt wurde, gab es in der Heiligen Stadt bislang beispiellose Tumulte. Das Volk wandte sich gegen die Wahl eines Franzosen und forderte einen Römer oder wenigstens einen Italiener als Papst, der seit 1309 seinen Sitz im südfranzösischen Avignon hatte. Gregor war 1376 wieder nach Rom an den traditionellen Sitz der Kurie zurückgekehrt.
Die Kardinäle inthronisierten schließlich Bartolomeo unter dem Namen Urban VI. als neuen Papst. Der bisherige Leiter der päpstlichen Kanzlei nahm sich vor, die Kirche von der Abhängigkeit weltlicher Staaten, insbesondere Frankreichs zu befreien, und überwarf sich mit den französischen Kardinälen, die sich nach Avignon zurückzogen und die Wahl für ungültig erklärten. Am 20. September 1378 wählten sie Kardinal Robert von Genf zum Papst. Dessen Krönung als Klemens VII. leitet die Kirchenspaltung ein, die mit einer Abfolge von sich befehdenden Päpsten und Gegenpäpsten bis 1417 dauern sollte.
Die Wahl Urbans VI. war ein besonderer Fall, weil er zuvor kein Kardinal gewesen war. Es war das bislang letzte Mal, dass ein neu gewählter Papst nicht dem Kollegium der Purpurträger angehörte. Diese Tatsache wirft ein Licht auf die Regel, nach denen eine Papstwahl abgehalten wird. Und zeigt: In der Kirche ist, wie nicht zuletzt die zuweilen bizarre Geschichte des Papsttums zeigt, vieles möglich. Und das, was nicht möglich ist, wird nötigenfalls möglich gemacht.
Die Anforderungen
Wer kann zum Papst gewählt werden? Antwort: ein Bischof oder eine Person, die zum Bischof geweiht werden kann. Hinter dieser Maßgabe steht die Vorstellung, dass der Papst nicht nur oberster Repräsentant der katholischen Weltkirche ist, sondern auch „Bischof der Kirche von Rom“ und „Haupt des Bischofskollegiums“. Und wer kann zum Bischof geweiht werden? Prinzipiell jeder getaufte männliche Katholik, der in „voller Gemeinschaft mit der Kirche“ steht.
Dabei muss man nicht unbedingt Theologie studiert haben, man braucht nicht einmal Priester sein. Der vergnügungssüchtige Medicipapst Leo X. musste nach seiner Wahl 1513 erst einmal zum Priester geweiht werden – im zarten Alter von 37 Jahren! Allerdings verlangt das Kirchenrecht von einem Weihekandidaten, ob Laie oder Kleriker, eine Reihe von Voraussetzungen. Zunächst muss er in der Gemeinschaft der Kirche stehen, also getauft und Katholik sein, nicht der Strafe der Exkommunikation unterliegen und nicht „hartnäckig in einer schweren Sünde verharren“.
Ungeeignet („irregulär“) für den Empfang der Weihe sind unter anderem Menschen, die an einer psychischen Krankheit leiden, die sie unfähig für den ordnungsgemäßen Dienst machen, an einer Abtreibung mitgewirkt, einen Menschen getötet oder einen Suizidversuch unternommen hat. Nur „einfach gehindert“ sind verheiratete Männer oder Neugetaufte, die sich noch nicht ausreichend bewährt haben.
Theoretisch könnte ich Nachfolger des verstorbenen Papstes werden
Weitere Anforderungen für Bischöfe wie „guter Ruf“, „fester Glaube“, gute Sitten“, „Frömmigkeit“ und „Klugheit“ ließen sich kaum objektiv überprüfen, heißt es in einem erläuternden Beitrag auf katholisch.de. Pius XII. (1939-1958) hatte sich ausführlich mit der Frage beschäftigt, was passiert, wenn ein Laie zum Papst gewählt wird und ob er sich selbst von Weihehindernissen dispensieren kann. Pius ging davon aus, dass einem zum Papst gewählten Laien „die Lehr- und Leitungsgewalt sowie das Charisma der Unfehlbarkeit vom Moment seiner Annahme, also noch vor seiner Weihe übertragen“ sei. Diese Auffassung gilt heute als überholt: ein neu gewählter Papst, der noch nicht Bischof ist, besitzt nach geltendem Kirchenrecht (CIC - Codex iuris canonici) die volle Gewalt in der Kirche erst mit Vollzug der Bischofsweihe.
Theoretisch könnte ich also selbst Nachfolger des verstorbenen Papstes Franziskus werden. Ich bin männlich, getauft, gefirmt, habe die Erstkommunion gefeiert und den Beichtunterricht besucht, also eine reguläre katholische Sozialisation durchlaufen. Bei den katholischen Georgs-Pfadfindern hatte ich zudem Gelegenheit, meinen Glauben zu festigen und aktiv zu leben. Eines meiner spirituellen Vorbilder war der seinerzeitige, charismatische Limburger Bischof Franz Kamphaus.
In den frühen neunziger Jahren trat ich aus der Kirche aus, was nun in der Tat ein gravierendes Weihehindernis darstellen würde, wäre ich nicht vor zwei Jahren reuemütig wieder eingetreten. Zwar nicht in Deutschland, jedoch in Frankreich und zwar in der ehrwürdigen Abtei von Fontgombault, die den alten katholischen Ritus zelebriert und den gregorianischen Choral pflegt. Laut einem in französischer Sprache verfassten Dokument, unterzeichnet vom Abt des Klosters und überdies versehen mit dem Einverständnis des Bischofs von Bourges, stehe ich nunmehr wieder in voller Gemeinschaft („dans la pleine communion a l’église catholique“) mit meiner Kirche.
Ein Herz für Verlierer
Trotzdem dürften meine Chancen, als neuer Pontifex aus dem nächsten Konklave hervorzugehen, begrenzt sein. Der letzte Kandidat, der kein Kardinal war, liegt, wie beschrieben, rund 650 Jahre zurück. Nicht ganz so lange ist es her, dass die Kardinäle mit Papst Gregor XVI. (1831-1846) einen Mann zum Kirchenoberhaupt kürten, der vorher lediglich die Priesterweihe empfangen hatte. Im aktuellen Kardinalskollegium gilt als einziger „halbwegs realistischer“ Kandidat ohne Bischofsweihe der britische Kardinal Timothy Radcliffe. Der einfache Ordenspriester wurde erst 2024 von Papst Franziskus ins Kardinalskollegium berufen.
Ein kirchennaher Blogger spricht sich dafür aus, den Erzbischof von Mailand, Mario Enrico Delpini, zum neuen Papst zu küren. Delpini habe große Führungserfahrung und sei ein herausragender Prediger, der auch in schwierigen Momenten stets das richtige Wort finde. Das wäre eine posthume Klatsche für Franziskus, der das Oberhaupt des unbedeutenden Mailänder Suffraganbistums Como, Oscar Cantoni, zum Kardinal erhoben, die ehrwürdige lombardische Metropole, die allein im 20. Jahrhundert schon zwei Päpste stellte, jedoch außen vorgelassen hatte.
Delpini selbst hatte seinem Unmut über die päpstliche Demütigung Luft gemacht, im dem er eine Analogie aus dem Fußball wählte: Franziskus sei stets Anhänger eines Vereins in Argentinien gewesen, der nie einen großen Titel geholt hat, er habe also ein Herz für Verlierer. Das zeige sich auch im Falle Mailand/Como. Wo doch jeder italienische Fußballfan wisse, dass der Meistertitel zum wiederholten Mal nach Mailand gegangen sei, Como jedoch unter „ferner liefen“ rangiere.
Georg Etscheit ist Autor und Journalist in München. Fast zehn Jahre arbeitete er für die Agentur dpa, schreibt seit 2000 aber lieber „frei“ über Umweltthemen sowie über Wirtschaft, Feinschmeckerei, Oper und klassische Musik. Er schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss, und auf Achgut.com eine kulinarische Kolumne.